AIFM-Umsetzungs-Entwurf: „Hat Anlegerschutz keinen Wert?“

Angesichts des aktuellen Entwurfs zum AIFM-Umsetzungsgesetz und dessen Konsequenzen für die Bewertung offener Immobilienfonds könnte man den Eindruck gewinnen, dass Anlegerschutz keinen Wert hat.

Gastkommentar von Dr. Gernot Archner, BIIS

Sah der erste Entwurf der europäischen Richtlinie noch zwingend eine externe Bewertung aller illiquiden Assets für Spezial- wie Retailfonds vor, so wurde nach intensivem Fondslobbying in der finalen Fassung auch die interne Bewertung zugelassen. Um weiterhin einen über das europäische Mindestsoll hinaus gehenden angemessenen Schutzstandard für Kleinanleger zu gewährleisten, sieht die Richtlinie ausdrücklich vor, dass der nationale Gesetzgeber im Retailbereich die Anforderungen verschärfen kann. Für den Bereich der geschlossenen Immobilien-Publikumsfonds sah der Diskussionsentwurf entsprechend auch zwingend eine externe Bewertung bei Ankauf und bei der jährlichen Nachbewertung vor. Bei den bestehenden offenen Immobilien-Publikumsfonds sollte an den heutigen unabhängigen Bewertungsausschüssen festgehalten werden, neue offene Immobilien-Publikumsfonds sollte es nicht mehr geben. Soweit so gut könnte man meinen.

Nun hat nach intensivem Lobbying ein geänderter Gesetzentwurf das Licht der Welt erblickt. Hiernach soll bei geschlossenen Publikumsfonds nur noch beim Ankauf zwingend extern bewertet werden aber nicht mehr während der Bestandsphase, obgleich Anleger und Zweitmarkt gerade dann ein großes Interesse an einer unabhängigen Bewertung und NAV-Ermittlung haben. Dies betrifft übrigens nicht nur die Bestandsanleger sondern auch die Neuanleger anderer im Vertrieb befindlicher Fonds mit Blick auf eine objektive Leistungsbilanz des Initiators. Für nunmehr wieder zugelassene aber auch für die bestehenden offenen Immobilien-Publikumsfonds sieht der Entwurf nicht mehr wie heute die Bestellung eines externen Bewertungsausschusses mit Einnahmegrenzen für die Ausschussmitglieder, einer harten Rotationsregelung mit zwingender Cooling-down-Phase und einer unbeschränkten persönlichen Haftung der Bewerter vor, sondern lässt die Bewertung durch einen – bildlich gesprochen – bis zum Sankt Nimmerleinstag tätigen Haus- und Hofgutachter ohne jegliche Einnahmegrenze und persönliche Haftung zu.

Natürlich könnte man argumentieren, dass unabhängige Bewertungsausschüsse nach dem Entwurf grundsätzlich weiter möglich sein sollten und der Markt schon das beste externe Bewertungssystem hervorbringen wird. Das Problem hierbei ist nur, dass nun gerade der Markt bei den offenen Immobilienfonds in den letzten Jahrzehnten gezeigt hat, dass er auch in diesem Bereich nicht zu einer ausreichenden Selbstregulierung in der Lage ist. Anderenfalls hätte es der vier gesetzlichen Änderungen in den letzten zehn Jahren nicht bedurft, um die zwingend erforderliche Unabhängigkeit der Gutachter und des Bewertungsprozesses systematisch zu stärken, ja eigentlich um diese erst herzustellen.

Gleiches gilt für Transparenzstandards und die Veröffentlichung von objektbezogenen Bewertungsergebnissen bei allen Formen der indirekten Immobilienanlage. Anders als institutionelle Investoren im Spezialfondsbereich können Retailanleger aus rechtlichen wie fachlichen Gründen keinen Einfluss auf die Auswahl der externen Bewerter und das Bewertungssystem („joint“ oder „single valuation“-Modell) sowie die Veröffentlichung der Bewertungsergebnisse nehmen, weshalb der Gesetzgeber in diesen Bereichen gefordert ist einen einheitlich hohen Standard zu gewährleisten. Es ist in keiner Weise einzusehen, dass Retailanleger bei Produkten mit einem staatlichen Regulierungs- und Aufsichtssiegel von Gesetzes wegen gegebenenfalls einem deutlich geringeren Schutzstandard als professionelle Anleger ausgeliefert sein sollen.

Und genau von der Wertschätzung der institutionellen Anleger für den aus drei externen Bewertern bestehenden unabhängigen Bewertungsausschuss als joint-valuation-Modell sollte sich auch der Gesetzgeber beim Anlegerschutz im Retailbereich bei geschlossenen wie offenen Immobilienfonds und zwar sowohl bei der Ankaufs- wie bei der Bestandsbewertung leiten lassen. Niemand schaut so sehr auf die Kosten wie institutionelle Investoren. Diese sind nur dann bereit den Mehraufwand für eine joint valuation zu bezahlen, wenn es die Leistung auch wert ist. Seit einer Gesetzesänderung 2008 müssen Spezialfonds ihre Immobilien nicht mehr durch einen unabhängigen Bewertungsausschuss sondern nur noch durch einen externen Bewerter bewerten lassen. Dennoch hat sich in der Branche auf Wunsch der Investoren, nicht der Kapitalanlagegesellschaften (!), die „best practice“ etabliert, dass sowohl vor einem Ankauf als auch in der Bestandsbewertung zwingend eine joint valuation durch drei externe Bewerter mit den harten Regeln des Paragrafen 77 Investmentgesetz zu Einnahmegrenzen, persönlicher Haftung und Rotation durchgeführt wird.

Seite 2: Warum institutionelle Investoren freiwillig auf einen Bewertungsausschuss setzen

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