Was bedeutet dies für die Finanzmärkte? Die Kombination aus moderatem Weltwirtschaftswachstum und mehrheitlich expansiver Geldpolitik kommt riskanteren Vermögenswerten wie Aktien zugute. Die Bewertungen sind bestenfalls fair und die Gewinne der Unternehmen werden kaum wachsen. Infolge des moderaten Aufwärtspotenzials und der anziehenden Volatilität ist beim Anlegen ein zunehmend taktischer Ansatz gefragt, wobei der Titelauswahl zentrale Bedeutung zukommt. In einem solchen Umfeld erwarten wir, dass Staatsanleihen von den sogenannten Kernländern der Eurozone – allen voran deutsche „Bunds“ – und US-Treasuries geringe Verluste erleiden.
Gleichzeitig dürfte sich das Segment der Unternehmensanleihen, beispielsweise hochverzinsliche Papiere, gut behaupten, da eine Rezession ziemlich unwahrscheinlich ist. Ob sich Aktien und Anleihen der aufstrebenden Volkswirtschaften erholen, hängt stark von der Stabilisierung der Rohstoffpreise ab. Die aktuelle Reaktion auf der Angebotsseite scheint indes nicht auszureichen, um die Märkte ins Gleichgewicht zu bringen, denn die Produzenten versuchen, das Angebot aufrechtzuerhalten oder sogar zu erhöhen, um ihre Geldzuflüsse zu verteidigen.
In diesem Umfeld tritt die geldpolitische Divergenz offen zutage: Das Fed wird höchstwahrscheinlich an seinem Treffen vom 15./16. Dezember die Zinsen erhöhen, während die Europäische Zentralbank bereits „indirekt angekündigt“ hat, ihr Wertpapierkaufprogramm am 3. Dezember auszuweiten. Solche Divergenzen dies- und jenseits des Atlantik verleihen dem US-Dollar zusätzlichen Auftrieb, obwohl die Währung nicht mehr günstig ist. Unter dem Strich sind die Aussichten auf hohe Renditen auf den Finanzmärkten relativ verhalten, da hyperaktive Währungshüter die Bewertungen in die Höhe getrieben haben.
Ein Damoklesschwert schwebt über den Schwellenländern
In unserem Hauptszenario gehen wir davon aus, dass sich das globale Wachstum außerhalb der USA stabilisiert. Ein wirklich pessimistisches Nebenszenario sähe hingegen wie folgt aus: Eine Welle von Zahlungsausfällen in den aufstrebenden Volkswirtschaften, wo die Verschuldung der Unternehmen gestiegen ist, könnte das Vertrauen der Anleger erschüttern und das Wirtschaftswachstum sowie die Unternehmensgewinne erheblich beeinträchtigen. Sorge bereitet zudem der Aufstieg von politischen Parteien in Europa, die das Ende der Sparpolitik befürworten und sogar die Grundsätze der Institutionen und der Politik der Region infrage stellen.
Seite drei: Befreit die US-Konjunktur den Rest der Welt aus der Lethargie?