Branchenexperten hadern aus anderen Gründen mit den Plänen aus Berlin – insbesondere deshalb, weil die Zielrente in das geplante Konzept des „Sozialpartnermodells“ eingebunden werden soll. Dr. Reiner Schwinger, Head of the Northern Europe Region von Willis Towers Watson Deutschland, findet die die Einführung der neuen reinen Beitragszusage zwar grundsätzlich begrüßenswert. „Gerade im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld ermöglichen solche Zielrentensysteme im tariflichen Bereich ohne kostspielige Garantien den Aufbau einer werthaltigen Altersversorgung.“ Allerdings steige durch diesen quasi weiteren Durchführungsweg tendenziell die Komplexität der bAV.
Einfluss der Tarifvertragsparteien dürfte zunehmen
„Unternehmen können sich damit künftig entscheiden, weiterhin spezifische betriebliche Lösungen im bisherigen bAV-System umzusetzen. Wollen sie allerdings ein Zielrentensystem einführen, müssen sie anstelle dessen im tariflichen Bereich die bAV zumindest in wesentlichen Fragen in die Regelungshoheit der Tarifvertragsparteien legen und jedenfalls eine enge Abstimmung zur Ermöglichung betrieblicher Lösungen mit diesen suchen“, so Schwinger weiter.
Gerade Unternehmen, in denen starke Betriebsparteien schon bislang erfolgreich gute und ausgewogene Versorgungsmodelle entwickelt haben, müssten für Zielrentensysteme gegebenenfalls neue Wege beschreiten. Damit dürfte seiner Einschätzung nach der Einfluss der Tarifvertragsparteien in der bAV insgesamt zunehmen – einem Gebiet, das bislang vielfach weitgehend durch die Betriebsparteien geregelt wurde.
Gesetzentwurf in Ressortabstimmung
Das tarifvertragliche Zielrenten-Modell stimmt auch Uwe Buchem skeptisch, Betriebsrenten-Experte beim Beratungsunternehmen Mercer: „Mit dem Entwurf möchte der Gesetzgeber insbesondere mit verbesserten steuerlichen und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Tarifpartner eine stärkere Verbreitung der bAV – vor allem im Hinblick auf Kleinunternehmen und Geringverdiener – erreichen. Der Fisch muss aber am Ende dem Köder und nicht dem Angler schmecken. Ob die Tarifparteien die Chancen des neuen Gesetzes tatsächlich nutzen werden, bleibt abzuwarten.“ Um der Verbreitung der bAV einen stärkeren Impuls zu geben, wäre nach seiner Einschätzung eine Ausweitung der neuen Möglichkeiten für alle Arbeitgeber, also auch für jene ohne Tarifvertrag, notwendig.
Der Entwurf zur Reform der Betriebsrente befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung der Bundesregierung. 2018 soll das Gesetz in Kraft treten. (kb)
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