Noch sind die Reformvorhaben nicht endgültig verabschiedet. Die Chancen stehen aber gut, dass sich der Präsident in den Kernpunkten durchsetzen kann. Denn angesichts der großen Mehrheit der Regierung dürfte die Zustimmung zur Neuregelung des Arbeitsrechts reine Formsache sein. Hinzu kommt, dass das Parlament nicht über die Reform im Detail beraten, sondern über das Gesamtpaket abstimmen wird. Der Grund: Die französische Nationalversammlung hatte entschieden, dass Macron seine Pläne per Dekret umsetzen kann. Das sollte den Prozess beschleunigen und verhindern, dass einzelne Maßnahmen aufgeweicht werden.
Der Balanceakt mit den Gewerkschaften
Die Geschichte hat gezeigt, dass die Kritik der Gewerkschaften an geplanten Reformen ausschlaggebend für Erfolg oder Misserfolg sein kann. Daher wagt Macron keine radikalen Vorstöße. Seine Pläne tasten heikle Punkte wie die 35-Stunden-Woche und das offizielle Renteneintrittsalter von 62 Jahren zumindest nicht ausdrücklich an. Daneben hat der Regierungschef die Tarifparteien bislang geschickt eingebunden.
Nicht zuletzt die intensiven Beratungen mit den Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen im Vorfeld tragen nun dazu bei, dass der Schulterschluss gelingen könnte. Entscheidend dafür ist auch, dass der Gleichklang der Gewerkschaften gebrochen scheint. Bis jetzt hat nur die extrem linke Vereinigung CGT die vorgesehenen Änderungen im Grundsatz abgelehnt. Die Gegner der Reform sind sich also nicht einig, was die Chancen erhöht.
Wirtschaftlicher Aufwärtstrend begünstigt Reformen
Die Gelegenheit ist günstig: Reformen lassen sich stets besser in wirtschaftlich guten Zeiten umsetzen. Aktuell steht Frankreichs Konjunktur auf soliden Beinen: Das Bruttoinlandsprodukt legte in den letzten vier Quartalen jeweils zu, im vierten Quartal 2016 und im zweiten Quartal 2017 erreichte das Wirtschaftswachstum mit einer Rate von jeweils plus 0,5 Prozent sogar robuste Werte.
Für das Gesamtjahr 2017 rechnen die Volkswirte von Union Investment mit einem Anziehen der Wirtschaftsleistung um 1,6 Prozent (2016: plus 1,1 Prozent). Das positive wirtschaftliche Umfeld eröffnet Handlungsspielräume für Reformen und verschafft dem amtierenden Präsidenten deutlich bessere Voraussetzungen als seinem Vorgänger Hollande.
Allerdings ist die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung weniger auf strukturelle Faktoren in Frankreich zurückzuführen als auf das synchrone globale Wachstum. Das weiß auch Macron. Er hat bereits kurz nach seinem Amtsantritt den Rotstift bei den Staatsausgaben angesetzt. Sein Ziel ist es, das Haushaltsdefizit im laufenden Jahr auf unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu begrenzen.
Ein Selbstläufer ist das aber nicht: Daher wurden Einsparungen im Staatshaushalt, unter anderem Senkungen im Verteidigungsetat und Kürzungen des Wohngeldes, angekündigt – auch keine sonderlich populären Maßnahmen und doch notwendig, um die Wirtschaft anzukurbeln und die Voraussetzung für eine engere Wirtschaftsunion in Europa zu etablieren.
Seite drei: Macrons Politik aus Marktsicht positiv