BGH stellt Grundsätze zur Vertriebshaftung auf den Kopf

Die rechtzeitige Übergabe des Prospekts ist in dem entschiedenen Fall auch deshalb wichtig, weil darin über die Höhe der Vertriebskosten zu lesen war. Diese lagen bei 15 Prozent des Eigenkapitals plus fünf Prozent Agio, insgesamt also 20 Prozent.

Der BGH hatte schon 2004 entschieden, dass auch der freie Vertrieb den Anleger ungefragt über die Provision unterrichten muss, wenn diese eine Größenordnung von 15 Prozent überschreitet. Er hatte jedoch versäumt, dazu zu schreiben: 15 Prozent wovon? Zudem war strittig, ob das Agio einzubeziehen ist oder die Grenze nur für eine (zusätzliche) „Innenprovision“ gilt.

Dies hat das Gericht nun klargestellt: Die 15 Prozent beziehen sich auf das von den Anlegern einzubringende Kapital. Sowohl in das Kapital als auch in die Provision ist bei der Berechnung das Agio einzubeziehen.

Möglicher Pferdefuß

Und das könnte der Pferdefuß sein: Inklusive Agio waren mehr als 15 Prozent Provision vor allem bei Schiffsfonds früher nicht ungewöhnlich. Zudem ist offenbar nicht relevant, ob der betreffende Vertrieb tatsächlich in dieser Höhe eine Provision erhalten hat oder nicht. Entscheidend sind vielmehr die Vertriebskosten insgesamt.

Denn der Grund für die Aufklärungspflicht ist in diesem Fall – anders als bei der Kickback-Rechtsprechung für den Bankenvertrieb – nicht die Interessenlage des Vertriebs, sondern die Folgen für die Werthaltigkeit der Investition. Sie kann laut BGH „im Fall einer hohen Provision maßgeblich beeinflusst sein“.

Ob dies in den Prospekten ausreichend deutlich dargestellt war, dürfte nun in vielen noch offenen Verfahren ein weiterer Streitpunkt werden. Immerhin: War das der Fall, reicht es offenbar aus. Eine gesonderte Aufklärung des Anlegers über die Provision war dann auch bei Überschreiten der 15-Prozent-Grenze nicht notwendig.

Die Höhe der Provision spielt auch in dem anderen Urteil zur Vertriebshaftung eine Rolle, das der BGH gestern veröffentlicht hat. Wichtiger ist hier aber der Leitsatz des Gerichts.

Seite 3: Aufatmen bei Private-Equity-Dachfonds

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