Schließlich wird wahrscheinlich niemand ernsthaft glauben, der Anleger hätte sich tatsächlich nicht an den Fonds beteiligt, wenn er gewusst hätte, dass der Treuhänder lediglich die alleinige Unterschriftsvollmacht für die Konten hat, sie aber nicht auf seinen Namen laufen.
Wenn die Details der Mittelverwendungskontrolle bei der Entscheidung überhaupt eine Rolle gespielt haben, wäre wohl jeder mit dieser Art der Umsetzung zufrieden gewesen. Wenn die Erinnerung nicht trügt, war sie gang und gäbe (auch wenn die Diskrepanz zwischen Prospekt/Vertrag und Praxis natürlich durchaus bedenklich ist).
Jedenfalls ist kaum anzunehmen, dass es der Wahrheit entspricht, der Anleger hätte allein deshalb auf die verlockenden Steuervorteile verzichtet, die Medienfonds regelmäßig boten, zumal deren Abschaffung unmittelbar bevorstand.
Drei Tage vor Abschaffung der Steuervorteile
Die Beitritte erfolgten nur drei Tage vor dem überraschend vorgezogenen Termin am 5. Mai 2005, zu dem der damalige Finanzminister Hans Eichel in einer Hauruck-Aktion Ende April innerhalb weniger Tage Paragraf 15b EStG und damit die drastische Beschränkung von Verlustzuweisungen einführen wollte. Letztlich umgesetzt wurde diese im November des gleichen Jahres.
Trotzdem wird der Anleger – auf Anraten seines Anwalts – mit ziemlicher Sicherheit bei der Behauptung bleiben, die Kenntnis der nicht ganz astreinen Ausgestaltung der Mittelverwendungskontrolle hätte ihn von den Investitionen abgehalten, so unglaubwürdig das auch sein mag.
Bislang mussten die Gerichte derlei wegen der BGH-Grundsätze zur „Lebenserfahrung“ weitgehend hinnehmen. Nun können sie zumindest ein stückweit auch die Plausibilität der Behauptung berücksichtigen.
Chance auf mehr Gerechtigkeit
Wie das OLG im zweiten Anlauf entscheidet und ob sich am Ende der gesunde Menschenverstand oder weltfremde juristische Prinzipien durchsetzen, bleibt abzuwarten. Offenkundig jedoch ist: Der BGH setzt mit dem Urteil seine jüngste Tendenz fort, nicht länger den immer gleichen Behauptungen von Anlegern und ihren Anwälten ohne weiteres zu folgen, auch wenn sie noch so weit hergeholt sind.
So müssen die Gerichte zukünftig wohl auch in den Verfahren zur Vertriebshaftung genauer untersuchen und bewerten als bisher, ob ein Beratungsfehler im Einzelfall tatsächlich eine so große Bedeutung für die Anlageentscheidung hatte, wie der Anleger behauptet.
Damit steigt auch die Chance auf mehr Gerechtigkeit. Das klingt vielleicht etwas pathetisch (und ein wenig nach SPD). Aber es passt zur Jahreszeit und in diesem Sinne wünsche ich allen Lesern gesegnete Weihnachtstage sowie einen guten Rutsch ins neue Jahr! Der nächste Löwer-Kommentar erscheint im Januar.
Stefan Löwer ist Chefanalyst von G.U.B. Analyse und betreut das Cash.-Ressort Sachwertanlagen. Er beobachtet den Markt der Sachwert-Emissionen als Cash.-Redakteur und G.U.B.-Analyst insgesamt schon seit mehr als 25 Jahren. G.U.B. Analyse gehört wie Cash. zu der Cash.Medien AG.
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