Die Erfahrung zeigt allerdings, dass für eine anhaltende Aufwärtsbewegung mehr als nur ein Liquiditätsschub nötig ist. Zinssenkungen der FED sorgen zwar prinzipiell für einen Anstieg des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) über die nächsten 12 Monate. Die Bewertungsausdehnung ist aber größer, wenn sie nicht als Reaktion auf eine drohende Rezession erfolgt.
Noch deutlicher wird dies beim Vergleich der Wertentwicklung über die folgenden 12 Monate nach der ersten Zinssenkung: -5% im Falle einer Rezession gegenüber +18% andernfalls. Die Begründung für diese Divergenz liegt im Rückgang der Unternehmensgewinne, der in einer Rezession ungleich stärker ausfällt, z.B. -30% im Jahre 2000 für den S&P 500.
Das weitere „Schicksal“ des Aktienmarktes hängt also trotz FED wesentlich davon ab, ob sich die inzwischen auch den USA drohende konjunkturelle Abkühlung zu einer Rezession auswächst oder eben nicht.
Inverse Zinsstruktur als einziges Warnsignal für Rezession
Neben dem klassischen Konjunkturzyklus gibt es noch drei weitere mögliche Auslöser für eine Rezession: (i)„Versagen“ der Geldpolitik, (ii) externe Schocks, z.B. die Ölkrisen der 70er Jahre, und (iii) Finanzmarkt- und Bankenkrisen wie die „Savings and Loans“-Krise 1990 oder zuletzt die Subprime-Krise 2008.
Den ersten möglichen Auslöser können wir aktuell ausschließen. (ii) ist zwar aufgrund der wachsenden Spannungen im Persischen Golf prinzipiell möglich. Allerdings ist Saudi Arabien jederzeit in der Lage, durch eine kurzfristige Produktionsausweitung den Ölpreisanstieg zu bremsen. Für (iii) fehlen aktuell ebenfalls belastbare Hinweise.
Die Dauer einer konjunkturellen Expansionsphase fällt dagegen kaum ins Gewicht. Zwar wird gerne darauf verwiesen, dass es in den USA seit 11 Jahren keine Rezession mehr gegeben hat. Es wird dabei aber übersehen, dass die Erholung eine der schwächsten der letzten 150 Jahre ist und Überhitzungserscheinungen mit Ausnahme des Arbeitsmarktes kaum zu erkennen sind.
Zinsstrukturkurve wird zu Unrecht als Zeichen einer Rezession interpretiert
Anders verhält es sich mit der oft zitierten inversen Zinsstrukturkurve, die gerne als untrügliches Zeichen einer drohenden Rezession interpretiert wird und zugegebenermaßen einen guten „Track-Record“ aufzuweisen hat. In den USA folgte jeder Inversion (mit einer Ausnahme in den späten 1960er Jahren) eine Rezession.
Da sich die Rendite von Anleihen aus den aktuellen und den zukünftigen Notenbankzinsen ergibt, spiegelt eine inverse Zinsstruktur die Erwartung von Zinssenkungen wider. In der Vergangenheit waren diese meist eine Reaktion auf einen Konjunkturabschwung.
Das theoretische Modell hinter dieser Interpretation ist die typischerweise negativ geneigte sogenannte „Phillips-Kurve“, die den „Trade-off“ zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation beschreibt. Bei einer gegebenen Arbeitslosenquote ist die damit einhergehende Preissteigerungsrate umso höher, je steiler die Kurve ist.
Zinsstruktur gibt aktuell kaum Aufschluss über weitere Entwicklung
Aktuell verläuft die Phillips-Kurve fast horizontal, d.h. die Inflationsrate ist weitgehend unabhängig von der Beschäftigung und damit auch vom Wirtschaftswachstum. Die FED wird die Zinsen also nicht aus konjunkturellen Erwägungen senken, sondern weil die Preissteigerungsrate in ihren Augen zu gering ist.
Dies bedeutet, dass die Zinsstruktur aktuell kaum Aufschluss über die weitere konjunkturelle Entwicklung gibt. Die verlässlichere Indikation kommt aktuell vom Aktienmarkt: seine überraschend stabile Verfassung spricht gegen einen erneuten konjunkturellen Schwächeanfall und gegen rückläufige Unternehmensgewinne.
Aus diesem Blickwinkel widersprechen sich die Signale aus der Kursentwicklung von Aktien und Staatsanleihen nicht mehr, sondern ergänzen sich vielmehr: Inflation, Notenbankzinsen und Renditen werden auch in Zukunft kaum höhere Werte annehmen; die Wachstumsdynamik lässt weiter zu wünschen übrig, aber trotzdem gibt es auch so schnell keine Rezession. Das ist nichts anderes als die Fortschreibung der „Secular Stagnation“.
Konsequenzen für die Anlagepolitik
Vor diesem Hintergrund sehen wir keine Veranlassung, unsere Anlagepolitik zu verändern. Im Aktiensegment setzen wir weiterhin auf der Suche nach „nachhaltigem Wachstum“ auf Unternehmen, die dank ihrer Marktmacht hohe Gewinnmargen erzielen können. Gemäß unserer „Schumpeter-Terminologie“ sind das die Herausforderer und Monopolisten. Staatsanleihen werden immer unattraktiver, wir gehen bewusst Kreditrisiken ein, wobei wir besonders hoch verschuldete Emittenten, seien es Unternehmen oder auch Staaten, meiden.
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