Kommen wir einmal zu dem Thema, das spätestens seit dem Start von „Fridays for Future“ in den Fokus der Menschen gerückt zu sein scheint: der Klimawandel. Das Klimaabkommen von Paris ist jetzt mehr als vier Jahre her. Immer wieder wird über die Umsetzung diskutiert. Passiert ist allerdings nicht viel. Wo hakt es?
Platow: Das Thema scheint in der Tat vor sich hin zu modern. Alle versuchen, es auf der Agenda zu haben, aber wenn es dann darum geht, konkret zu werden und Maßnahmen umzusetzen, wird alles sehr schwierig. Am Ende des Tages ist sehr viel Blendwerk dabei. Und gerade Industrienationen wie Deutschland müssen die
Verantwortung und damit auch eine Vorreiterrolle für andere Länder einnehmen. Diese Vorreiterrolle funktioniert überhaupt gar nicht.
Und auch die Äußerungen innerhalb der politischen Klasse, allen voran Kanzlerin Angela Merkel, machen deutlich, dass das Thema in keiner Weise ernst genommen wird. Trotz „Fridays for Future“. Auch AKK ist ein hoffnungsvoller Fall. Und Rezo hat der CDU gezeigt, wie es sich anfühlt, politisch ohne Hose dazustehen.
Aber warum funktioniert diese Vorreiterrolle nicht?
Mozer: Innerhalb der breiten Investmentfondsindustrie gibt es keine intrinsische Motivation, es ist kein ernstzunehmendes Interesse für das Thema vorhanden. Aus meiner Sicht kann man hier also keine Impulse erwarten. Ein Blick auf die Großindustrie zeigt, dass die reine Shareholder-Value-Orientierung weder hilfreich noch
zeitgemäß ist. Unternehmenslenker müssen beginnen, auch langfristige gesellschaftliche und ökologische Aspekte in ihren jeweiligen Strategien stärker zu berücksichtigen. Entsprechend steht gegen dem frommen Wunsch der „Vorreiterrolle“ das nach wie vor dominierende Streben nach kurzfristiger Gewinnmaximierung.
Platow: Alexander Mozer hat absolut recht: Es kann nichts passieren, solange es ausschließlich um Profitorientierung und Profitmaximierung geht. Dieses System wird in Deutschland, aber auch in anderen Ländern unterstützt, und wir wählen es auch. Und die eigentliche Ursache, warum es immer noch so ist, hängt sehr stark damit zusammen, dass weder wir noch unsere Kinder in der Schule genug über Steuern, Finanzen und Recht lernen.
Sie würden die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge zwischen Klima und Besteuerung besser verstehen, sie würden die Dinge anders untersuchen können, und sie würden auch auf die Barrikaden gehen für die Tatsache, dass ich mein Verhalten ändern muss. Wenn die Politik bei dieser und bei der kommenden Generation keine Verhaltensänderung hervorruft, dann werden wir locker von dem Schmelzen der Eisberge überrannt und weggeschwemmt werden.
Ich sehe Hoffnung darin, dass junge Menschen wie Greta oder Rezo eine neue Bewegung ins Leben gerufen haben, die nach Veränderung ruft und sich hartnäckig und lautstark dafür einsetzt. Und die Älteren motiviert mitzuziehen. Aber solange Großkonzerne wie VW die Macht haben und die Inhalte der Politik bestimmen, wird sich von oben wenig bis nichts in aller Konsequenz ändern. Ein Elektroauto aus dem Hause VW ist so glaubwürdig wie ein veganer Feinschmecker, der gerne zu McDonald’s geht.
Wie bewerten Sie den Aufruf von Bundesumweltministerin Schulze auf dem Petersberger Klimadialog, Europa bis 2050 klimaneutral ausrichten zu wollen?
Platow: Sie hätte auch 2150 sagen können, das würde überhaupt gar keinen Unterschied machen. Wir haben jetzt 2019, bis 2050 sind es über dreißig Jahre. Es ist eine glatte Zahl und das gibt den Deutschen das Gefühl, man kümmere sich. Es wird sich aber nichts ändern, weil kein funktionierendes Konzept dahinter steckt.
Mozer: Hinzu kommt, niemand wird sich in 2050 noch daran erinnern, was in 2019 politisch versprochen wurde. Ankündigungen dieser Art sind psychologisch und aus Marketinggründen phantastisch, leisten nur leider keinen sinnvollen Beitrag zum Thema.
Das Gespräch führte Frank O. Milewski, Cash.
Foto: Ökoworld