Insgesamt ist festzustellen, dass die chinesische Wirtschaft ein sehr heterogenes Bild aufweist. In den vergangenen Jahren führte die Regierung noch bewusst wachstumsbremsende Maßnahmen durch, um die Schuldenreduktion des Bankensektors und der Staatsunternehmen zu erleichtern. Doch durch den Handelsstreit mit den USA und die weltweite Nachfrageschwäche hat sich die chinesische Konjunktur inzwischen stärker entschleunigt, als zunächst geplant war. Folglich ist die Investitionsbereitschaft der Unternehmen kräftig zurückgegangen, auch bei binnenmarktorientierten Firmen, die gar nicht von den verschärften US-Zöllen betroffen sind. Denn die Gewinnentwicklung der Unternehmen ist über sämtliche Wirtschaftszweige hinweg rückläufig.
Privater Konsum wichtige Konjunkturstütze
Während der Unternehmenssektor aktuell eher zurückhaltend agiert, bleibt der private Konsum eine wichtige Konjunkturstütze für China. Sowohl der Online- als auch der Einzelhandel vor Ort zeigen sich erstaunlich stabil. Dabei ist eindeutig ein Trend zu Premium-Marken feststellbar. Die Chinesen lieben teure Markenartikel, mit denen sie ihren neu erworbenen Wohlstand zeigen und genießen wollen. Die Einzelhandelszahlen fielen im abgelaufenen Quartal mit einem Anstieg von 9,8 Prozent im Jahresvergleich überraschend robust aus.
Doch beruhten die Zuwächse vor allem auf einem Lagerbestandsabbau in der Autoindustrie im Zuge vorgezogener Neukäufe vor der Verschärfung der Emissionsstandards. Der Automarkt ist nach dem Immobiliensegment der zweitwichtigste Wirtschaftszweig in China. So gibt es dort zahlreiche große und kleinere lokale Autohersteller. Diese konnten in den letzten Jahren ihre Kapazitäten ausbauen. Doch inzwischen kämpfen auch sie mit sinkender Nachfrage infolge der Konjunkturschwäche. Das Geschäft der chinesischen Batteriehersteller läuft dagegen weiterhin gut und auch Elektroautos sind nach wie vor gefragt.
Stahlbranche erholt
Die Kapazitäten der Stahlbranche wurden in den vergangenen Jahren auf staatlichen Druck hin deutlich reduziert. Entgegen unseren Erwartungen ist der Sektor im ersten Halbjahr 2019 infolge des Wachstums des Immobilienmarktes wieder um sieben bis acht Prozent gestiegen. Da der chinesischen Bevölkerung nur wenige Möglichkeiten zur Geldanlage zur Verfügung stehen, investieren sie nach wie vor bevorzugt in Immobilien. Doch aufgrund der starken Bautätigkeit fallen die Leerstandraten im Land auch im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hoch aus.
Trump treibt quer
Ein besonderes Charakteristikum der chinesischen Wirtschaft ist die regelmäßige Verabschiedung von Fünf-Jahres-Plänen, die jeweils ein besonderes Thema adressieren. Der aktuelle Plan konzentriert sich auf die Themen Künstliche Intelligenz (KI) und Digitalisierung. Doch ist US-Präsident Donald Trump den Chinesen diesmal in die Quere gekommen. Der Ausbau der digitalen Infrastruktur wird durch Investitionshemmnisse behindert, die der US-Handelskonflikt verursacht hat. Insgesamt sind die chinesischen IT-Unternehmen sowohl bei Hard- als auch bei Software noch stark abhängig von US-Zulieferern.
Aufgrund der Handelsbeschränkungen der Trump-Administration will das Land nun verstärkt eigenes Know-how insbesondere im Halbleitersegment aufbauen. Doch ist dies ein langwieriger Prozess, der mehrere Jahre in Anspruch nehmen dürfte. Am Ende wird China diesen aber erfolgreich bewältigen. So soll auch das 5G-Netz, die neueste Mobilfunkgeneration, nun zügig und aus eigener Kraft aufgebaut werden. Da Huawei und ZTE bereits heute wichtige Equipmenthersteller für die 5G-Technologie sind, verwundert es nicht, dass die USA besonders scharfe Sanktionen gegen diese beiden Firmen eingeführt haben. Wahrscheinlich schießen sich die USA langfristig ins eigene Knie, die chinesischen Rivalen zu behindern, da diese nun erst recht ihr eigenes Know-how weiter ausbauen werden.
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