Leads: „Die Verführungen im Internet sind immer vielzähliger“

Welche Bedeutung hat die analoge Kundengewinnung heute noch?

Koch: Fragen Sie zehn Berater und Sie werden zehn verschiedene Antworten erhalten. Natürlich wünschen sich die allermeisten Berater, dass ihre Bestandskunden ihnen durch mündliche Empfehlungen neue Kunden bescheren. Natürlich werden aus diesen Empfehlungsinteressenten häufig sehr einfach neue Kunden, denn ein riesiger Teil der Vertrauensarbeit wurde bereits durch den Empfehlungsgeber übernommen. Gleichzeitig ist das herausfordernde an dieser Art der Neukundengewinnung für Vermittler, dass sie einfach überhaupt nicht planbar ist. Es gibt noch immer Berater, die von ihrer fantastischen Beratung und einem ausreichend großen Bestand zehren, so dass sie kaum eine Notwendigkeit darin sehen, sich fokussiert mit Akquise jeglicher Couleur zu beschäftigen. Gleichzeitig ist diesen Vermittlern häufig das skalierbare, unternehmerische Wachstum unmöglich, so sie es anstreben.

Gelegentlich wird proklamiert, dass Makler unabhängig von der Neukundenakquise werden müssen. Sie sollten sich mehr auf die langfristige Betreuung ihrer Bestandskunden konzentrieren. Stimmen Sie zu?

Koch: Ich glaube, hier gibt es wiederum keine richtige und keine falsche Antwort. Ich kenne Berater, die leben von ihrem Bestand, da sie diesen über Jahre, teils Jahrzehnte sehr gut aufgebaut und betreut haben und die aus Empfehlungen generierte Abschlussprovisionen als nettes Zubrot wahrnehmen. Ebenso kenne ich Berater, die seit Jahren von AP-starken Produkten leben und kein Interesse an Crossselling haben, da sie sich als Spezialisten in einem Bereich gemausert haben. Ob dem einen oder dem anderen Makler die Bestandskunden loyaler gegenüber agieren, kann ich nicht voraussagen. Natürlich sind bei steigender Online-Affinität aller Verbraucher in Deutschland die Verführungen im Internet, „einen fremden Laden zu betreten“ und Vergleichsangebote einzuholen, immer vielzähliger. Am Ende gewinnt der Berater, der auch nach einem Abschluss ein gutes und für den Kunden mehrwertstiftendes CRM etabliert, um den Kunden langfristig durch kompetente Beratung und tollen Service zu halten.

Müssen Makler ihr Verhältnis zu den Bestandskunden grundsätzlich neu definieren?

Koch: Ja, das glaube ich. Mit Verhältnis meine ich hier vor allem die Art und Weise sowie Frequenz der Kommunikation. Als Verbraucher habe ich heutzutage in jedem Bereich quasi unendliche Optionen an Angeboten und Informationsquellen. Alles wird transparenter und vermeintliche Vergleichbarkeit ist auf Knopfdruck verfügbar, immer und überall. Um als Anbieter aus diesem Haifischbecken herauszustechen, muss ich individuell über den Service, den ich leiste, überzeugen. Kundenloyalität für Vermittler ist heute viel schwieriger zu erreichen als vor Jahren. Alleine schon weil die Sichtbarkeit des Wettbewerbs höher und das Marketing ausgefuchster und aggressiver wird. Kunden zu gewinnen, ist das eine, aber vom Abwandern abzuhalten, das andere. Ich bin überzeugt davon, dass das Beratern am ehesten nachhaltig gelingt, wenn sie mehr und mehr bereit sind, sich voll auf ihre Kunden einzulassen und diese nicht in bisher etablierte Prozesse zu zwingen. Ich persönlich kommuniziere mit meinem Makler per WhatsApp und Telefon und zwar dann, wenn ich Zeit habe, also abends und am Wochenende. Das ist für mich nicht einfach toller Service, sondern das erwarte ich als Kunde, denn ich habe die Wahl. Ich weiß, dass das unbefriedigend klingen mag für Vermittler, die sich weiterhin einen „9to5 Job“ wünschen. Mich würden diese Berater nur eben nicht als Kunden gewinnen oder halten können. Am Ende ist es wie in jedem Bereich eine unternehmerische Entscheidung des Vermittlers.

Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.

Foto: finanzen.de 

 

 

1 2Startseite
Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments