Steigende Kosten durch Naturkatastrophen: So sichern Versicherer ihre Profitabilität

Dirk Schmidt-Gallas und Carsten Mangels, bei Simon-Kucher
Foto: Simon-Kucher
Carsten Mangels (li.) und Dirk Schmidt-Gallas, beide Simon-Kucher.

EXKLUSIV Der Klimawandel schreitet voran – die Zahl der Extremwetterereignisse und Naturkatastrophen steigt. Für die Versicherer bedeutet das zunehmende Kosten – besonders bei Kfz-, Wohngebäude- und Hausratversicherungen. Auf diese Sparten entfällt ein erheblicher Teil der Schadenaufwendungen. Wie die Versicherer ihre Profitabilität sichern können. Von Dirk Schmidt-Gallas und Carsten Mangels

Die Schadenstatistiken der Versicherer zeichnen ein verheerendes Bild: Die zunehmende Zahl und Intensität von Extremwetterereignissen und Naturkatastrophen verursacht steigende Kosten für Kfz-, Wohngebäude- und Hausratversicherungen. Mit durchschnittlich 151 Milliarden US-Dollar pro Jahr hat das Datenanalyseunternehmen Verisk einen neuen Höchstwert für die versicherten Schäden durch weltweite Naturkatastrophen für 2024 errechnet – und erwartet, dass dieser Wert in den kommenden Jahren weiter steigen wird.

Diese Kostensteigerungen wirken sich auf die Combined Ratio der Versicherer aus, also das Verhältnis von Schäden und Kosten zu den Prämieneinnahmen. Um ihre Profitabilität nicht zu gefährden beziehungsweise wiederzuerlangen, sollten Versicherer einen mehrdimensionalen Ansatz verfolgen, der über kurzfristige Preisanpassungen hinausgeht.


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Drei Maßnahmen stehen im Vordergrund: differenziert umgesetzte Beitragsanpassungen; ein Neuzuschnitt der Produkte und der Fokus auf den Wertverkauf.

Beitragsanpassungen differenziert vornehmen

Steigen die Kosten, liegt es für viele Versicherer nahe, mit Beitragsanpassungen darauf zu reagieren. Lassen sich Schadensentwicklungen gut prognostizieren, sind Beitragsanpassungen ein sehr nützliches Pricing-Tool, um die Wirtschaftlichkeit zu sichern. Bei Naturkatastrophen ist das jedoch nur bedingt der Fall: Aufgrund der hohen Volatilität und der geringen Prognosefähigkeit versagen bisher gültige Prognosemodelle zunehmend. Gleichzeitig steigen die Schäden wiederkehrend sprunghaft an. Beitragsanpassungen lassen sich aber nicht unendlich oft durchführen. Ansonsten steigt das Storno-Risiko ebenfalls sprunghaft an. In einem stagnierenden oder gar schrumpfenden Markt verschärft das die negative Profitabilitätssituation zusätzlich.

Auf eine clevere Strategie kommt es an

Beitragsanpassungen stellen in der Kundenbeziehung „Moments of Truth“ dar. Ob der Kunde wechselt oder nicht, entscheidet sich oft an diesem Punkt. Sie müssen daher mit der Tragfähigkeit beim Kunden austariert werden. Dafür braucht es eine clevere Strategie, mit der die richtigen Prozesse implementiert und eine passende Kundenkommunikation aufgesetzt wird. Sind Beitragsanpassungen gut umgesetzt, erzeugen sie eine minimale Storno-Quote, holen den größtmöglichen Kundenwert aus dem Bestand und sorgen für die bestmögliche Profitabilität im Portfolio.

Die Prozesse sollten sowohl intern als auch extern sauber verzahnt und Verantwortlichkeiten und Aufgaben in der Organisation verankert werden. Bei der Kundenkommunikation gilt es außerdem, die einzelnen Kundengruppen segmentspezifisch zu adressieren: Möchte der Kunde persönlich vom Vermittler angesprochen werden oder lieber via Social Media? Hat er ein hohes Sicherheitsbedürfnis, oder ist ihm der Service besonders wichtig? So oder so sollten Versicherer weniger über den Preis sprechen, sondern den Mehrwert ihres Produkts in den Mittelpunkt rücken.

In der Ausgestaltung von Preisanpassungen sollte der Kunde vollständige Transparenz über alle für ihn relevanten Werttreiber des Produkts erhalten. Entsprechend sollte die Wertkommunikation gestaltet werden. Zudem sollten sie differenziert nach unterschiedlichen Kundensegmenten erfolgen.
Allerdings ist das Potenzial von Beitragsanpassungen irgendwann ausgeschöpft und die Preisobergrenze, das sogenannte Ceiling, erreicht. Versicherer sind dann gezwungen, ihre Produkt- und Tarifstrukturen zu überdenken, da die Kunden die klassischen Beitragserhöhungen auf Dauer nicht mittragen werden. Profitabilitätsverluste sind die Folge.

Probates Mittel: Beitragsanpassungen

Anders ist die Lage bei der Wohngebäudeversicherung: Die deutsche Wohngebäudeversicherung ist preislich fehlpositioniert und viel zu billig. Die Prämie der „Kasko fürs Haus“ liegt in vielen Fällen unter oder gleichauf mit der Kasko für das Auto. Das widerspricht der Wertwahrnehmung und dem empfundenen Risiko der meisten Hausbesitzer, wie wir in unzähligen Studien nachweisen konnten. Daher bleiben Beitragsanpassungen ein probates Mittel zur Wiederherstellung der Profitabilität in der Sparte Wohngebäude – das allerdings zu selten durchgeführt wurde und zu gering ausgefallen ist. Die richtige Bemessung der Beitragsanpassung ist kein triviales Unterfangen: Es gilt, den profitablen Preis zu treffen und zugleich Storno zu vermeiden. Aufgrund der Zunahme und der Verschärfung der Wetterereignisse stoßen die Modelle zur Prognose des Stornos an ihre Grenzen, da das Stornoverhalten der Vergangenheit kein ausreichender Prädiktor für die Zukunft ist – und das nicht nur bei der Wohngebäudeversicherung, sondern auch in den Sparten Kfz und Hausrat.

Innovatives Produktdesign gestalten

Neben richtig umgesetzten Beitragsanpassungen ist ein innovatives Produktdesign eine wichtige Maßnahme, um die Profitabilität zu sichern. Versicherer können so die verschiedenen Zahlungsbereitschaften unterschiedlicher Kundengruppen gezielt nutzen.

Dazu gehört eine Omnichannel-Strategie, die alle Vertriebswege und Kommunikationskanäle on- und offline mitdenkt. Eine solcher Ansatz bietet eine konsistente Abdeckung über alle Kanäle hinweg und erreicht den jeweiligen Kunden am richtigen Touchpoint. Und weil es für den Kunden während der Customer Journey immer schnell und einfach gehen muss, sollten die Entscheidungsoptionen möglichst unkompliziert sein, beispielsweise in Form von automatischen Anpassungen, individuell anpassbaren Zusatzbausteinen oder Selbstbehalten, die unterschiedliche Risikopräferenzen der Kunden berücksichtigen.

Gleichzeitig beobachten wir eine stärkere Ausdifferenzierung der Risikowahrnehmung der Kunden. So bilden sich neu zusammengesetzte Segmente mit besonders risikoaversen Kunden heraus. Diese müssen durch neue, besser passende Produkte angesprochen werden – zugleich lassen sich bei eben jener Kundengruppe aber auch höhere Prämien realisieren. Umgekehrt können Versicherer Segmente mit niedriger Risikowahrnehmung und geringer Zahlungsbereitschaft mit deutlich schlankeren und damit kostenoptimierten Produkten bedienen.

Im Neugeschäft geht es also darum, mit einer klug austarierten Kombination aus Preis und Wert zu operieren. Schlaue Produktdesigns sind hierbei essenziell. Schließlich können diese effektiv eingesetzt werden, um den Bestand gezielt auf neue, vorteilhaftere Produkte umzustellen.

Fokus auf den Wertverkauf

Unsere Kundenprojekte zeigen, dass neben klugen Beitragsanpassungen und innovativen Produkten auch eine wertorientierte Kundensegmentierung im Verkauf die Profitabilität erhöhen und die Combined Ratio verbessern kann. Dabei sollten sich Versicherer auf die Zahlungsbereitschaft sowie den jeweiligen Kundenwert fokussieren und eine segmentspezifische Kundenansprache und -betreuung implementieren. Das bedeutet, im ersten Schritt eine klare Strategie mit definierten Zielen festzulegen.
Verkaufstools können dabei helfen, die Kunden entsprechend ihrer Zahlungsbereitschaft anzusprechen. Durch umfangreiche Value-Selling- und Verhandlungsschulungen können Versicherer den Vertrieb weiter stärken. Das Credo „Wenn Du höhere Preise haben willst, musst Du über höhere Werte sprechen“ sollte stets das übergeordnete Ziel sein.

Multidimensionaler Ansatz unerlässlich

Die steigende Anzahl und Intensität von Naturkatastrophen hat Wohngebäude-, Kfz- und Hausratversicherungen zu neuen Brennpunktsparten der Assekuranz gemacht. Versicherer können die Wirtschaftlichkeit nur durch einen multidimensionalen Ansatz retten:

1. Höhere Preise im Bestand und im Neugeschäft mit einer cleveren Strategie richtig umsetzen.

2. Neue, intelligente Produktdesigns entwickeln, die zusätzliche Zahlungsbereitschaft erschließen.

3. Einen konsequenten Wertverkauf umsetzen, der einen höheren Preis über eine klare und zielgruppenorientierte Wertargumentation ermöglicht.

Die Autoren: Dirk Schmidt-Gallas ist Senior Partner und Leiter der globalen Insurance Practice, Carsten Mangels, Partner in der globalen Insurance Practice bei Simon-Kucher.

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