Inflation, Zinswende, Kostenexplosion & Co.: Wie wirken sich die veränderten Rahmenbedingungen auf Ihre Zielbranche aus?
Schrobback: Ich kann die vorsichtig positive und robust-solide Grundeinstellung langfristig teilen. Obwohl die momentane mediale Berichterstattung durchgängig negativ geprägt ist und die Anleger tagtäglich mit verängstigenden Meldungen überflutet werden. Dies nehmen wir derzeit als Hauptmotivation, unsere Marketingmaßnahmen, besonders jetzt, auf keinen Fall zurückfahren. Besonders in Zeiten wie diesen ist es wichtig, Flagge zu zeigen und die Menschen, also die Kunden, die Vertriebe und unsere Geschäftspartner, aufzuklären, intensiver zu informieren. Nach Corona, dadurch bedingte Materialpreisproblematiken und Lieferkettenengpässen folgten nun durch die Auswirkungen der Ukraine-Krise, Themen wie Rekordinflation und die rasante Zinserhöhungen. Letztere haben meiner Wahrnehmung nach ein viel belastenderes Ergebnis auf unser aller Leben, wirtschaftlich wie privat, als die Corona-Pandemie selbst.
Wie wirkt sich das auf Ihr Unternehmen und das Geschäftsmodell aus?
Schrobback: Wir sind recht ausbalanciert aufgestellt. Wir realisieren zum einen als Projektentwickler und Bauträger Denkmalprojekte. Natürlich spüren wir die extrem veränderte Materialpreissituation und auch die lieferungsbedingten Verzögerungen auf unseren Baustellen. Wir haben daher in unseren Kaufverträgen längere Fertigstellungsfristen aufgenommen. Zum zweiten macht unser Wohnungsprivatisierungsgeschäft von Bestandswohnanlagen mit etwa 80 Prozent des Umsatzes den größten und stabilsten Teil aus. Wir wirken damit dem volatilen und risikoreicheren Developer-Segment entgegen. Die dritte Säule sind ertragsstarke Cash-Flows aus der Vermietung und Bewirtschaftung unseres Eigenbestandsportfolios. Diese drei Säulen geben uns die Möglichkeit, die aktuelle Situation sehr gut zu meistern.
Wie sind die Auswirkungen im Vertrieb?
Schrobback: Wir sind wahrscheinlich aktuell einer der wenigen Produktlieferanten, die die Vertriebe mit vertriebsgängigen und endkundenfinanzierungsfähigen Kapitalanlageimmobilien versorgen können. Wir haben hier derzeit viele Alleinstellungsmerkmale: Ausschließlich Wohnanlagen, Mehrfamilienhäuser und Portfolios in Ost- und Mitteldeutschland, ausschließlich kleine Kaufpreisvolumen bei den Bestands-Eigentumswohnungen zwischen 100.000 und 250.000 Euro und immer noch eine Rendite von drei bis vier Prozent für den Käufer. Dadurch sind diese Wohnungen auch bei dem stark gestiegenen Zins immer noch finanzierbar und die Anleger und Käufer können die erhöhten Eigenkapitalanforderungen der Banken eher mit 20.000 bis 25.000 Euro Eigenkapital stemmen, als bei einer vermieteten Bestandswohnung für 400.000 bis 600.000 Euro, wo sie 40.000 bis 60.000 Euro plus Erwerbsnebenkosten aufbringen müssen. Dadurch liegen wir im Vorjahresvergleich aktuell bei knapp 28 Prozent Umsatzsteigerung trotz des desaströsen Marktumfeldes.
Wie reagieren die Anleger?
Schrobback: Wir nehmen eine große Verunsicherung und teilweise auch Angst wahr. Besonders bei privaten Anlegern spielen emotionale Momente eine übergeordnete Rolle. So drastisch war es rückblickend im Vergleich zur, weiterhin nicht vollends ausgestandenen, Corona-Pandemie nicht. Die Kriegssituation und damit einhergehende mentale Belastung, die die Käuferinnen und Käufer tagtäglich durch die mediale Berichterstattung erfahren, führen dazu, dass sich viele Kunden in eine Art Warteposition zurückziehen. Unsere Vertriebspartner müssen jetzt andere Käuferschichten ansprechen und höhere Bonitäten akquirieren. Die Beratung muss sich ändern; es muss viel intensiver das Thema Inflation, Vermögenssicherung und langfristige Vorsorge in den Vordergrund gestellt werden. Die Zeit des „Verteilens“ ist vorbei. In den letzten zehn Jahren mit Niedrigzinsen, mit null oder kaum Zuzahlung bei den Endkundenfinanzierungen und nahezu keinem notwenigen Eigenkapital war es nicht schwer, Kapitalanlageimmobilien zu vermitteln. Viele der Vertriebspartner und Vermittler kennen eine andere Zeit überhaupt nicht. Jetzt werden die überleben, die wirklich intensiv argumentieren, aufklären, beraten und verkaufen können. Bei durchschnittlich zehn Prozent Inflation gibt es auch bei hohen Baufinanzierungszinsen keine Alternative zur vermieteten Immobilie als Sachwertanlage.
Wie gehen sie mit dem Einwand um, dass eine Mietrendite von vier Prozent bei einer Inflation von zehn Prozent real Verlust bedeutet?
Schrobback: Das ist ein sehr kurzfristig gedachter Einwand, aber wir bekommen diese Frage tatsächlich von Vertriebspartnern und auch Kunden gestellt. Ein weiteres Indiz dafür, dass es leider mit der finanziellen Bildung in unserem Land offensichtlich nicht gut bestellt zu sein scheint. Die Frage ist doch eher, welche Alternative gibt es? Wollen Sie als Anleger bei Geldwerten aktuell zehn Prozent durch die Inflation und durchs Nichtstun verlieren? Oder in einen Sachwert investieren, der zumindest drei bis vier Prozent Rendite erwirtschaftet und zusätzlich zwei bis fünf Prozent pro Jahr an langfristigem Wertzuwachs generiert? Des Weiteren hilft die Inflation dem Käufer einer fremdgenutzten und langfristig gut finanzierten Kapitalanlageimmobilie auch bei der Entschuldung, denn die wirkt nicht nur bei Guthaben, sondern auch bei Verbindlichkeiten. Eine großartige Chance also derzeit auch, wenn man weiß wie. Von dem Hebeleffekt meines Vermögens bei fremdfinanzierten Immobilien, den steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten und der Absetzungen der Schuldzinsen ganz zu schweigen. Aufgrund der fehlenden Erfahrung im Investmentbereich und der quasi nicht vorhandenen finanziellen Bildung der meisten Anleger ist es für viele Menschen schwierig, langfristig angstfrei zu denken. Vielfach stehen die momentanen Lebenshaltungskosten und die zu bezahlenden Rechnungen im Vordergrund. Hier muss der Vertrieb eine andere Beratungsintensität und -qualität an den Tag legen.
Welchen Stellenwert hat das Thema ESG, also die Nachhaltigkeit, im Vertrieb von Eigentumswohnungen? Anders als bei Fonds gibt es in diesem Segment keine gesetzlichen Vorschriften für den Vertrieb.
Schrobback: Ich bin froh, dass wir von den Artikel-8- und Artikel-9-Diskussionen mit unserem Produkt derzeit – noch – nicht tangiert sind. Das heißt aber nicht, dass wir das Thema Nachhaltigkeit nicht auf der Agenda haben. Das ist gerade bei den Gebäuden, die zu den höchsten CO2-Emittenten gehören, also vorwiegend auch unsere Bestandsgebäude, ein großes Thema. Beim Endkunden ist ESG bis jetzt nur bedingt angekommen. Auch viele Vertriebspartner haben zwar latent schon einmal etwas von ESG gehört, aber sie können es weder wirklich erklären noch ihrem Kunden übersetzen. Die finanzierenden Banken stellen allerdings mittlerweile bei unseren Ankaufsfinanzierungsanträgen präzise Fragen nach der Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und anderen ESG-relevanten Themen. Deshalb gehört schon heute zu unserer Due-Diligence Prüfung auch ein sogenannter ESG-Checkup. Zukünftig werden nicht nur der Staat, sondern auch die Kredit- und Kapitalgeber eine ESG-Konformität im Ankaufsprozess einfordern.
Aber für die Käufer stehen diese Fragen nicht im Vordergrund?
Schrobback: Nein, noch nicht wirklich, so jedenfalls unsere Wahrnehmung aus dem Markt. Sollten sie aber, denn der private Kapitalanleger und Wohnungseigentümer wird über kurz oder lang derjenige sein, der wohl oder übel die Nachhaltigkeits- und Klimaauflagen zur CO2-Emissionsfreiheit der Regierung einhalten, umsetzen und unter Umständen auch finanzieren muss.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung im Vertrieb?
Schrobback: Eine Immobilie ist bis jetzt, aufgrund der gesetzlichen Erfordernisse, nicht digital zu erwerben. Präsenztermine beim Notar sind erforderlich und gegebenenfalls auch bei der Bank. Zudem ist der Beratungsprozess am Anfang und gerade auch in Bezug auf die persönliche Bindung und die Emotionalisierung ein sehr wichtiger Aspekt im Verkauf von Kapitalanlageimmobilien. Durch die Corona-Pandemie haben wir jedoch schnell realisiert, dass es Erleichterungen in den Prozessen gegeben hat und eine Erhöhung der Effizienz bei der Abwicklung und Nachbetreuung. Ob digital unterstützte Schulungen für Vertriebe, Zoom-Meetings mit Kunden, als Zwischentermin oder auch im Nachgang, all dies hat zur Weiterentwicklung, Verschlankung und Kostenersparnissen geführt. Auch die Abläufe bei der Endkundenfinanzierung konnten durch die Digitalisierung komprimiert und vor allem beschleunigt werden. Ein großer Teil dieser digitalen Arbeitsweise hat sich durchgesetzt und etabliert, das wird sicherlich auch so bleiben. In anderen Bereichen wirkt sie weiterhin es als Ergänzung.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Thema Crowdinvesting?
Schrobback: Wir nutzen seit einigen Jahren das Crowdinvesting als opportune Beimischung unserer Produktpalette und Erweiterung unseres Angebotes. In Kooperation mit der Plattform GenoCrowd der Volks- und Raiffeisenbanken sowie auch mit dem Anbieter Planet Home Investment haben wir durchweg positive Erfahrungen gemacht. Unsere digitalen Vermögensanlagen und Unternehmensbeteiligungen werden bis heute in Rekordzeit ge- und teilweise überzeichnet. Der Vorteil für uns als Unternehmen liegt auf der Hand: Wir können unser bereits eingesetztes Eigenkapital schneller wieder herausfinanzieren, parallel mehr Objekte ankaufen und so unser Wachstum nachhaltig sichern.
Moderation: Frank Milewski und Stefan Löwer, beide Cash.