Bremsklotz waren zunächst vor allem die ESG-Vorschriften. Sie sind zwar für die Fonds mit Ausnahme bestimmter „Offenlegungs-“, also Informations-Pflichten überwiegend nicht bindend, aber der Vertrieb – zunächst nur Banken und Wertpapierinstitute mit BaFin-Erlaubnis – muss sie seit August 2022 in der Beratung berücksichtigen. Berater müssen demnach die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden abfragen und mit den Produktvorschlägen in Einklang bringen.
Diese Verpflichtung soll nach einem aktuellen Gesetzentwurf ab wahrscheinlich Frühjahr 2023 – das Datum steht noch nicht fest – auch auf gewerbliche Vermittler mit Erlaubnis nach Paragraf 34f Gewerbeordnung ausgeweitet werden. Der Gesetzentwurf kam wenige Tage nach dem Branchengipfel, die entspreche Regelung beziehungsweise die Schließung der wohl nur versehentlichen Regelungslücke war aber allgemein erwartet worden.
So hat sich ein Großteil der Häuser – wie unter anderem schon auf dem letztjährigen Branchengipfel deutlich wurde – zum Ziel gesetzt, den nächsten Fonds gemäß Artikel 8 oder Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung aufzusetzen. Dabei handelt sich um Fonds, die Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen (Artikel 8) oder ein Nachhaltigkeitsziel als zentrales Vorhaben verfolgen (Artikel 9). Voraussetzung ist in beiden Fällen daneben, dass der Fonds die weiteren Nachhaltigkeitsziele der EU nicht wesentlich beeinträchtigt. Die Maßstäbe dafür definiert die EU-Taxonomieverordnung.
Doch viele Details waren lange nicht klar, weil Vorschriften fehlten oder Fragezeichen offen ließen. Die eine oder andere Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) hat das Thema offenbar zudem zunächst nicht ernst genug genommen oder die Komplexität unterschätzt. Die Finanzaufsicht BaFin musste sich, soweit zu hören ist, ebenfalls erst noch zurechtruckeln und benötigt entsprechend mehr Zeit, um sich mit den Vorstellungen und Prospektentwürfen der Anbieter auseinanderzusetzen. So wurde eine Reihe angekündigter Emissionen immer und immer wieder verschoben.
Der Ukraine-Krieg änderte alles
Ob die Branche rechtzeitig zum Start der ESG-Abfragepflicht im August 2022 mit einem breiteren Produktangebot parat gestanden hätte, wäre Spekulation. Denn der Ukraine-Krieg änderte alles. Die Folgen sind bekannt: Eine Explosion der Energiepreise, damit verbunden eine enorme allgemeine Preissteigerung sowie steil ansteigende Zinsen. Das warf so manche Kalkulation über den Haufen.
Für die Anbieter sind derzeit – so lässt sich aus den Ausführungen der Teilnehmer schließen – neben der Verunsicherung der Kunden die steil gestiegenen Fremdkapitalzinsen die größte Herausforderung. Dabei ist vielleicht weniger die Höhe des Zinssatzes entscheidend, sondern vielmehr die Geschwindigkeit der Veränderung und die Unsicherheit über die weitere Entwicklung. Hinzu kommt, vor allem bei Immobilien: Die Assetpreise reagieren viel langsamer. Eigentlich müssten sie spürbar sinken, um trotz der gestiegenen Fremdkapitalkosten wieder ein adäquates Rendite-Niveau und einen ausreichenden Abstand zu Alternativanlagen herzustellen. Doch wer nicht muss, verkauft derzeit kaum – und wenn, dann nur zu den noch hohen Preisen. Das erfordert neue Kalkulationen, neue Konzepte, neue Argumente und vielleicht auch neue Kundengruppen.
Nur mittelbar betroffen von den steigenden Zinsen sind unter den Branchengipfel-Teilnehmern Project Investment, HTB, RWB und Ökorenta. Deren AIFs arbeiten auf Fondsebene nur mit Eigenkapital. Doch auch in diesen Fällen ist das Zinsniveau relevant: Auf Ebene der Zielinvestments beziehungsweise beim Verkauf der fertigen Wohnungen an Eigennutzer und Kapitalanleger.
Für Selbstnutzer steigt die monatliche Belastung enorm
So berichtete Christian Grall, die Nachfrage beim Abverkauf der von den Project-Fonds finanzierten Neubauwohnungen habe sich bereits von Eigennutzern, die also selbst in ihre Immobilie einziehen, etwas in Richtung Kapitalanleger verschoben. „Seitdem die Hypothekenzinsen über die Marke von zwei Prozent gesprungen sind, registrieren wir eine größere Nachfrage von Kapitalanlegern als von Eigennutzern“, sagte er. Grund: Für Selbstnutzer steigt die monatliche Belastung durch die höheren Zinsen enorm. So sind die Hypothekenzinsen seit Jahresanfang bei zehnjähriger Bindung von ein auf zeitweise vier Prozent pro Jahr gestiegen. Bei zwei Prozent Tilgung steigt damit die Gesamtbelastung von drei auf sechs Prozent der Kreditsumme, eine Verdoppelung der monatlichen Ausgaben also.
Kapitalanleger hingegen können die Zinsen von der Steuer absetzen, was den Effekt entsprechend dämpft. Sie können zudem auf wahrscheinlich weiter steigende Mieten hoffen. Letzteres ist auch deshalb zu erwarten, weil sich derzeit wegen der hohen Zinsen, Baukostensteigerungen und Materialmangel viele Bauprojekte verzögern oder ganz abgesagt werden. Die von der Politik angestrebte Zahl von jährlich 400.000 neuen Wohnungen ist in weiter Ferne. Wohnraum bleibt damit ein knappes Gut, zumal auch viele der vormals potenziellen Selbstnutzer nun – tendenziell zahlungskräftige – Mieter bleiben.
Ansonsten lautet die Antwort auf die gestiegenen Fremdkapitalzinsen: Mehr Eigenkapital. So gab Gordon Grundler zu Protokoll, schon bei dem aktuellen Primus Valor Fonds, der sich in der Endphase der Platzierung befindet, vermehrt Eigenkapital einzusetzen und verweist auf die kürzliche Erhöhung des Kommanditkapitals des Fonds. Photovoltaik-Spezialist Thorsten Eitle berichtete, dass Hep in den USA, wo die Zinsen noch stärker gestiegen sind als in Deutschland, bei dem Großteil der Projekte prüft, „All Equity“ zu gehen, also auf Fremdkapital ganz zu verzichten und nur Eigenkapital einzusetzen.