Galoppierende Inflation auf der einen Seite, Zinssteigerungen auf der anderen. Dazu eine Energie- und Materialkrise. Welche Auswirkungen hat das auf das Segment Gesundheitsimmobilien?
Gierig: Es herrscht eine gewisse Verunsicherung im Immobiliensegment, was sicherlich auch daran liegt, dass unsere Geschäftsmodelle aufgrund des Fremdkapitalanteils durchaus zinssensibel sind. Allerdings sind wir nicht mit 100-Prozent-Finanzierungen unterwegs, sondern – anders als im Wohnimmobiliensegment – lediglich bei maximal 50 bis 60 Prozent. Deshalb ist der Einschlag auch nicht so hart. Dennoch hat uns der deutliche Zinsanstieg bei der Neuproduktentwicklung zeitlich zurück geworfen, weil die ursprüngliche Kalkulation entsprechend angepasst werden musste. Bei den Immobilienpreisen bleibt abzuwarten, wo sich der Markt am Ende einpendelt. Das neue „Normal“ ist noch nicht gefunden worden. Die EZB hechelt im Zinssatz hinterher und da die USA sehr stark nach vorne marschieren müssen wir aufpassen, dass das Kapital nicht dorthin abwandert. Deshalb werden wir auch in Europa eher noch weitere Zinssteigerungen bekommen. Mit welcher Auswirkung? Viel Verunsicherung und ein Abwarten auf Investorenseite. Das Zinsniveau hat sich in nur sechs Monaten derart verändert, dass es kaum möglich ist, die geplanten Renditeausschüttungen sicherzustellen. Bei uns hat es zwei Auswirkungen. Das eine Thema sind Buy- and Hold- Konzepte, die sehr stark auf Mietrenditen fokussieren, wie bei den Pflegeimmobilienkonzepten. Dort kommen die Renditen jetzt unter Druck, weil die Kosten steigen. Das heißt, der Vertrieb, der Markt, die Anleger müssen sich an niedrigere Ausschüttungs- und Renditeniveaus gewöhnen. Das bedeutet aber nicht, dass die Immobilie in diesem Bereich per se unattraktiver ist. Im Gegenteil, im Pflegebereich haben wir einen Riesenmarkt vor uns. Es wird zu wenig gebaut. Die Nachfrage nach diesen Objekten wird steigen, und schlussendlich lässt sich dann auch ein guter Preis erzielen. Bei den Value-Add-Konzepte, also bei Gewerbekonzepten sind die Entwicklungspotenziale sehr gut. Dort lassen sich immer noch IRR Renditen zwischen 6% und 7% erzielen. Wir sind daher von den Kernkompetenzen und den fokussierten Investitionskonzepten auch im aktuellen Marktumfeld sehr gut aufgestellt.
Einer Inflation von zuletzt zehn Prozent stehen Renditen bei AIFs von drei bis bis sechs Prozent gegenüber. Wie soll man angesichts dieses Szenarios Kunden von einer Sachwertanlage überzeugen?
Gierig: Die Alternative ist, es nicht zu tun. Dann verliert das Geld auf dem Konto wirklich an Wert. Es gibt also durchaus Argumente dafür. Aber man darf dem Kunden nicht suggerieren, dass er eine Anlage von zehn Prozent bei uns bekommt, denn Rendite und Risiko hängen nun mal zusammen. Nein, es geht vertrieblich um das neue Normal. Der Kunde bekommt vielleicht weniger, aber dafür ein deutsches Qualitätsprodukt. Ich kann mir die Objekte anschauen, ich habe im Pflegebereich einen sehr, sehr planbaren Markt. Ich weiß, wie sich Demografie entwickelt, ich weiß, wie sich Neubauten entwickeln. Das alles muss der Berater an den Kunden transportieren. Und sich aufgrund der Inflation verrückt zu machen und vorschnell zu investieren, ist der falsche Ansatz. Es ist lediglich wichtig, die Sicht auf ein Portfolio zu haben und ein gemischtes Portfolio aufzubauen. Dazu gehören auch und vielleicht sogar noch mehr als in der Vergangenheit die Sachwerte. Sie geben Stabilität und das gilt es, in der Beratung in den Vordergrund zu rücken. Anders als beispielsweise ein Aktienfonds ist der Sachwert eine gute, weil planbare Alternative. Denn ich habe einen 3,5-Prozenter mit der Chance auf eine Wertsteigerung am Ende der Laufzeit. Vielleicht habe ich indexierte Mietverträge, dann wirkt sich das positiv auf den Kaufpreis aus, wenn man nur den Faktor beibehält.
Seit August ist es für den Vertrieb Pflicht, die ESG-Präferenzen beim Kunden abzufragen. Ist das Thema aus Ihrer Sicht Fluch oder Segen?
Gierig: Aus meiner Sicht auf jeden Fall Segen. Wir sind im Immobilienbereich tätig und der Anteil der Neuemissionen beträgt 40 Prozent. Wir haben einen sehr alten Bestand in Deutschland. Man kann vieles mit konkreten Maßnahmen erreichen, etwa bei der Energieeffizienz. Das heißt, wenn wir Immobilien aus Sondersituationen kaufen, führen wir eine energetische Sanierung durch und tragen so zum Klimaschutz bei. Davon profitiert auch der Investor, der bei einem späteren Verkauf andernfalls Abstriche machen müsste. Der dritte Aspekt ist, dass wir mit unseren Pflegeimmobilienportfolios dazu beitragen, dringend benötigte Pflegeheime zu schaffen, zu sanieren, damit der enorme Bedarf zumindest ein wenig weiter gedeckt wird. Wir machen diese Ansätze sehr stark auch dem Privatkunden zugänglich, was ein großer Hebel für das Thema Nachhaltigkeit ist. Aber es gibt natürlich noch sehr viele Fragen wie zum Beispiel „Wie bewerten wir eigentlich eine Immobilie als grün?“. Wir sind Gründungsmitglied der Eco-Initiative, der sich mittlerweile mehr oder weniger die gesamte Immobilienbranche angeschlossen hat. Sie entwickelt ein Scoringmodell, das Aussagen dazu treffen soll, wann eine Immobilie als nachhaltig gelten kann. Im Vertrieb ist das Thema zumindest regulatorisch bereits verankert. Wie ESG von den Beratern und Vermittlern angenommen wird, ist aber noch offen. Die Kunden wollen sicherlich sinnvoll investieren. Als Branche haben wir dafür sehr gute Vehikel und Möglichkeiten.
Was sind die Pläne von Verifort Capital für 2023?
Gierig: Wir werden gestaffelt eine Healthcare-Linie lancieren und mit dem HC2 einen Artikel-8-Fonds an den Markt bringen. Danach soll der HC3 als Artikel-9-Fonds mit einem etwas anderen Renditeprofil folgen. Der 8er wird bei knapp 3,50 Prozent Ausschüttung pro Jahr liegen, der 9er wahrscheinlich um die 3,0%Prozent. Vielleicht wird sich das auch noch verbessern, weil wir dort schon mit Neubaupreisen gerechnet haben. Der Markt kommt auch diesem Bereich bereits ein bisschen von der hohen Dynamik zurück, die Verkäufer sind verhandlungsbereiter und sehen wir aktuell gute Ankaufsopportunitäten. Die Zielgruppe bei dem Artikel 9 Fonds liegt mehr im Bankenvertrieb, einige Institute haben bereits Interesse geäußert, weil sie eben das Thema ESG als sehr wichtig ansehen. Ein weiteres großes Thema im kommenden Jahr wird das Segment Gewerbe-Value-Add sein. Dort haben wir ein Produkt in der Pipeline, nach dem Motto: „Back to the roots.“, Schließlich kommen wir ursprünglich aus dem Gewerbebereich, wo wir leerstehende Objekte einkaufen, um sie weiterzuentwickeln und dann wieder zurück an den Markt zu bringen. Aber mit einem deutlich weiterentwickelten Ansatz: Wir haben mittlerweile eigene, zertifizierte Asset- und Property Management Teams in den Regionen und haben unsere gesamte Infrastruktur bei der Entwicklung von Immobilien professionalisiert. Wir sind einer der wenigen Asset- & Property Manager, die nach DIN:9001 zertifiziert sind und ständig ihre Prozesse optimieren. Hier spielt auch die energetische Sanierung nach ESG-Standards eine große Rolle. Wir haben schöne Erfolgsbeispiele, wie wir unsere Immobilien nach einer solchen Entwicklungsphase im Interesse der Anleger sehr erfolgreich verkauft haben. Wir fokussieren hier auf einen gemischten Portfolioansatz mit verschiedenen Assetklassen: Logistik, Gewerbe, Büro, Nahversorgung und Mischformen Dort sind Renditen zwischen sechs und sieben Prozent möglich, natürlich mit einem anderen Risikoprofil. Last but not least, als Immobilienanbieter werden im Zusammenspiel mit dem Vertrieb 2023 Digitalisierung und ESG die dominierenden Themen sein.
Interview: Frank Milewski und Stefan Löwer, beide Cash.