Eine galoppierende Inflation, zahlreiche Zinsschritte durch die Fed, EZB und andere Zentralbanken sowie eine sich zuspitzende Material- und Energiekrise – das waren nur einige Faktoren, die das Investmentjahr 2022 markiert haben. Für Anleger hieß das, geduldig zu bleiben und Investments gut auszuwählen. Nicht zuletzt aufgrund des Ukraine-Kriegs konnten Rohstoff-, Energie- und auch Infrastrukturfonds gut zulegen. Von manchen Experten wurde gar der „Superzyklus Rohstoffe“ für dieses Jahrzehnt ausgerufen. Ob die laufenden 20er-Jahre für Rohstoffe tatsächlich so erfolgreich werden, bleibt abzuwarten.
Die Verwerfungen an den Kapitalmärkten der zurückliegenden fast 40 Monate werden uns vermutlich auch in den kommenden 12 Monaten begleiten. Aber was heißt das für Investoren? Werden die vermutlich noch weiterlaufenden Zinserhöhungen die Aktienkonjunktur vollends abwürgen? Gelingt stattdessen das von vielen Experten herbeigeredete Comeback der Anleihen? Welchen Einfluss werden die Inflation und eine nach wie vor mögliche heftige Rezession auf die Märkte haben?
Wir wollten es genau wissen und stellten 13 Asset Managern und Investmenthäusern die Frage: „Wie schätzen Sie den Markt 2023 ein – und wie wird sich Ihr Haus dementsprechend aufstellen?“ Nachfolgend finden Sie die Antworten, die sich gut für die eigene Positionierung in 2023 nutzen lassen.
Johannes Wettstein – Head of Germany, Austria and Switzerland, Algebris Investments
„Im Jahr 2023 wird sich das globale Wachstum abschwächen und die Inflation wird langsam zurückgehen. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Rezession weniger stark ausfällt als von den Marktteilnehmern erwartet. Vor diesem Hintergrund werden die Zentralbanken die Zinssätze im ersten Quartal entsprechend der Marktprognosen weiter anheben. Ab dem zweiten Quartal werden sie die Geldpolitik stabil halten, aber keine Zinssenkungen in Betracht ziehen.
Aus unserer Sicht werden Anleihen, insbesondere hochwertige Papiere, vom schwachen Wachstum und der sinkenden Inflation profitieren. In diesem Szenario werden die Zinssätze stabil bleiben und die notleidenden Kredite nicht zunehmen – außer bei sehr zyklischen Emittenten mit kritischen Bilanzen. Im Allgemeinen neigen Investment-Grade-Anleihen, Finanztitel und Schwellenländerwerte dazu, bei stabilen Zinsen und langsamem Wachstum – ohne eine Rezession – besser abzuschneiden.
Für die Rohstoffpreise und die Entwicklungen am Währungsmarkt dürfte das Wiederhochfahren der chinesischen Produktion der wichtigste Faktor sein.
Aus unserer Sicht wird sich der Rückgang der Rohstoffnotierungen im Jahr 2023 fortsetzen. Es gibt allerdings auch Potenzial nach oben. Der Gaspreis beispielsweise könnte nach dem Frühjahr wegen einer steigenden Nachfrage aus Deutschland angesichts leerer Gasspeicher anziehen. Der Ölpreis hingegen dürfte weiterhin durch die Förderkürzungen der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) gestützt werden und könnte rasch steigen, wenn sich die chinesische Wirtschaftstätigkeit im ersten Quartal beschleunigt.
Die Erholung der asiatischen Wirtschaft im Zuge der Wiedereröffnung Chinas dürfte schließlich zu einer Abschwächung des US-Dollars und damit einer Outperformance von Nicht-US-Anlagen (Europa und die Schwellenländer) führen.“