Zugegeben: Wie es am Ende wirklich kommt, weiß heute niemand. Sicher ist hingegen, dass noch ein ganz anders Thema die Branche 2021 maßgeblich beschäftigen wird. Es führt uns hier zurück auf den Boden der Regulierung: Die neuen EU-weiten Vorschriften zur Nachhaltigkeit.
Bereits im März 2021 tritt die „Offenlegungsverordnung“ der EU in Kraft. Dann muss (unter anderem) in allen Prospekten von Kapitalanlagen offen gelegt – also beschrieben – werden, inwieweit die Anbieter und Produkte bestimmte Nachhaltigkeitsansprüche erfüllen. Es geht um die Stichworte Umwelt (Environment), Sozialstandards (Social) und Unternehmensführung (Governance), kurz „ESG“.
Dazu gibt es eine „Taxonomie“, mit der die Maßstäbe europaweit einheitlich und vergleichbar definiert werden. Die Detailvorschriften („Level 2“) fehlen noch. Obwohl die Anbieter deshalb erst einmal etwas auf Improvisation angewiesen sind, müssen sie bis März 2021 die Vertriebsunterlagen entsprechend angepassen. „Kein Anbieter wird sich dem entziehen können“, sagte Wirtschaftsprüferin Martina Hertwig (Baker Tilly) auf dem Cash.-Branchengipfel. Es sei „wirklich Zeit“, sich damit zu beschäftigen.
ESG ist nicht nur lästige Bürokratie
Schon die Aufnahme in die Prospekte wird ESG noch stärker in das Bewusstsein der Anleger hieven. Voraussichtlich ab Ende 2021 ist dann auch der Vertrieb verpflichtet, die ESG-Kriterien in die Geeignetheitsprüfung und den „Zielmarktabgleich“ einzubeziehen. Ähnlich wie bei den Risikoklassen scheiden bestimmte Produkte schlicht aus, wenn sie nicht den ESG-Präferenzen des Anlegers entsprechen. Das wird die Vertriebspraxis wahrscheinlich nochmals spürbar verändern. Trotzdem ist das Thema ESG dort – jedenfalls im Publikumsvertrieb – anscheinend bislang kaum angekommen.
Dabei ist ESG keineswegs nur lästige Bürokratie. Das Thema bietet durchaus auch Chancen, vor allem dann, wenn nach Corona die Klimakrise wieder in den Vordergrund tritt. Die Sachwertbranche hat hier einiges zu bieten – nicht nur Erneuerbare-Energien-Fonds. Es geht zum Beispiel auch um Neubauten nach den neuesten Energiestandards oder Altbausanierung inklusive energetische Aufwertung.
Generell sind zudem zur Erreichung der Klimaziele enorme Investitionen notwendig. AIFs und Vermögensanlagen sind ideale Vehikel, um privates Kapital dafür zu mobilisieren und zu sammeln. Die Bundesregierung will das unterstützen. So hat sie kürzlich ein Gesetz auf den Weg gebracht, das für geschlossene AIFs neben den bisherigen Vehikeln die spezielle Form von Infrastruktur-Sondervermögen vorsieht.
Master-Feederfonds künftig zulässig
Zudem sollen künftig sogenannte Master-Feederfonds zulässig sein. Deren Zweck besteht darin, mit ihrem Kapital einen weiteren Fonds zu „füttern“ und in diesem „Masterfonds“ mit dem Geld anderer Investoren-(Gruppen) zu bündeln. Das erleichtert die gemeinsame Finanzierung großer Projekte durch verschiedene Angebote, die auf einzelne Zielgruppen zugeschnitten sind. Das kann auch eine oder mehrere Tranchen für den Publikumsvertrieb umfassen.
Ein weiterer Punkt wird der Sachwertbranche in die Karten spielen, wenn die Corona-Wogen sich geglättet haben: Die gewaltigen Summen, die von der Bundesregierung, der EU und der EZB zur Krisenbewältigung zur Verfügung gestellt wurden. Sie werden voraussichtlich zum einen dafür sorgen, dass die Zinsen noch über einen langen Zeitraum extrem niedrig bleiben. Damit bleiben die Alternativen zur Sachwertanlage entsprechend unattraktiv.
Zum anderen hat bereits eine Diskussion über die Folgen der Geldschwemme begonnen. Im Fokus stehen unter anderem die Inflationsrate, die Leistungsfähigkeit der Staaten und die generelle Stabilität der Währung. Sie wird umso lauter werden, je leiser die Corona-Aufregung wird. Voraussichtlich wird das Thema auch im Vorfeld der Bundestagswahl im September einiges Getöse verursachen. Auch das kann ein Turbo für Sachwertanlagen sein.
Eine Prognose abzugeben ist in diesem Jahr noch schwieriger als sonst. Doch 2021 kann für die Branche durchaus wesentlich erfreulicher werden, als es heute vielleicht den Anschein hat. So wünsche ich allen Lesern ein trotz der Umstände schönes und besinnliches Weihnachtsfest sowie einen guten Rutsch ins – hoffentlich bessere – neue Jahr!
Stefan Löwer ist Geschäftsführer der G.U.B. Analyse Finanzresearch GmbH und betreut das Cash.-Ressort Sachwertanlagen. Die G.U.B. ist Deutschlands ältestes Analysehaus für Sachwertanlagen und gehört wie Cash. zu der Cash.Medien AG.
Foto: Florian Sonntag