Bald ist Halbzeit, das erste Halbjahr in 2022 nähert sich schon wieder seinem Ende. Grund genug, einen Ausblick auf die Börse im zweiten Halbjahr zu wagen. Die Märkte sind in den vergangenen Wochen mitunter recht turbulent verlaufen. Die jüngst beschlossene Zinswende in der Eurozone sollte inzwischen jedoch eingepreist sein. Auch beim Blick auf den Krieg in der Ukraine denken wieder mehr Anleger an Lösungen, denn an eine Eskalation. Sind die Voraussetzungen für das zweite Halbjahr am Kapitalmarkt also günstig?
Nach herausfordernden Monaten sind Aktien inzwischen deutlich günstiger geworden. Vor allem Wachstumswerte gelten heute nicht mehr uneingeschränkt als zukunftssicher, wie das noch vor einem Jahr der Fall war. Der Grund: Steigende Zinsen machen die Refinanzierung wachstumsstarker Unternehmen schwerer. Das belastet die Kurse. Doch auch konservative Titel haben in den vergangenen Monaten eingebüßt und bieten inzwischen auf den ersten Blick wieder Chancen. Doch wie ist die Lage wirklich?
Rückkehr zur Normalität als gute Nachricht
Auch wenn die hohen Energiepreisen den Verbrauchern rund um den Erdball noch immer tief in den Knochen sitzen, deutet sich eine Entspannung an. Zuletzt überzeugte der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe in den USA mit einem soliden Ergebnis über den Erwartungen. Mit rund 56 Punkten signalisiert der Indikator Wachstum an. Ebenso die Einzelhandelsumsätze in den USA machen Hoffnung, auch wenn diese zuletzt wieder etwas schwächer ausgefallen sind. Grundsätzlich steht den Konsumenten dank steigender Löhne mehr Geld für den Konsum zur Verfügung. Dadurch relativiert sich die Inflation zumindest ein wenig. So schlecht steht es um die US-Wirtschaft also nicht. Hinzu kommt, dass die steigenden Energiepreise in den kommenden Quartalen womöglich ein wenig an Dynamik verlieren dürften. Dafür könnten einerseits Basiseffekte, andererseits aber auch ein breiteres Angebot von außerhalb Russlands, stehen.
Und in Europa? Auch hier weisen die Einkaufsmanagerindizes weiterhin ein Niveau im expansiven Bereich auf. Zwar bewerten Volkswirte die gesamte Gemengelage als „nachlassende Dynamik“, doch erscheint die Rezession derzeit nicht das wahrscheinlichste Szenario zu sein. Auch ist es unwahrscheinlich, dass Zinsschritte der EZB in den kommenden Monaten am Markt für negative Überraschungen sorgen – im Gegenteil. Gerade die Finanzwirtschaft begrüßt eine Belebung der Anleihemärkte. Wenn die Risikoaufschläge wieder steigen, entsteht Raum für das eigentliche Brot-und-Butter-Geschäft der Banken. Was über Jahrzehnte normal war und erst seit der großen Finanzkrise in Vergessenheit geraten ist, sollte die Märkte nicht merklich erschüttern.
Trotzdem ist gerade während der Sommermonate damit zu rechnen, dass die Kapitalmärkte volatil bleiben. Diese Marktphase bietet langfristig ausgerichteten Anlegern mit einem klaren Kompass aber mehr Chancen als Risiken. Sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen haben wir inzwischen Bewertungsniveaus erreicht, die Perspektiven bieten.
Darauf kommt es jetzt für Anleger an
Am Ende kommt es für Investoren darauf an, Wertpapiere so zu allokieren, dass letztendlich ein Portfolio steht, welches ein ausgewogenes Chance-Risiko-Profil verspricht. Neben einer breiten Allokation bieten sich auch Titel an, die neben hohen inneren Werten auch einen gewissen Inflationsschutz versprechen. Gerade Anleger, denen es gelingt, Profiteure aus der zweiten Reihe zu identifizieren, können in den kommenden Wochen profitable Entscheidungen treffen. Die Märkte sind inzwischen auf einem interessanten Niveau angekommen. Nun gilt es für Anleger, diese Gemengelage mit Fingerspitzengefühl und Weitsicht für sich zu nutzen. Dann kann auch 2022 noch ein erfolgreiches Börsenjahr werden.