Mit der Liquidität des Finanzmarktes ist es so eine Sache: Sie verschwindet gerade dann, wenn sie am stärksten gebraucht wird. Banken, Asset Manager und Anleger haben dieses Paradoxon aus der großen Finanzkrise noch lebhaft in Erinnerung. Nach Ansicht von Pascal Blanqué, Chefanlagestratege bei Amundi, birgt das aktuelle Umfeld die Gefahr neuer Liquiditätskrisen.
Sowohl Asset Manager als auch Investoren sollten ihre Portfolios eingehend auf mögliche Liquiditätsfallen prüfen – aber auch an die Chancen eines Liquiditätsschocks denken, der bei manchen Vermögenswerten zu einem attraktiven Renditeaufschlag führen kann. 2019 sollten Anleger nach Einschätzung des Anlagestrategen in den einzelnen Assetklassen auf folgende Trends achten:
Anleihen: Liquidität verschlechtert sich
Staatsanleihen der großen Emittenten sind nach wie vor äußerst liquide. In Einzelfällen kann es jedoch auch in sonst hochliquiden Märkten zu Engpässen kommen – wie etwa letztes Jahr bei italienischen Anleihen während der Diskussion über das Haushaltsdefizit. Unternehmens- und Schwellenländeranleihen dagegen sind seit der Finanzkrise generell empfindlicher gegenüber Liquiditätsproblemen geworden. Mit den verschärften Regulierungsvorschriften gibt es immer weniger aktive Händler, während gleichzeitig der Anleihemarkt vor allem in den ohnehin weniger liquiden Segmenten, wie High Yield Bonds, enorm gewachsen ist. So gab es in den USA zwischen 2009 und 2018 insgesamt 69 Prozent mehr Anleiheemissionen im Vergleich zu den zehn Jahren vor Ausbruch der Finanzkrise – bei Hochzinsanleihen lag das Wachstum sogar bei 180 Prozent. Und in Europa ist das Bild ähnlich.
Für Anleiheinvestoren wird Liquidität damit immer mehr zu einem entscheidenden Faktor, der schon bei der Zusammenstellung eines Portfolios berücksichtigt werden muss. So können auch günstig bewertete Titel durch eine mangelhafte Liquidität im Markt an Attraktivität verlieren. Allerdings können Liquiditätsschwankungen auch neue Chancen eröffnen, wenn die allgemeine Unsicherheit und Risikoaversion Anlegern eine zusätzliche Prämie bietet. Das war zum Beispiel bei Neuemissionen von europäischen Investment-Grade-Anleihen um den Jahreswechsel 2018/2019 der Fall.
Seite zwei: Schwellenländer: Breite Spanne zwischen Abhängigkeit und eigener Stärke