Marketing-Experte Hans-Georg Pompe erklärt, wie Versicherer und Vermittler den Best-Ager-Markt für sich nutzen können – und welche Fehler sie in jedem Fall vermeiden sollten.
Cash.: Lange Zeit haben die Versicherer die sogenannte Generation 50 plus, auch als „Best Ager“ bekannt, vernachlässigt, da sie als unattraktiv und unflexibel galt. Dieses Bild hat sich mittlerweile gewandelt. Wie erklären Sie sich das?
Pompe: Die Generation 50 plus rückt zunehmend in den Fokus sämtlicher Wirtschaftszweige und der Medien – nicht nur der Versicherer. Zu Recht, denn schon heute dominiert sie die Gesellschaft mit ihrer Zahl – 40 Prozent der Bevölkerung ist über 50 Jahre – und mit ihrer gigantischen Kaufkraft von 720 Milliarden Euro pro Jahr.
Zusätzlich spülen Erbschaften und fällige Kapitallebensversicherungen zusätzliche Milliarden in ihre Depots. In diesem Jahrzehnt erben Menschen der Generation 50 plus etwa 2,5 Billionen Euro – und pro Jahr werden circa 30 Milliarden Euro an Lebensversicherungen ausbezahlt.
Dazu kommt, dass Kreditlasten abnehmen, das Häuschen ist bezahlt, die Kinder sind aus dem Haus. Noch nie war eine Generation reicher als die heutige „Midlife-Generation“.
Jede Zielgruppe erfordert eine bestimmte Ansprache. Welche Kernelemente sollte ein Ansprachekonzept eines Versicherers oder eines Versicherungsmaklers aufweisen, um erfolgreich zu sein?
Um bei anspruchsvolleren Kunden im fortgeschrittenen Alter erfolgreich zu sein muss man auf der Beziehungsebene ansetzen. Wichtig sind hier insbesondere die Faktoren Vertrauen und Vertrautheit, Verlässlichkeit sowie persönliche Wertschätzung der Lebensleistung.
Die Versicherten erwarten eine persönliche Begleitung nach dem Policenverkauf, glaubwürdige und verständliche Sprache, Transparenz bei Provisionen, emotionale und atmosphärische Nähe zur Schaffung einer Vertrauensbasis und nicht zuletzt ein nützliches Anlageprodukt-Portfolio für die gegenwärtige Lebenssituation.
An welchen Stellen hakt es noch?
Der Kunde stellt sich immer eine Frage: Was habe ich davon, wenn ich mit dieser Versicherung, mit diesem Makler ein Geschäft mache? Und das gilt nicht nur monetär, sondern vor allem, kann ich diesem Berater vertrauen?
Stimmt die Chemie, will er mein Bestes oder mit mir nur Geld verdienen ohne Rücksicht auf meinen Vor- oder Nachteil? Aufgrund der Finanzkrise lastet hier gerade bei älteren Kunden ein zusätzliches Misstrauensgefühl gegenüber der Finanzbranche.
Viele Versicherer und Banker leben leider immer noch in dem Irrglauben, nur mit speziellen Seniorenprodukten für 50 plus/60 plus punkten zu können – weit gefehlt!
Laut einer Umfrage entscheidet sich die Generation 50plus unter anderem überdurchschnittlich häufig für eine Auslandskranken-versicherung inklusive Rücktransport. Kann die Abschlussbereitschaft durch spezielle Bausteine in Versicherungspolicen erhöht werden?
Ich glaube schon – wenn man als Kunde einen konkreten Nutzen spürt. Der von Ihnen genannte Baustein hat etwas mit Sicherheit und Absicherung für den worst-case zu tun. Und das wollen erfahrene Menschen, die mehr und länger reisen als je zuvor, die gefährliche Hobbies pflegen und die sich ihrer zunehmenden Insuffizienzen bewusst sind.
Je älter man wird spürt man bei sich selbst die kleinen Zipperlein, das Thema Endlichkeit rückt näher. Die Einschläge im Freundeskreis und in der Familie nehmen zu, man schaut häufiger Todesanzeigen an, beschäftigt sich noch mit angezogener Handbremse mit Wohnformen fürs Älterwerden, mit den Themen Trauer, Verlust, Einsamkeit, Tod, Pflegebedürftigkeit schon mehr oder weniger konkret – oder man hält sich mit einem mehr oder weniger krankhaften Jugendwahn unbewusst noch gerade so über Wasser.
Interview: Lorenz Klein
Foto: Pompemarketing