Wirecard kommt nicht zur Ruhe. Das Unternehmen hatte am Freitagabend in Aschheim bei München die Durchsuchungen der Geschäftsräume durch die Staatsanwaltschaft bestätigt. Es bestehe der Verdacht, „dass die Verantwortlichen der Wirecard durch die Ad-hoc-Mitteilungen vom 12. März 2020 und vom 22. April 2020 irreführende Signale für den Börsenpreis der Aktien der Wirecard AG gegeben haben könnten“, teilte eine Sprecherin der zuständigen Staatsanwaltschaft München I mit. Vorausgegangen war eine Anzeige der Bafin.
Wirecard betonte indes, dass sich die Ermittlungen „nicht gegen die Gesellschaft, sondern gegen ihre Vorstandsmitglieder“ richteten. Der Vorstand sei zudem „zuversichtlich, dass der Sachverhalt sich aufklären wird und die Vorwürfe sich als unbegründet erweisen werden.“
Mit den Ermittlern will Wirecard nun kooperieren. „Alle von den Behörden im Rahmen der Durchsuchung angeforderten Daten wurden kurzfristig bereitgestellt“, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme, die das Unternehmen auf seiner Webseite veröffentlichte. Weitere öffentliche Erklärungen wollen Vorstand und Aufsichtsrat nicht abgeben, da es sich um ein laufendes Verfahren handele.
Die Bafin hatte ursprünglich Aussagen des Zahlungsdienstleisters Wirecard vor der Veröffentlichung eines Sonderprüfungsberichts zu Bilanzen des Konzerns genauer unter die Lupe genommen. Geprüft wurde demnach, ob es im Vorfeld irreführende Angaben gegeben hat.
„Sobald wir Anhaltspunkte dafür finden, werden wir unverzüglich Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft stellen“, hatte Elisabeth Roegele, Chefin der Bafin-Wertpapieraufsicht, dabei bereits letzten Dienstag betont.
So waren bei dem Dax-Konzern auch nach dem Abschluss einer Sonderprüfung zu Bilanzfälschungsvorwürfen zentrale Fragen unbeantwortet geblieben. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG meldete in ihrem Bericht zu den Geschäftsjahren 2016 bis 2018, dass wesentliche Unterlagen fehlten – hauptsächlich zum Geschäft mit Drittfirmen, die Zahlungen im Auftrag von Wirecard abwickeln. Deswegen konnten die KPMG-Prüfer auch nicht feststellen, ob den entsprechenden Buchungen auch reale Umsätze entsprechen.
Stein des Anstoßes ist nun, dass Wirecard vor der Veröffentlichung des Berichts ausdrücklich betont hatte, dass sich keine Belege für die öffentlich erhobenen Vorwürfe der Bilanzmanipulation ergeben hätten.
Der Aktienkurs hatte sich daraufhin kräftig erholt bis auf mehr als 140 Euro, brach dann aber nach der Veröffentlichung des KPMG-Berichts ein, da die Investoren das Unternehmen angesichts der Aussagen der Wirtschaftsprüfer nicht als vollends von den Vorwürfen der Bilanzmanipulation entlastet ansahen. Bis Mitte Mai rutschte der Kurs im Tief um fast die Hälfte auf 72 Euro ab. Zuletzt erholten sich die Papiere ein Stück weit, schafften aber nicht mehr den Sprung über die Marke von 100 Euro.
Wirecard weist derweil weiterhin zurück, dass Umsätze und Kundenbeziehungen manipuliert sind. Vorstandschef Markus Braun hatte immer wieder behauptet, die bilanzierten Umsätze und Kundenbeziehungen aus diesen Geschäften mit Drittpartnern seien authentisch.
Der Dax-Konzern wickelt in Ländern, in denen das Unternehmen keine eigenen Lizenzen dafür besitzt, Transaktionsvolumina über Drittpartner ab. An der Transparenz rund um diese Erlöse hatte es in einer Artikelserie der britischen Wirtschaftszeitung „Financial Times“ Kritik gegeben.
Wirecard steht schon länger wegen Zweifeln an seinen Geschäftspraktiken unter Druck. Das Unternehmen hatte daher im Oktober eine Sonderprüfung der Bücher für die Jahre 2016 bis 2018 durch KPMG veranlasst. Der Ende April veröffentlichte Bericht konnte nicht alle Zweifel ausräumen. Die Vorlage der testierten Zahlen für 2019 hat das Unternehmen um zwei Wochen auf den 18. Juni verschoben. (dpa-AFX)
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