Herr Bläser, Sie waren in den vergangenen Wochen in den vom Unwetter und Hochwasser verwüsteten Gebieten. Hatten Sie ein derartiges Ausmaß an Zerstörung erwartet?
Bläser: Durch die Fernsehbilder war ich zwar vorweg informiert, was mich erwartet. Wenn man alles dann aber live sieht, macht es dann doch einen Unterschied. Sie sehen die langen Autoreihen des Technischen Hilfswerks oder der Feuerwehr. Sie sehen die Räumpanzer der Bundeswehr auf der Autobahn. Das ist schon surreal. Ich war bei einem Vertriebspartner in der Nähe von Kordel. Der hatte Glück im Unglück.
Das Büro stand zwar unter Wasser. Aber dadurch, dass der Ort auf einer Schieferplatte lag, wurde wenig Schlamm mit gespült. In seinem Wohnort, Kordel, der ein paar Kilometer weiter lag, hatte er Glück, weil sein Haus auf der Anhöhe stand. Alles unterhalb war dagegen durch die Fluten mitgerissen. Die Bilder, die sie sehen, die Geschichten, die sie hören, das ist schon dramatisch. Und dann kein Strom mehr, kein Wasser, kein Arzt, keine Apotheke.
Auf dem Rückweg sind wir über Belgien nach Stolberg bei Aachen gefahren. Dort haben wir größere Vertriebspartner. In Stolberg ein ähnliches Bild. Ich hätte nicht erwartet, dass Starkregen solche Folgen haben kann. Wenn sie dann die Flüsse sehen, die jetzt völlig unscheinbar daherkommen, macht das dann doch sehr nachdenklich und betroffen.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft schätzt die Schäden auf 4,5 bis 5,5 Milliarden Euro. Wie hoch sind die Schäden bei der Ergo und wie viele Schäden wurden bislang gemeldet?
Gründl: Die Unsicherheiten sind zum jetzigen Zeitpunkt noch sehr hoch, sodass präzise Aussagen zu den Schäden nicht möglich sind. Munich Re erwartet in der Rückversicherung und bei Ergo insgesamt eine Schadenbelastung in Höhe eines mittleren dreistelligen Millionen-Eurobetrags. Auf Ergo entfällt dabei der kleinere Teil dieser Summe.
Genauere Aussagen sind derzeit schlicht nicht möglich, weil täglich weitere Schadenmeldungen hinzukommen. Es sind aber bisher mehrere Tausend Schäden gemeldet worden. Letztlich sind ja nicht nur Privatkunden, sondern auch größere Konzerne betroffen.
Von daher wird es sicherlich noch einige Wochen dauern, bis man exakt sagen kann, wie viele Kunden betroffen sind und wie hoch der Schaden am Ende sein wird.
Wie viele Ergo-Agenturen wurden in Mitleidenschaft gezogen?
Bläser: Auf der Seite der Büros sind wir verhältnismäßig glimpflich davongekommen. Insgesamt haben wir nur fünf Agenturbetriebe, die durch das Hochwasser zerstört wurden. Einige Büros sind leicht betroffen oder hatten zum Beispiel zweitweise keinen Strom.
Allerdings waren unsere Vertriebspartnerinnen und Vertriebspartner teilweise privat betroffen. Zudem haben wir viele Vertriebspartnerinnen und Vertriebspartner in den Regionen, deren Freunde, Bekannte oder Eltern betroffen sind. Das Gute ist, unsere Agentursoftware ist so aufgebaut, dass sie über ein Onlinesystem verfügen.
So hatten wir etwa einen Vertriebspartner, der aufgrund des Unwetters in seinen Büros gar nicht mehr arbeiten konnten. Ihm wurden von seinem Kunden, einem IT-Dienstleister, ein Büroraum und Computer zur Verfügung gestellt.
Der betreffende Kollege musste sich somit nur noch in das System einwählen und konnte von dort aus seinen Kunden helfen. Das ist der Vorteil einer digitalen Infrastruktur und unseres hybriden Geschäftsmodells.