Der mit schweren Vorwürfen konfrontierte Immobilienkonzern Adler Group hat trotz der Verweigerung des Testats durch die Wirtschaftsprüfer von KPMG Zahlen für das vergangene Jahr vorgelegt. „Ich brauche nichts zu beschönigen, wir haben einen schwierigen Moment für das Unternehmen und damit für uns“, sagte der Verwaltungsratsvorsitzende Stefan Kirsten am Montag in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Es sei aber auch ein Neuanfang für die Adler Group. Den bereits am Samstag veröffentlichten Zahlen zufolge legte der operative Gewinn im vergangenen Jahr zu. Unter dem Strich stand wegen Abschreibungen aber ein Verlust von knapp 1,2 Milliarden Euro nach einem Gewinn von 191 Millionen Euro im Vorjahr.
Für die im Nebenwerteindex SDax notierten Papiere des Immobilienkonzerns ging es am Montag um mehr als 46 Prozent in den Keller auf ein Rekordtief von 3,88 Euro. Zuletzt betrug das Minus rund 40 Prozent. Noch Ende April hatte sich ihr Kurs kurzzeitig bis auf 13,95 Euro erholt, als Anleger erleichtert auf die Ergebnisse der KPMG-Sonderuntersuchung reagiert hatten.
Kirsten begründete die Vorlage des untestierten Geschäftsberichts mit Anleihen im Umfang von 4,4 Milliarden Euro, die das Unternehmen ausgegeben habe. Wegen dieser habe die Gesellschaft innerhalb von 120 Tagen einen geprüften Jahresabschluss auf der Webseite veröffentlichen müssen. Ansonsten wären die rund viereinhalb Milliarden Euro fällig geworden.
„Das hätte das Unternehmen an die Wand gefahren“, sagte der Manager. Es habe eine Prüfung stattgefunden, betonte Kirsten. KPMG habe in ihren eigenen Arbeitsunterlagen detaillierte Aussagen. Diese Unterlagen würden auf Nachfrage etwa Aufsichtsbehörden und Berufsverbänden zur Verfügung gestellt.
Am Samstag hatten wegen des fehlenden Prüf-Testats fast alle Mitglieder des Verwaltungsrats ihren Rücktritt erklärt. Kirsten nahm jedoch nur vier Rücktritte an. Er respektiere den Rücktritt des Verwaltungsrats, sagte Kirsten, der dem Adler-Verwaltungsrat erst seit Anfang des Jahres angehört. Das Unternehmen brauche aber einen funktionierenden Verwaltungsrat. „Wir werden den Verwaltungsrat von acht auf fünf Mitglieder verkleinern“, sagte Kirsten. Zudem sucht er einen neuen Finanzchef für Adler, der aber von außerhalb des Unternehmens kommen solle.
Außerdem will Kirsten die „teilweise byzantinische Struktur, in der Adler tätig war und tätig ist“, in eine wirtschaftliche Einheit führen. Damit sollten der Informationsfluss verbessert, die Entscheidungszeiten reduziert und einheitliche Regeln eingeführt werden, sagte er. Der Manager verspricht sich davon eine bessere Steuerung und Kontrolle.
Als nächstes Thema nehme sich das Unternehmen den Bericht des Wirtschaftsprüfers vor, sagte Kirsten. Das Unternehmen werde mit dem Halbjahresbericht anfangen und alle Hindernisse aus dem Weg räumen, die zwischen der Adler Group und einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk für das Jahr 2022 stehen.
„Wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass die Bank- und Kapitalmärkte, solange wir einen Disclaimer of Opinion haben, für uns geschlossen sind“, sagte der Manager mit Blick auf das fehlende Testat. Das Unternehmen habe eine halbe Milliarde Euro an liquiden Mitteln. „Wir haben an dieser Stelle keine Sorgen.“ Dies bedeute aber auch, dass das Unternehmen bis Mitte Mai keine Aussage zur Dividende treffen könne. Rechtlich sei Adler in der Lage, eine Dividende auszuschütten.
Hintergrund der aktuellen Entwicklungen sind im Oktober erhobene schwere Vorwürfe gegen Adler durch die Investmentfirma Viceroy des Leerkäufers Fraser Perring. Dabei ging es unter anderem um die Bewertung von Immobilienprojekten. Adler wies die Kritik seither wiederholt zurück. Viceroy hatte auch den inzwischen insolventen Finanzdienstleister Wirecard früh mit Veröffentlichungen unter Druck gesetzt.
Wegen der Vorwürfe hatte Adler auch eine Sonderprüfung durch die KPMG veranlasst, deren Ergebnisse jüngst vorgelegt worden waren. Darin hatte Adler sich von den Viceroy-Vorwürfen als entlastet gesehen. Zwar seien in der Dokumentation und in der Abwicklung einiger Transaktionen Mängel festgestellt worden, die Sonderprüfer hätten hingegen keine Beweise dafür gefunden, dass es systematisch „betrügerische oder die Gesellschaft ausplündernde Transaktionen mit angeblich nahestehenden Personen“ gegeben habe, hatte Adler mitgeteilt.
Um Schulden abzubauen, hatte Adler Ende 2021 und Anfang 2022 Immobilien in größerem Umfang verkauft, etwa an die Beteiligungsgesellschaft KKR sowie an den Konkurrenten LEG. Derzeit größter Adler-Aktionär ist Deutschlands größter Wohnimmobilienkonzern Vonovia, der rund 20,5 Prozent der Aktien von Adler hält. Ein weiterer Zukauf von Adler-Aktien scheidet für Vonovia-Chef Rolf Buch derzeit aus.
„In Anbetracht unserer gestiegenen Kapitalkosten und unserer Verpflichtung, im derzeitigen Umfeld keine weiteren Schulden aufzunehmen, ist klar, dass wir keine Käufer von Adler-Aktien sind“, sagte er auf der Hauptversammlung am Freitag. Das Engagement bei Adler mache nur etwa 25 Basispunkte der Vonovia-Bilanz aus. In Anbetracht der geringen Größe bestehe kein Grund, übereilt eine Entscheidung zu treffen.
Wegen der vielen Verkäufe rechnet Adler mit einem deutlichen Rückgang des operativen Ergebnisses (FFO 1) im laufenden Jahr, und zwar auf 73 bis 76 Millionen Euro. 2021 war dieses Ergebnis um 28 Prozent auf 137,1 Millionen Euro gestiegen.
Die Adler Group hat ihren rechtlichen Sitz in Luxemburg und ihren operativen Hauptsitz in Berlin. Das Unternehmen war aus dem Zusammenschluss von Ado Properties, Adler Real Estate und dem Berliner Projektentwickler Consus Real Estate entstanden. Ado Properties hatte hierbei Adler Real Estate übernommen und dann Consus geschluckt. (dpa-AFX)