Der AfW–Bundesverband Finanzdienstleistung übt heftige Kritik an den Zertifikaten des Tüv Nord für geschlossene Fonds und Fondspolicen. Der Berliner Verband warnt Vermittler vor Haftungsfallen durch das Tüv-Siegel: „Unqualifizierte Prüfer, ungeeignete Prüfkriterien und unrichtige Prüfergebnisse“ sprächen gegen die Bewertungsqualität, wie ein von den Lobbyisten in Auftrag gegebenes Gutachten zeige.
„Gesamtnoten fallen viel zu milde aus“
Insbesondere die Einzelnoten, vor allem in den Prüfkriterien Kostenquote, Renditeprognose, Mittelverwendungskontrolle, Management, Fondskonzept und Anlegerverständlichkeit, seien häufig nicht plausibel, so das Ergebnis der Untersuchung von Finanzmathematiker und Fondsexperte Werner Siepe, der unter anderem für die Zeitschrift „Finanztest“ Beteiligungen an GeschlossenenFonds analysiert hat. Siepe bemängelt weiter, dass viel zu milde Gesamtnoten vergeben werden und die Kriterien für die Bildung einer Gesamtnote teilweise unterschiedlich ausfallen.
Die bisher vom Tüv Nord praktizierte Prüfung der Fondsplausibilität, mit der geschlossene Fonds als geeignet oder ungeeignet für Anleger kategorisiert werden, sei deshalb nicht verlässlich, kritisiert der AfW. Investoren würden irrtümlicherweise annehmen, dass ein mit „ausgezeichnet“, „sehr gut“ oder „gut“ benoteter Fonds mehr Sicherheit bietet und auch wirtschaftlichen Erfolg verspricht. Zu solch einer möglichen Fehleinschätzung verleite auch das Label „Vertrauenswürdige Geldanlagen“ auf der Tüv-Homepage.
„Fondsplausibilität irreführend für Anleger“
Deshalb warnt der AfW Vermittler davor, ihren Kunden Tüv-geprüfte Fonds mit Hinweis auf das begehrte Siegel zu empfehlen. Sie könnten in eine Haftungsfalle geraten, sofern sich das Fondsangebot als Flop erweist und eventuell sogar zu einem tatsächlichen Totalverlust für den Anleger führt, so der Verband weiter.
Bereits im vergangenen Jahr hatte das Deutsche Institut für Anlegerschutz DIAS die Bewertungen der Tüv-Prüfer unter die Lupe genommen und deren Plausibilität in Zweifel gezogen. Verfasser der entsprechenden Studie war ebenfalls Fondsexperte Siepe.
Tüv Nord AG: „Keine neuen Sachverhalte“
Ein Sprecher der Tüv Nord AG erklärte gegenüber cash-online: „Aus unserer Sicht stellt das vom AfW veröffentlichte Gutachten keine neuen Sachverhalte dar. Bereits nach Bekanntwerden der DIAS-Studie haben wir das Produkt einer kritischen Bewertung unterzogen und in Teilen modifiziert.“
Trotz positiver Expertengutachten nehme man die erneute Kritik allerdings zum Anlass, das Produkt und die damit verbundenen Aussagen noch einmal sorgfältig zu prüfen. (hb)