Es scheint derzeit so, als würde eine Vielzahl von Unsicherheiten die Europäische Zentralbank (EZB) beeinflussen. Der anhaltende Handelskrieg zwischen den USA und China, der Druck auf das marktbasierte/multi-laterale globale Wirtschaftssystem (was Mario Draghi feststellte) und die konjunkturelle Verlangsamung sprechen für zusätzliche Maßnahmen der Zentralbank, da die Inflation weiterhin auf Talfahrt bleibt. Ein Kommentar von Dr. Salman Ahmed, Chief Investment Strategist bei Lombard Odier IM.
Wir sind seit langem der Ansicht, dass die EZB in diesem Zyklus nicht in der Lage sein wird, den Leitzins zu erhöhen. Die heutige Verlängerung der Forward Guidance bis Mitte 2020 ist ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass die Zinsen auf absehbare Zeit niedrig bleiben dürften.
Draghi würde gerne eine Lockerung sehen
Im EZB-Rat wurde über eine zusätzliche quantitative Lockerung (QE) gesprochen, worauf EZB-Präsident Mario Draghi feststellte, dass ein mittelgroßes QE-Programm praktisch möglich sei. Alles in allem sind wir der Ansicht, dass Draghi vor seinem Rücktritt im Oktober gerne eine zusätzliche Lockerung sehen würde, denn der politische Spielraum des neuen Vorsitzes wird bereits durch die Forward Guidance eingeschränkt.
Auch die angekündigten Details über eine weitere Dosis von Targeted Longer-Term Refinancing Operations (TLTROs) enthielten recht großzügige Konditionen und das Risiko einer Finanzierungsklemme für den Bankensektor wurde zu Recht abgewendet.
Unternehmenskredite im Fokus
Der Handelskrieg ist angeschwollen und der damit verbundene Vertrauensschock hat zu einem anhaltenden Rückgang der weltweiten Investitionen bei gleichzeitig sinkenden Inflationserwartungen geführt. Folglich glauben wir, dass die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Runde QE, die sich auf Unternehmenskredite konzentriert, gestiegen ist.
Desweiteren halten wir eine Ankündigung dieser politischen Linie vor Oktober für durchaus möglich, insbesondere wenn der Gouverneur der Bank of Finland, Olli Rehn, als Spitzenreiter für den EZB-Vorsitz weiterhin an Fahrt gewinnen sollte. Dies bedeutet, dass der Abwärtsdruck auf europäische Zinsen hoch bleiben wird, während der Euro gegenüber den G4-Währungen leiden könnte.
Das Ausmaß des Schadens gegenüber dem US-Dollar wird zum Teil davon abhängen, wie schnell sich die US-Notenbank in den kommenden Monaten auf einen nachhaltigen Zinssenkungszyklus zubewegen wird.
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