Wie sind die Perspektiven für Aktieninvestments im kommenden Jahr? Luke Barrs, Head of Fundamental Equity Client Portfolio Management der EMEA-Region bei Goldman Sachs Asset Management, hat die Antwort.
Obwohl für das Jahr 2020 ein schwächeres Wirtschaftswachstum vorhergesagt wird, erwarten wir, dass sich die positive Entwicklung fortsetzt. Sie wird die Performance von Aktien weiter vorantreiben. Kurzfristig bleiben hohe Kursschwankungen wahrscheinlich, ausgelöst durch geopolitische Risiken wie das möglicherweise erneute Entfachen des Handelsstreits zwischen den USA und China. Wir sind jedoch in Bezug auf Aktien insgesamt zuversichtlich und halten Anlagechancen in Schwellenländern und Japan für besonders attraktiv.
Geopolitische Risiken bleiben zentral. Aufgrund der anhaltenden weltweiten Neuausrichtung der Handelsbeziehungen sowie der anstehenden US-Präsidentschaftswahlen wird es im kommenden Jahr nicht anders aussehen. Anleger müssen sich dieser kurzfristigen Risiken bewusst sein und sich geschickt an ihnen vorbei manövrieren. Wir sind der Ansicht, dass Aktien angemessen bewertet bleiben – und für Unternehmen, die auf die wichtigsten Treiber und Wachstumstrends ausgerichtet sind, weiterhin ein erhebliches langfristiges Potenzial besteht. Das gilt insbesondere für Unternehmen, die drei miteinander verknüpfte Megatrends ins Visier genommen haben:
- Der exponentielle Anstieg des technologischen Fortschritts und disruptiver Technologien.
- Soziodemografische Veränderungen, wie die wirtschaftliche Stärkung von Frauen und dem fortschreitenden Bedeutungswachstum der Millennials als Konsumenten.
- Ökologie und Nachhaltigkeit.
Traditionelle Industrien unter Druck
Unseres Erachtens sind ein Drittel der börsennotierten US-Unternehmen sehr anfällig für technologische Disruption. Sie folgen keinem eindeutigen Wachstumspfad. Einige Branchen sind besonders betroffen. Traditionelle Einzelhändler ohne Handelsplattformen oder Autohersteller ohne ausgereifte Strategien für Elektrofahrzeuge werden im kommenden Jahr vor großen Herausforderungen stehen. Unternehmen, die den technologischen Umbruch und Fortschritt annehmen, werden auch dementsprechend davon profitieren.
Neue Verbraucheransprüche – geänderte Wirtschaftspotenziale
Die Millennials sind die weltweit größte und damit eine immer wichtigere Generation. Ihre Kaufkraft ist immens. Als Digital Natives sind sie eher erlebnisorientierte Verbraucher und legen weniger Wert auf materielle Güter, wodurch die veränderten Präferenzen und Anforderungen dieser Altersgruppe wichtige Impulsgeber für den gesellschaftlichen Wandel sind. Eine ähnliche demografische Verschiebung wird durch die Stärkung der Rolle der Frau vorangetrieben, wobei die Kaufkraft der Frauen weltweit bereits bei rund 40 Billionen US-Dollar liegt. Der Einsatz für mehr Gleichstellung der Geschlechter, die wachsende Zahl von Frauen in normalen Arbeitsverhältnissen sowie höher bezahlten Positionen und technologischer Fortschritt, etwa die Verbreitung elektronischer Zahlungssysteme: Sie alle tragen zu langfristigen Veränderungen des Konsumverhaltens bei. Eine Kernkomponente für den zukünftigen Erfolg von Unternehmen – und letztendlich für deren Bewertung – wird ihre Fähigkeit sein, Produkte, Dienstleistungen und Einkaufserlebnisse auf die Bedürfnisse von Frauen und jüngeren Generationen anzupassen.
Insbesondere für die Millennials und die Folgegeneration wird es unumgänglich sein, dass Unternehmen sowie ihre Produkte, Dienstleistungen und Lieferketten umweltverträglicher werden. Diejenigen, die langfristig beim Thema Umweltschutz hinter den Mitbewerbern zurückfallen, verlieren schließlich auch ihre Akzeptanz in der Gesellschaft. Unternehmen sind dazu verpflichtet, ihre Umweltauswirkungen offenzulegen – ebenso wie die Investoren und Pensionsfonds, die letztendlich in diese investieren. Auch wenn die einzelnen Branchen nach unterschiedlichen Maßstäben beurteilt werden: Tritt man in Sachen Umweltbewusstsein als Nachzügler auf, führt diese Wahrnehmung früher oder später zu höheren Kapitalkosten, eingeschränktem Zugang zu Finanzmitteln und einem Vertrauensverlust der Verbraucher. Im Gegensatz dazu werden Unternehmen mit den erforderlichen Lösungen für eine kohlenstoffarme Wirtschaft vom Rückenwind eines anhaltenden Nachfragewachstums profitieren.
Aktienmärkte 2020 generell im Aufwind
Trotz der schwachen Wachstumsaussichten sind wir weiterhin davon überzeugt, dass es noch Potenzial für die Aktienmärkte gibt und signifikantes Alpha generiert werden kann. In die Kapitalmärkte strömten riesige Geldmengen, insbesondere ins Venture Capital und die Early-Stage-Finanzierungen, was bereits zu alarmierenden Bewertungslücken geführt hat. Dagegen erscheinen die Bewertungen an den Aktienmärkten attraktiver – insbesondere, wenn Anleger bereit sind, Kaufgelegenheiten im KMU-Bereich zu nutzen oder gezielt ihre Allokation in Schwellenländern erhöhen.
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