Aktien nur noch neutral gewichtet

Jedes Risiko hat seinen Preis. In letzter Zeit hat sich die Lage überwiegend zum Schlechteren verändert: Die Handelskriege sind erneut ausgebrochen, die Gefahr eines ungünstigen Brexits ist wieder präsent, und zumindest aus einigen Winkeln der Finanzmärkte kommen Warnsignale bezüglich der künftigen Konjunktur- und Gewinnentwicklung. Ein Kommentar von Maya Bhandari, Portfoliomanagerin im Bereich Multi-Asset bei Columbia Threadneedle.

Die Zentralbanken rund um den Globus sind jeweils unter Verweis auf diese schwierige Gemengelage auf einen sanfteren Kurs eingeschwenkt. Dennoch sind die Vermögenspreise kräftig gestiegen, sodass einige Märkte nur knapp unter ihren Höchstständen notieren.

„Wenn sich die Fakten verändern, ändere ich meine Meinung. Und was tun Sie?”

Für gemischte Portfolios beurteilen wir seit Ende Februar das Aktienrisiko zunehmend weniger positiv, während wir bessere Aussichten für Unternehmensanleihen sehen. Die Analysten teilen offenbar diese Einschätzung. So sind beispielsweise ihre Bottom-up-Gewinnprognosen für den globalen Aktienmarkt insgesamt gegenüber dem Vorjahr sowohl für 2019 als auch für 2020 um 9 % gesunken. Mittlerweile wird dieses Jahr weltweit mit einem Nullwachstum der Unternehmensgewinne gerechnet, während die Prognose im letzten Quartal 2018 noch plus 10 % betrug.

Auch die globalen Staatsanleihenmärkte senden Warnsignale aus: Über die Hälfte der US-Zinsstrukturkurve weist einen inversen Verlauf auf, und ein Anteil von fast 70 % liegt bei 10 Basispunkten oder flacher, was nach den Erfahrungen der letzten 40 Jahre auf eine steigende Rezessionsgefahr schließen lässt. Renditekurven sind kein verlässlicher Indikator für die tatsächliche Konjunkturentwicklung2, und obwohl sich die Konjunkturbarometer eingetrübt haben, gibt es nur wenige Anzeichen für eine Rezession.

Daher erwarten wir weder in diesem noch im kommenden Jahr negative Wachstumsraten. Dennoch darf man die umgekehrte Renditekurve nicht ignorieren: Ein inverser Verlauf ist zum Beispiel ein wichtiger Faktor für das viel beachtete Probit-Modell der Federal Reserve Bank of New York, das jetzt mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 3 eine Rezession in den nächsten zwölf Monaten vorhersagt. Dies findet bei der Fed und an den Finanzmärkten Beachtung.

Zentralbanken könnten handeln

Hier kommen die Zentralbanken in aller Welt ins Spiel, die den jüngsten Schwenk zu einer zusätzlichen Lockerung der Geldpolitik teils mit technischen Argumenten (wie im Falle der New Yorker Fed) und teils mit steigenden externen Risiken durch die Handelskonflikte begründen. Derzeit nehmen die Märkte US-Leitzinssenkungen um mehr als 100 Basispunkte bis Ende 2020 vorweg.

Gleichzeitig mehren sich die Anzeichen für noch höhere Negativzinsen in Europa, die vielleicht schon in diesem Jahr kommen könnten. Wie wir in unserer Ausgabe vom letzten Monat (Asset Allocation Update, Mai 2019) erläutert haben, können Risikoanlagen wie Aktien Unterstützung finden, solange die Leitzinssenkungen genügen, um schwache Gewinne oder Cashflows auszugleichen. Allerdings ist dies ein prekäres Gleichgewicht, das sich besser für Unternehmensanleihen eignet.

Zweifellos werden die Zentralbanken höchstwahrscheinlich die Geldpolitik lockern. Falls sie sich jetzt noch anders entscheiden würden, wäre die Folge wohl eine unerwünschte Verschärfung der Finanzierungsbedingungen. Eine entgegenkommende Geldpolitik verspricht positive Impulse für das Wachstum und die Unternehmensgewinnerwartungen.

Vielleicht werden auch die Risiken verschwinden, die von den Handelskriegen und dem Brexit ausgehen. Möglich ist aber auch eine allmähliche Rückkehr der Risikoprämien in den durchschnittlichen Marktpreisniveaus und damit die Bildung eines Bewertungspuffers, der Schutz gegen diese Risiken bietet.

Handelsrisiken bleiben mindestens bis November bestehen

Unsere aktuellen Prognosen deuten auf weniger Zinssenkungen hin, als sie derzeit am Markt eingepreist sind, sowohl in den USA als auch in Europa. Außerdem erwarten wir weiterhin höhere Leitzinsen in Großbritannien, obwohl wir diesbezüglich angesichts der aktuellen Entwicklungen etwas skeptischer geworden sind.

Wir gehen davon aus, dass die Handelsrisiken mindestens bis November 2019 bestehen bleiben, da dann eine Entscheidung über Autozölle ansteht. Gleichzeitig dürfte sich der Brexit- Prozess noch bis ins Jahr 2020 hineinziehen. Die britischen Konservativen können zwar ihre Führung austauschen, nicht aber die Mehrheiten im Parlament ändern, das über alle möglichen Lösungen weiterhin tief zerstritten ist.

Unter dem Strich erscheint unter den gegebenen Umständen und angesichts fehlender Bewertungssignale die Senkung der Aktiengewichtung auf ein neutrales Niveau neben einer allgemein geringeren Risikoneigung angebracht. Die entgegenkommenden Zentralbanken und das moderate positive Wachstum sollten Unternehmensanleihen jedoch weiter Unterstützung bieten.

 

Foto: Shutterstock

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