An den Finanzmärkten gab es seit Jahresanfang wenig Grund zur Freude, liegen doch nahezu alle Assetklassen im Minus. Ausnahmen sind neben Gold (+6%) inflationsgeschützte Staatsanleihen und Rohstoffe. Letztere legten gemessen am Goldman Sachs-Rohstoffpreisindex seit Jahresbeginn um gut 34% zu. Mit deutschen inflationsindexierten Staatsanleihen (Linker) konnte ein Ertrag von immerhin 1,3% erzielt werden (gegenüber -5,4% bei nominalen Bundesanleihen).
Besonders hart traf es die globalen Aktienmärkte: Zunächst gab es Gegenwind von der angekündigten Zinswende der Fed. Dann traten immer stärker die geopolitischen Risiken in den Fokus, die im russischen Überfall auf die Ukraine gipfelten. Der damit verbundene Schock schickte speziell die europäischen Aktienmärkte auf Talfahrt. DAX und Eurostoxx50 unterschritten zwischenzeitlich den diesjährigen Hochpunkt um 24%. Mittlerweile machen sich erste Hoffnungen auf ein Kriegsende breit. Das Minus (im Vergleich zum diesjährigen Hochpunkt) hat sich entsprechend bei DAX und Eurostoxx50 auf rund 12% halbiert. Auch High-Yield-Unternehmensanleihen kamen unter die Räder. Sie erlitten – gemessen am Merrill Lynch Euro High Yield Index – Kursverluste von 5%.
Kurzzeitiges Comeback der Aktienmärkte im Frühjahr und Sommer wahrscheinlich
Aber Anleger können auf ein baldiges Zwischenhoch hoffen: Tritt unser Basisszenario ein, das ein zeitnahes Kriegsende in der Ukraine und nur gedämpftes Störfeuer aus China unterstellt, wird sich die weltweite Konjunktur im Frühjahr und Sommer kräftig erholen. Speziell im 3. Quartal dürfte das Wachstum in der Eurozone und den USA nochmals weit überdurchschnittlich ausfallen. Parallel dazu werden die Konjunktur- und Sentimentbarometer nach oben drehen. Indikatoren wie etwa der ZEW-Index, der im März bereits scharf eingebrochen ist, sollten einen Freudensatz machen, sobald die Waffen schweigen.
An den Aktienmärkten dürfte das Umfeld zunächst volatil bleiben. Jede Nachricht über das Kriegsgeschehen oder mögliche Friedensverhandlungen besitzt das Potenzial, die Kurse heftig nach oben oder unten zu treiben. Sollte sich indes spätestens im Mai ein Waffenstillstand abzeichnen, ist ein Euphorieschub vorprogrammiert. Mit der konjunkturellen Erholung wäre auch der Weg für wieder anziehende Unternehmensgewinne geebnet. Die prominenten Börsenindizes sollten in Anbetracht dessen nicht nur die Vorkrisenniveaus, sondern zur Jahresmitte sogar neue Höchststände ins Visier nehmen. Im ersten Moment hätte sich wieder einmal bewahrheitet, dass politische Börsen nur kurze Beine haben.
Die Freude darüber wird jedoch unserer Einschätzung nach nicht lange währen. Wie zu Jahresbeginn dürften schon bald wieder die Sorgen über den anhaltenden Inflationsdruck und die steigenden Zinsen die Oberhand gewinnen. Mithin werden die Notenbanken die aufhellenden Konjunkturperspektiven zum Anlass nehmen, noch stärker die geldpolitischen Zügel zu straffen. Auch konjunkturell werden die Bäume im 2. Halbjahr nicht in den Himmel wachsen. Zum Jahresende dürfte daher von den zwischenzeitlichen Kursgewinnen an den Aktienmärkten nicht mehr viel übrigbleiben. Bereits eine schwarze Null wäre an den europäischen Börsen als Erfolg zu werten.
Umso wichtiger ist es in diesem Jahr, die richtige Sektorauswahl zu treffen. Unser Zins- und Inflationsausblick spricht noch mehr als Anfang 2022 für eine Outperformance von Value- gegenüber Growth-Titeln. Ebbt der Ukraine-Konflikt ab, sollten allen voran Bank- und Versicherungsaktien wieder in die Poleposition rücken, die wie kein anderer Sektor von steigenden Zinsen profitieren.
Gegenwind für Anleihen und Rohstoffe
Den bisherigen Jahresgewinnern – inflationsindexierte Staatsanleihen und Rohstoffe – droht in den nächsten Monaten Gegenwind. Sollten die Waffen in der Ukraine schweigen, dürfte sich die Lage an den Rohstoffmärkten entspannen. Unter anderem ist dann ein Importstopp für russisches Erdgas erst einmal vom Tisch. Ein Rücksetzer bei den Rohstoffpreisen und Inflationserwartungen ist die logische Konsequenz. Allerdings dürfte die Durststrecke nicht lange anhalten. Die Argumente, die für ein strukturelles Angebotsdefizit an den Rohstoffmärkten sprechen, bestehen fort. Unter anderem sind die weltweiten Lagerbestände an Kupfer, Aluminium, Blei und Zinn in der Nähe langjähriger Tiefststände.
Für Investment-Grade-Unternehmensanleihen bleibt 2022 ein diffiziles Jahr. Zwar sollten sie in den nächsten Monaten von temporär sinkenden Risikoprämien profitieren. Gleichzeitig belastet jedoch der Renditeanstieg. Dank der höheren Coupons und des größeren Potenzials für sinkende Risikoprämien dürften Anleger mit High-Yield-Anleihen und Nachranganleihen von Industrieunternehmen (Corporate Hybrids) besser fahren.
Passend zum Risk-off-Umfeld standen an den Devisenmärkten im bisherigen Jahresverlauf die klassischen sicheren Häfen (US-Dollar, Schweizer Franken) unter Aufwärtsdruck. Mit der möglichen Entspannung der Ukraine-Krise wird sich dies umkehren. Tritt unser Basisszenario ein, wird allen voran der US-Dollar gegenüber dem Euro Federn lassen müssen. Dazu dürfte auch die absehbare restriktivere Ausrichtung der EZB beitragen.
Fazit: Ohne aktives Management ist 2022 kaum etwas zu holen
Alles in allem rechnen wir in unserem Basisszenario nochmals mit einer Risk-on-Welle zur Jahresmitte. Der Risikoappetit dürfte allerdings bald wieder abnehmen. Im 2. Halbjahr sollte das Thema Inflationsdruck und Zinsanstieg erneut dominieren. Die Aktienmärkte werden somit abermals in schweres Fahrwasser geraten. Insgesamt bleibt 2022 auch bei einem zeitnahen Kriegsende ein herausforderndes Jahr für Anleger, in dem mit kaum einer Assetklasse ohne aktives Management ein Blumentopf zu gewinnen ist.