Die Unternehmen des S&P 500 haben in den fünf Jahren bis 2022 3,9 Billionen US-Dollar für den Rückkauf ihrer Aktien ausgeben. Dies übertrifft die 2,5 Billionen US-Dollar, die sie im gleichen Zeitraum an Dividenden ausgeschüttet haben.
Man kann über Buybacks geteilter Meinung sein, aber eines ist klar: Die Käufe der Unternehmen haben der Nachfrage nach US-Aktien zusätzlichen Auftrieb gegeben.
Unsere neue Studie bestätigt, dass Aktienrückkäufe auch 2022 in den USA beliebter waren als in anderen wichtigen Ländern. Allerdings hat sich der Abstand verringert, da in Großbritannien, Kontinentaleuropa und Japan mehr Aktien zurückgekauft wurden. Aktienrückkäufe schwanken immer im Zeitverlauf, und ein Jahr stellt noch keinen Trend dar. Da sie jedoch die Nachfrage nach Aktien ankurbeln und die Gewinnkennziffern je Aktie automatisch erhöhen, lohnt es sich, ihre zunehmende Beliebtheit außerhalb der USA im Auge zu behalten.
Warum Aktienrückkäufe umstritten sind
Die Meinungen über Aktienrückkäufe sind geteilt. Einerseits stellen sie für die Unternehmensleitung eine Möglichkeit dar, überschüssige Liquidität an die Aktionäre zurückzugeben, und zwar auf eine weniger verbindliche Weise als durch eine Dividendenerhöhung. Zudem können sie für die Anleger steuerlich vorteilhafter sein, da Kapitalgewinne oft niedriger besteuert werden als Einkommen.
Andererseits werden sie als anfällig für Manipulationen durch die Geschäftsleitung kritisiert. Der gleiche Gewinn, geteilt durch eine geringere Anzahl von Aktien, führt zu einem höheren Gewinn „pro Aktie“. Wenn die Vergütung der Führungskräfte naiv an das Wachstum des Gewinns pro Aktie gekoppelt ist, kann dies zu einer Bereicherung der Geschäftsleitung führen, möglicherweise auf Kosten der Aktionäre.
Es wird auch argumentiert, dass Aktienrückkäufe eine Möglichkeit für die Geschäftsleitung darstellen, einen angeschlagenen Aktienkurs zu stützen. Auch dies kann zu einer höheren Vergütung führen. Dem ist entgegenzuhalten, dass der beste Zeitpunkt für einen Aktienrückkauf dann gegeben ist, wenn die Geschäftsleitung die eigenen Aktien für unterbewertet hält.
Darüber hinaus kann eine Zunahme von Aktienrückkäufen auch darauf hindeuten, dass es dem betreffenden Unternehmen an Möglichkeiten mangelt, seine Mittel gewinnbringend zu investieren. Statt positiv können Aktienrückkäufe daher auch negativ interpretiert werden.
Ein Beispiel dafür, wie kritisch diese gesehen werden, ist die kürzlich in den USA eingeführte Steuer für Unternehmen auf Aktienrückkäufe in Höhe von 1 %, die am 1. Januar 2023 in Kraft trat.
USA weiterhin führend bei Aktienrückkäufen, aber Großbritannien und andere Länder haben 2022 aufgeholt
Nach unseren Berechnungen haben 45 % der großen US-Unternehmen im Jahr 2022 mindestens 1 % ihrer Aktien zurückgekauft (nach Abzug der ausgegebenen Aktien). Dies entspricht in etwa dem Durchschnitt der drei Jahre vor der Pandemie (die Rückkaufaktivitäten gingen 2020 drastisch zurück, was Berechnungen, die diesen Zeitraum einschließen, verzerrt).
Noch erstaunlicher ist, dass die britischen Unternehmen im vergangenen Jahr fast mit den US-Unternehmen gleichgezogen haben (Abbildung 1). Der Anteil der britischen Unternehmen, die mindestens 1 % ihrer Aktien zurückgekauft haben, ist 2022 auf ein Rekordhoch gestiegen. Auch japanische, französische und deutsche Unternehmen verzeichneten eine Zunahme der Rückkaufaktivitäten. In den Schwellenländern waren die Aktivitäten eher verhalten.
In Japan sind viele Unternehmen unter Buchwert bewertet und horten Barmittel. Da die Aufsichtsbehörden an einer Verbesserung der Kapitaleffizienz der Unternehmen interessiert sind, können Aktienrückkäufe als eine effiziente Verwendung dieser Barmittel angesehen werden, insbesondere wenn die Aktien zu einer günstigen Bewertung zurückgekauft werden können.
Für US-Unternehmen bedeutet dies: Je mehr Aktienrückkäufe außerhalb der USA getätigt werden, desto kleiner ist der Vorteil in Bezug auf die Aktiennachfrage und die Gewinnkennzahlen je Aktie.
Aktienrückkäufe sind bei kleineren Unternehmen weniger verbreitet
Es mag auf der Hand liegen, dass kleinere Unternehmen seltener Aktien zurückkaufen und eher neue Aktien ausgeben als größere Unternehmen. Kleinere Unternehmen wachsen in der Regel schneller und benötigen daher möglicherweise zusätzliches Kapital. Dies könnte auch erklären, warum Unternehmen aus Schwellenländern weniger geneigt sind, Aktien zurückzukaufen.
Dies zeigt sich, wenn man den Anteil der Unternehmen mit hoher Marktkapitalisierung, die 1 % ihrer Aktien zurückgekauft haben (nach Abzug aller Emissionen), mit dem Anteil am Gesamtmarkt vergleicht (Abbildung 2), und wenn man den Anteil der Unternehmen betrachtet, die ihre Aktienzahl um 1 % erhöht haben.
Beispielsweise umfasst der MSCI USA Index 627 Unternehmen, während der MSCI USA Investible Market Index 2470 Unternehmen umfasst. Der letztgenannte Index enthält also zusätzliche 1843 Unternehmen mit kleiner und mittlerer Marktkapitalisierung, die 75 % der Gesamtzahl ausmachen. In allen großen Märkten überwiegt die Zahl der Small- und Mid-Caps die Zahl der Large-Caps bei weitem.
Um beim Beispiel der USA zu bleiben: 45 % der großen US-Unternehmen haben 2022 mindestens 1 % ihrer Aktien zurückgekauft, verglichen mit 33 % des breiteren Unternehmensuniversums. Umgekehrt haben 20 % der Large-Caps in den USA die Anzahl ihrer Aktien um mindestens 1 % erhöht, verglichen mit 30 % der Unternehmen im breiteren Universum. Dieses unterschiedliche Verhalten von Large-Caps und dem Gesamtmarkt ist auch in anderen Märkten zu beobachten.
Aktienrückkäufe und „De-Equitisation“
In den letzten Jahren wurde viel darüber gesprochen, dass die Zahl der Aktien, in die an der Börse investiert werden kann, zurückgeht. Tatsächlich verließen mehr Unternehmen den Markt durch Delisting (hauptsächlich aufgrund von Fusionen und Übernahmen) als durch Neunotierungen/
Börsengänge (IPOs) hinzukamen.
Aber auch Aktienrückkäufe ziehen Aktien aus den Aktienmärkten ab. Wenn wir eine ähnliche Berechnung wie oben durchführen, sie aber auf den Aktienmarkt und nicht auf einzelne Unternehmen anwenden, erhalten wir einen Eindruck vom Ausmaß dieses Trends hin zur De-Equitisation. Im Gegensatz zur obigen Analyse, die sich nur auf die Nettorückkäufe konzentrierte, wird hier der kombinierte Effekt von Nettorückkäufen und Neueinführungen/Delistings berücksichtigt. Wir bezeichnen dies als „Nettoangebot an Aktien“. Unsere Analyse basiert auf dem breiten Aktienmarkt mit großen, mittleren und kleinen Unternehmen in jedem Land, um Verzerrungen durch Unternehmen auszuschließen, die von einem Größensegment in ein anderes auf- oder absteigen. Aus dem gleichen Grund konzentrieren wir uns auf einzelne Länder und nicht auf Regionen. Ziel ist es, nur tatsächliche Veränderungen im Aktienangebot zu erfassen.
In den zwölf Monaten bis Juli 2023 hat sich das Nettoangebot an Aktien in den USA, Großbritannien, Japan, Frankreich und Deutschland negativ entwickelt (Abbildung 3). Am auffälligsten ist jedoch, dass das Tempo der De-Equitisation in den Märkten außerhalb der USA zuletzt höher war als in den USA. Dies lässt sich zum Teil durch Fusionen und Übernahmen erklären. So werden britische Unternehmen mit einem Abschlag gegenüber US-Unternehmen gehandelt, was sie zu attraktiven Übernahmezielen sowohl für US-Unternehmen als auch für Private Equity macht. Auch in Japan haben die Delistings deutlich zugenommen, die Zahlen für das letzte Jahr sind fast dreimal so hoch wie vor zehn Jahren.
Da Unternehmen außerhalb der USA nach wie vor mit hohen Abschlägen gegenüber ihren US-Konkurrenten bewertet werden, dürfte ihre Attraktivität als Übernahmeziel nicht abnehmen.
Fazit
Während die Aufmerksamkeit vor allem auf den Rückgang der Zahl der börsennotierten Unternehmen gerichtet war, sollte der Beitrag von Aktienrückkäufen zum Trend der De-Equitisation nicht übersehen werden. Aktienrückkäufe haben im Jahr 2022 deutlich zugenommen, und es wird interessant sein zu sehen, ob sich dieser Trend in den kommenden Jahren fortsetzt. Angesichts der Erwartung, dass die Zinsen weltweit noch länger hoch bleiben werden, und der anhaltend schwachen Wachstumsaussichten haben die Unternehmen viel zu überdenken. Sie müssen sich fragen, wie sie überschüssige Liquidität verwenden können, ob ihre Aktienkurse günstig sind und ob Aktienrückkäufe angesichts ihrer Flexibilität in einem unsicheren Umfeld attraktiver sind als Dividendenzahlungen.
Aktienkäufe durch Unternehmen, sei es durch den Rückkauf eigener Aktien oder durch Fusionen und Übernahmen, können die Aktienkurse stützen. Die zunehmende Beliebtheit von Rückkäufen außerhalb der USA ist ein Trend, den die Anleger im Auge behalten sollten. Und solange Unternehmen außerhalb der USA im Vergleich zu ihren US-Konkurrenten mit einem erheblichen Bewertungsabschlag gehandelt werden, dürften sie ganz oben auf der Liste potenzieller Übernahmeziele stehen.
Autor Harry Goodacre ist Strategist in der Strategic Research Unit bei Schroders.