In dem zweiten Teil des Cash.-Interviews mit Dr. Wilhelm Schneemeier, Vorstandsvorsitzender der deutschen Aktuarvereinigung (DAV), spricht er über die Einführung von Solvency II und die großen Herausforderungen, denen sich die Versicherungsbranche in den nächsten Jahren stellen muss.
Cash.: Bis zur Einführung von Solvency II sind es nur noch wenige Wochen. Wie nehmen Sie die finalen Vorbereitungen der deutschen Lebensversicherer wahr?
Schneemeier: Nach meiner Wahrnehmung sind die Unternehmen sehr gut auf die Einführung von Solvency II vorbereitet. Der Erfolg von Solvency II hängt natürlich an neuen Prozessen, aber vor allem auch an neuen Rollen – der neu geschaffenen versicherungsmathematischen Funktion beziehungsweise der Risikomanagementfunktion. Und für diese sind die Aktuare der DAV durch unser Ausbildungssystem sehr gut vorbereitet.
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In Ihrer Antrittsrede im April 2015 erklärten Sie, dass die DAV die langfristigen Folgen der aktuellen Niedrigzinsphase stärker in den Fokus der Kommunikation rücken wolle. Inwieweit haben Sie diesen Anspruch bereits umsetzen können?
Diese Niedrigzinsphase konnte niemand voraussehen, sie beeinflusst die Tagesarbeit unserer Aktuare und die strategischen Entscheidungen der Unternehmen in den nächsten Jahren. Um die Konsequenzen vor allem auch bezüglich Kapitalanlage und Auswirkungen auf die Kundenleistungen transparent zu machen, haben wir seit meinem Amtsantritt viele Gespräche mit Vertretern von Politik, Verbraucherschutz und Aufsicht geführt. Auch innerhalb der DAV beschäftigen wir uns sehr intensiv mit den Perspektiven für die Altersvorsorge – so stand dieses Thema im Mittelpunkt unserer diesjährigen Jahrestagung und auch in den Publikationen der Vereinigung nimmt diese Thematik sehr viel Raum ein.
Die Unternehmensberatung Bearing-Point erwartet, dass die Versicherungsbranche innerhalb der nächsten zehn Jahre stärkeren Veränderungen unterworfen sein wird, als es in den vorherigen 30 Jahren der Fall war. Wenn dem so sein sollte: Welche Veränderungen werden sich bereits in den verbleibenden anderthalb Jahren Ihrer Amtszeit verstärkt bemerkbar machen?
Das Thema „Big Data“ beziehungsweise die Digitalisierung der gesamten Prozesse wird die Versicherungsbranche in den kommenden Jahren stark verändern. Damit einher gehen selbstverständlich auch Veränderungen für die Aktuare. Auch wenn wir es seit jeher gewohnt sind, mit großen Datenmengen umzugehen und auf Grundlage dieser Modelle Produkte zu entwickeln, verändert der technische Fortschritt auch unsere Arbeit. Auf diese Neuerungen müssen und werden wir auch als Aktuarvereinigung reagieren und unsere Aus- und Weiterbildungsangebote entsprechend der neuen Arbeitswirklichkeit anpassen. Ob da anderthalb Jahre reichen, bezweifle ich, Rom ist ja auch nicht an einem Tag erbaut worden. Aber ich setze mich für diese Ziele voll ein.
Interview: Lorenz Klein
Foto: DAV