Alexander Funk (Ökoworld): „Die Story ist nach wie vor intakt“

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Alexander Funk, Ökoworld

Alexander Funk ist seit dem letzten Jahr Leiter des Portfoliomanagements bei der Fondsboutique Ökoworld. Wir sprachen mit ihm über die Bilanz des letzten Jahres, welchen Stellenwert verantwortungsvolles Investieren gegenwärtig hat und wie wir beim Klimaschutz vorankommen können.

Seit dem Weggang von Alexander Mozer im letzten Jahr haben Sie als Leiter Portfoliomanagement die Gesamtverantwortung für die Ökoworld-Fonds. Wie fällt Ihre erste Bilanz aus?

Funk: Es ist sehr schade, dass Alexander uns verlassen hat, nachdem wir beide elf Jahre lang eng und intensiv zusammengearbeitet haben. Wir haben speziell über die letzten Jahre die Ökoworld-Fonds hinsichtlich Performance und Assets deutlich nach vorne gebracht. In dieser spannenden und anstrengenden Zeit ist es für mich umso positiver, das Vertrauen von Alfred Platow zu genießen. Ganz neu ist das Führungs-Thema für mich indes nicht. Ich hatte, bevor sich Alexander offiziell verabschiedet hat, die kommissarische Leitung bereits übernommen. Zudem stehe ich als Mitglied der Geschäftsführung Wirtschaftsprüfern, Auditors, der Finanzaufsicht, dem Verwaltungsrat schon seit einigen Jahren rund um das Thema Portfoliomanagement zur Verfügung. Dennoch ist es eine interessante und tolle Erfahrung, die von hoher Wertschätzung gegenüber meiner Person zeugt.

Gegenwärtig scheinen Themen wie Klimawandel oder erneuerbare Energien kaum noch im Fokus der medialen und gesellschaftlichen Diskussion zu stehen. Nehmen Sie das ebenso wahr?

Funk: In der Tat sind diese Themen momentan eher eine Randnotiz, das ist ganz klar festzustellen. Allerdings ist das kein neues Phänomen. Bereits 2007, mit Beginn der Finanzkrise verschwanden Klima- und Umweltfragen von der Agenda, kamen danach aber umso stärker zurück. Das erwarte ich auch jetzt, sobald der Ukraine-Konflikt beigelegt ist. Zumal sowohl der Klimaschutz als auch die Dringlichkeit für erneuerbare Energien mittlerweile sehr viel stärker in der Gesellschaft verankert sind – trotz der enttäuschenden Beschlüsse aus Scharm el Sheikh. Viele Menschen haben erkannt, dass es bei der alternativen Energieerzeugung so etwas gibt wie eine Wohlfühlrendite. D.h. es gibt Anreizsysteme, die Menschen neben dem guten Gewissen auch einen monetären Vorteil bieten. Es klingt paradox, aber der Krieg in der Ukraine und seine Folgen hat dazu geführt, dass die bisher eher zähen Themen erneuerbare Energien und Energieeffizienz eine ganz neue Dynamik entwickeln. Natürlich gibt es noch viel zu tun, speziell in Bezug auf die langsamen Genehmigungsprozesse und den schleppenden Ausbau. Aber es bewegt sich etwas, der politische Wille scheint zumindest vorhanden zu sein. Deshalb: Das letzte Jahr war schwierig, aber der Investment Case ist nach wie vor intakt und entwickelt sich mehr oder weniger dynamisch.

Sie haben es eben schon angesprochen, die Beschlüsse der Klimakonferenz in Ägypten waren wenig positiv. Brauchen wir beim Klimaschutz eine politische Agenda der zwei Geschwindigkeiten, um überhaupt voranzukommen?

Funk: Leider leidet das Klima darunter, wenn nationale Interessen vorgehen und es ist durchaus menschlich und nachvollziehbar, dass es gerade unter den Schwellenländern Staaten gibt, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Entwicklung das Recht einfordern, CO2 in der Weise zu verbrauchen, wie es die Industriestaaten in den letzten 150 Jahren getan haben. Und dennoch muss jetzt gehandelt werden, so schwer es fällt. Unsere Unternehmensbesuche zeigen, die Bereitschaft ist durchaus da, aber es gibt auch viel Kopfschütteln nach dem Motto: Ihr seid die Verursacher und wir müssen es jetzt ausbaden oder die teuren Klimaschutzmaßnahmen mittragen. Und auch bei uns in Europa gibt es nationale Interessen. Stichwort Gas und Atomkraft, die von der EU als Teil der erneuerbaren Energien vermeintlich salon- und investierfähig gemacht wurden. Für Ökoworld ist das natürlich ein No-Go. Wir sagen „Nein Danke zu Atomkraft“ und natürlich auch zu Raubbau an der Natur. Für mich ist in diesem Zusammenhang wichtiger: Was macht denn die Realwirtschaft? Ich glaube, hier haben wir genügend Anreizsysteme, das Richtige zu tun. Einerseits gibt es Reputationsrisiken, auf der anderen Seite ist es aber auch klassischer Shareholder Value, indem ich als Unternehmen meine Eingangskosten im Bereich beispielsweise der Rohstoffe signifikant nach unten drücke. Unter gleichbleibenden Bedingungen kann ich den Gewinn je Aktie erhöhen oder mindestens gleich halten. Das sind für mich dann Aspekte für eine Investition. Dann habe ich doch eine Erhöhung des Aktienkurses, des Shareholder Values. Das ist für mich eines der Grundprinzipien. Ein Beispiel sind für mich die USA, während Trump an der Macht war. Er hat anfänglich stets gesagt: „Der Klimawandel ist eine Erfindung der Chinesen“ und hat alles dementiert. Gleichzeitig waren aber während seiner Amtszeit Unternehmen aus der Solar- und Windkraftindustrie die besten Performer. Die politische Ausrichtung ist also gar nicht so sehr entscheidend, sondern vielmehr die Realwirtschaft, die aufgrund ihres Gewinnstrebens das tut, was angezeigt ist.

Im letzten Jahr gab es viele Diskussionen bezüglich Greenwashing und Artikel-8- bzw. -9-Fonds. Wie haben Sie das wahrgenommen?

Funk: Krieg, Lieferkettenprobleme, Rekord-Inflation und steigende Zinsen haben das Jahr 2022 für nachhaltiges Investieren sehr herausfordernd gemacht. Viele Wettbewerber haben ihre Produkte mit Artikel 9 klassifiziert, hatten aber ein sehr breites Anlageuniversum, was dafür nicht geeignet war. Als dann das Thema Greenwashing aufkam, hat es doch noch einmal zu einem Umdenken geführt. Viele Anbieter sind weg von Artikel 9 und zurück bei Artikel 8. Ökoworld bleibt indes bei Artikel 9, das ist unsere DNA, die wir nicht aufweichen können und wollen. Hier trennt sich also die Spreu vom Weizen unter den Anbietern. Seit Auflage des Ökovision Classic 1996 haben wir die härtesten Anlagekriterien, die es im deutschsprachigen Markt gibt und natürlich auch die konsequentesten.

Schwellenländer und ökologisch sowie sozial-ethische Investments, das war bei Auflage des Ökoworld Growing Markets 2.0 noch ein sehr zartes Pflänzchen. Hat sich diesbezüglich dort etwas verbessert?

Funk: Die Entwicklung des Growing Markets 2.0 ist eine Erfolgsgeschichte. Letztes Jahr haben wir seinen zehnten Geburtstag gefeiert, und die Wertentwicklung, mit einer Outperformance von 100 Prozent gegenüber dem Vergleichsindex – auch wenn dieser für uns keine Relevanz hat – kann sich wirklich sehen lassen. Wenn man sich den Index ansieht, stellt man fest, dass sich auch in den Emerging Markets sehr viel getan hat. Frühere Zombieunternehmen oder staatsnahe Firmen sind mehr oder weniger aus den Indizes verschwunden oder haben ihre Bedeutung verloren. Stattdessen sind viele Unternehmen hinzugekommen, die unserer Philosophie durchaus ähnlich sind. Das sind beispielsweise Technologieunternehmen aus den Bereichen erneuerbaren Energien oder Elektromobilität, vor allem aus dem Reich der Mitte. Die Philosophie des Growing Markets 2.0 lautet: Weg von der Werkbank der Welt und hin zum Thema Binnenkonsum. Dazu zählen Bildungsunternehmen genauso wie Firmen aus dem Gesundheitssektor mit Themen wie Kniegelenke, Hüftgelenke oder aber auch Augenkliniken oder Zahnimplantatehersteller. Das sind für uns favorisierte Investitionsthemen. Davon sollte China, nachdem es sich jetzt wieder geöffnet hat, überproportional profitieren. Oder nehmen Sie die Metropolen in Südostasien. Bangkok hat 10,5 Millionen Einwohner, in Manila sind es sogar 23,5 Millionen. Dort gibt es einen enormen Bedarf und damit Investitionsmöglichkeiten in Bezug auf Umweltthemen wie Müll, Plastikvermeidung oder -reduktion, Recycling, Abwasseraufbereitung, Frischwasserversorgung, etc. Das sind für mich langfristige Investitionsthemen, die zudem unabhängig davon sind, ob das Wirtschaftswachstum in China vier Prozent, 3,4 Prozent oder 2,6 Prozent beträgt. Das sind einfach langlebige und langfristige Investitionsthemen. Daher ist diese Story nach wie vor intakt, nicht nur, weil sie es in den letzten zehn Jahren gewesen ist, sondern vor allem auch, weil sie es noch über die nächsten Dekaden hinaus ist.

All diese Themen ließen sich auch über einen ETF abdecken.

Funk: Nein, ganz und gar nicht. Das Stockpicking innerhalb dieser Themen ist für mich nach wie vor essentiell. Denn wenn beispielsweise chinesische Bildungsunternehmen regulatorisch gezwungen werden, keine Gewinne mehr erwirtschaften zu dürfen, sehen Sie in einem ETF, der diese Werte umfasst, sehr alt aus. Das heißt, Sie müssen als Asset Manager sehr nah am Unternehmen und der Branche bleiben, um Ertragsausfälle frühzeitig zu erkennen und entsprechend reagieren zu können. Dazu müssen Sie auch regelmäßig vor Ort sein. Denn Sie können von Europa aus am Schreibtisch die Stimmung in den einzelnen Ländern nicht aufnehmen. Beispielsweise sind Thailand und die Philippinen Gewinner der momentanen politischen Querelen zwischen den USA und China. Derzeit werden immer wieder Produktionskapazitäten aus China heraus meistens nach Südostasien verlagert. Das heißt, hier profitieren die Länder und die Unternehmen durch zunehmende Aufträge aus den westlichen Industrienationen. Auf der anderen Seite produzieren diese Länder vielleicht nicht in der gleichen Halle aber in einem anderen Fabrikteil für Unternehmen aus dem Reich der Mitte. Das heißt, die Unternehmen dienen beiden Herren, was natürlich ein gewisser Tanz auf der Rasierklinge ist. Aber das sind die Wachstumsmöglichkeiten, die Sie entsprechend erkennen, und Sie haben einfach ein Stimmungsbild, wie es im Land zugeht. Sie können das mit allen Sinnen genießen, entweder riechen, indem Sie durch die Straße gehen oder auch die Umweltverschmutzung dann vor Ort begutachten können. All das gelänge nicht vom Schreibtisch aus oder als Anbieter eines ETF.

Blicken wir auf 2023. Der Krieg in der Ukraine wird uns sicher noch länger beschäftigen. Welche Erwartungen haben Sie an das Jahr?

Funk: Richtig, die Geopolitik und vor allem die militärischen Auseinandersetzungen werden nach wie vor die Themenlandschaft bestimmen. Besonders beängstigend ist für mich das Säbelrasseln zwischen China und Taiwan. Deshalb ist 2023 für mich aus unterschiedlichen Gründen ein Reset. Das Thema Inflation hat das Thema Nachhaltigkeit aufgrund einer sehr stark ausgeprägten Sektorrotation an den Rand gerückt. Kleine oder mittelgroße Unternehmen wurden überproportional abverkauft, während die großkapitalisierten Unternehmen eine starke Outperformance gezeigt haben. Dass Unternehmen, die zurückgeblieben waren, im Jahr 2022 sehr stark gesucht wurden, ist deutlich abgeebbt. Jetzt sind die nackten Unternehmenszahlen wieder von Interesse. Und besonders verschuldete Unternehmen, die einen großen Berg an günstigen Krediten vor sich hertragen, müssen in einer Phase signifikant steigender Zinsen zeigen, ob ihr Geschäftsmodell tatsächlich valide ist. Wir investieren besonders gern in Unternehmen, die möglichst frei von Verschuldung sind. Viele Unternehmen aus dem Wachstumssegment wie zum Beispiel Wärmepumpenhersteller, sind fundamental sehr gut aufgestellt, wurden aber aufgrund ihrer hohen Bewertung von den Investoren gemieden. Im Jahr 2022 wurden wir als Stock Picker in makrogetriebenen Märkten nicht belohnt. In diesem Jahr gehe ich mit dem Fokus auf ethisch-ökologisch-soziale Kriterien davon aus, dass wir wieder an die ursprünglichen Wachstumsjahre deutlicher anknüpfen können. Wenn Unternehmen fundamental gut aufgestellt sind, der Wachstumstrend und die Wachstumstreiber nach wie vor intakt sind, dann sollte das auch für uns wieder passen. Deshalb bin ich mit Blick auf unsere Fonds, für unsere Themen, positiver aufgestellt, verglichen mit 2022.

Wie ist das immer wichtiger werdende Thema Demografie positioniert, mit denen sich Ökoworld in vielen verschiedenen Facetten beschäftigt?

Funk: Im letzten Jahr haben wir den achtmilliardensten Erdenbürger aus der Dominikanischen Republik begrüßt. Das heißt, wir haben einerseits Bevölkerungswachstum, das fast ausschließlich in den Emerging Markets stattfindet, und wir haben andererseits in der westlichen Welt einen demografischen Wandel mit gänzlich anderen Bedürfnissen der Menschen. Beides gilt es zu bedienen. Das heißt, Unternehmen aus dem Gesundheits- und/oder Lifestyle-Sektor sind nach wie vor en vogue, wurden aber im letzten Jahr überproportional abverkauft, weil es zunächst andere, wichtigere Themen gab. Dazu zählen auch Unternehmen aus dem Bereich der effizienten Wasserversorgung, -aufbereitung oder auch Bildungsunternehmen. Das sind die Investitionstreiber für einen Planeten mit acht Milliarden Menschen. Diese sind für mich nach wie vor intakt und sie bilden das Anlageuniversum für die Ökoworld-Fonds.

Interview: Frank O. Milewski

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