Cash.-Interview mit Hartmut Petersmann, Gründer und Geschäftsführer des Petersmann Instituts für den unabhängigen Finanzberater, über die Regulierung der Vermittlerbranche, Fehlentwicklungen bei den Provisionen und die Folgen der Corona-Pandemie.
Berater und Vermittler klagen seit Jahren über die immer weiter zunehmende Regulierung ihrer Arbeit. Wie schätzen Sie die Lage der Branche ein?
Petersmann: Regulierungen sind in diesem sehr heterogenen Markt sicherlich angebracht. Meines Erachtens übertreibt der Gesetzgeber sein Recht auf Einmischung aber bzw. scheint hier relative Willkür am Platz zu sein. Der überwiegende Anteil der Berater verdient am Existenzminimum und nur wenige leben sehr auskömmlich davon. Der Finanzberater bekommt bürokratische Bürden auferlegt, die er zunächst einmal administrativ und intellektuell schultern muss – das kostet Zeit und Geld. Nun soll er auch noch im Einkommen beschränkt werden und zusätzlich eine härtere Gangart der Aufsicht tolerieren. Das ist insgesamt ziemlich hart. Ich bin der Meinung, dass der Verbraucherschutz sich selbst den Ast absägt, auf dem er sitzt. Denn ohne vernünftige Vorsorge landet sein Klientel in der Altersarmut – mit oder ohne Provisionsdeckel. Auf der anderen Seite klagen wir hier in Deutschland auf sehr hohem Niveau und die Verbände der Branche zeichnen bei jedem Versuch der Regulierung ein übertriebenes Bild des Schreckens und müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, nichts anderes zu tun, als Besitzstände wahren zu wollen, wo doch andere Länder schon gezeigt haben, dass es auch regulierter geht – sogar besser. Meines Erachtens übertreiben es alle Seiten: die Verbände, die politischen Parteien sowie die Verbraucherschützer. Alle verirren sich in den Kleinigkeiten des eigenen Buches.
FDP-Chef Christian Lindner hat kürzlich in einem Cash.-Interview die Vermutung geäußert, „dass es vielleicht manchen in der politischen Landschaft gibt, der überhaupt gar keine selbständige, unabhängige Finanzberaterbranche will – weshalb die Möglichkeiten der Selbständigkeit für den unabhängigen Berater im kleinen Büro durch Bürokratie und hohe Kosten immer weiter erschwert werden.“ Hat er damit recht?
Petersmann: Wenn Herr Lindner so etwas vermutet, dann sollte er schnell, entschlossen und energischer dagegen vorgehen, als es seine Partei bisher getan hat. Am Ende des Tages ist der Kunde und mündige Bürger das Opfer, wenn es die unabhängige Finanzberatung nicht mehr oder nur eingeschränkt gibt. Es bedarf im Spiel der Finanzberatung doch nur zwei einfacher Zutaten: erstens eine unabhängige und möglichst interessenkonfliktfreie Beratung und zweitens eine intelligente und unabhängige Produktprüfung und -auswahl. Wer bis drei Zählen kann, kommt nun automatisch darauf, dass dieses nicht ohne den freien und unabhängigen Finanzberater gehen kann. Man darf schlicht nicht an dieser Instanz im Kapitalmarkt kratzen und diese auch nicht übergebührlich strapazieren. Man möge sich mal vorstellen, wie das Resultat von Beratung in Deutschland aussehen wird, sollten ausschließlich gebundene Berater am Werke sein. Wesentlich weiter entwickelte Kapitalmärkte haben dies verstanden und mit intelligenten Rahmenbedingungen bestmögliche Voraussetzungen für den unabhängigen Finanzberater als auch für den Endverbraucher geschaffen.
Welche meinen Sie und was wird dort Ihrer Meinung nach besser gemacht?
Petersmann: Sämtliche angelsächsisch geprägte Märkte haben ihre Rahmenbedingungen sehr verbraucherorientiert geregelt. Kapitalmarktbasierte Altersversorgungsmodelle werden beispielsweise steuerlich belohnt. Um den teilweise sehr harten Regeln zu entsprechen, musste sich der Finanzberater ständig anpassen, an Effizienz gewinnen und sich immer wieder von Neuem erfinden. Das liegt nicht nur an der weiter entwickelten Aktienkultur der Bevölkerung, sondern auch an dem Talent der IFAs (Independent Financial Advisor), Geschäftsmodelle konsequent umzusetzen. Nach dem vor Jahren verhängten Provisionsverbot in Großbritannien sagte man dem IFA den sicheren Tod voraus. Heute ist er die stärkste Beratungsinstanz im Kapitalmarkt. Nach ein paar Jahren des Anpassungsprozesses profitieren die Anleger von den Geschäftsmodellen der Finanzberater. Die Digitalisierung hat dabei eine große Rolle gespielt. Allerdings haben die Angelsachsen nicht immer wieder das Rad neu erfunden, sondern sie haben das genutzt, was da war, haben dies konsequent weiterentwickelt und schlicht das weggelassen, was sie eh nicht benötigt haben.
Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Petersmann: Ein gutes Beispiel ist sicherlich die Produktauswahl. Wenn Sie sich die Bestsellerlisten in Deutschland anschauen, dann hat dies wenig mit der kontinuierlichen Qualität der Produkte zu tun, sondern dann spielen eher etwas wie Label, Story und persönliche Beziehungen eine Rolle. Dann erfolgt in der Regel der Produktverkauf. Bei den Angelsachsen steht die konsequente Asset-Allokation im Vordergrund, dann erfolgt eine Befüllung nach knallharten Kriterien. Diese Kriterien sind es, die die unterschiedlichen Geschäftsmodelle und Philosophien prägen und den Auftritt der Marktteilnehmer voneinander unterscheiden. Im Ergebnis bedeutet dies, dass beispielsweise die Kostenstrukturen für den Anleger wesentlich niedriger liegen als vergleichsweise in Deutschland. Diese Budgets werden dazu verwand, entweder weniger Risiko einzukaufen oder alternativ eine bessere Performance zu gewinnen. Nun fragt man sich, woher kommt die Provision für den Vertrieb? Ganz einfach: Am Kundendepot hängt die Servicegebühr oder Verwaltungsgebühr und daraus finanziert sich der Vertrieb als direkte Vergütung vom Kunden. Effizienter kann die Wertschöpfungskette an dieser Stelle nicht sein. Sämtliche Dienstleistungen, die im Prozess dazu gekauft werden müssen, wie die Depotführung, die Fondsabwicklung, das Reporting und sonstige technische Features haben ihren festen Preis und werden zum größten Teil als Lizenzgebühr in Rechnung gestellt.
Speziell mit Blick auf die Provisionen läuft Ihrer Meinung nach in Deutschland einiges falsch. Was bemängeln Sie?
Petersmann: Hierzu gilt die generelle Aussage, dass jede eingeschaltete Instanz in der beschriebenen Wertschöpfungskette mitverdient. Warum? Eine Dienstleistung hat einen Preis, den man auch in Euro beziffern kann. Warum muss man beispielsweise eine Depotführungsstelle, die nichts anderes macht, als Depots im Massengeschäft zu führen, mit 15 Basispunkten auf seine Assets bezahlen? Das macht bei einem Bestand von zehn Millionen Euro 15.000 Euro aus. Wohlgemerkt: Der Kunde zahlt ja für das Depot ohnehin nochmal extra. Das Problem dabei ist, dass diese Leistung durch Provisionskürzungen bezahlt werden und insofern nicht sofort auf dem Radar sind. Wenn mir nun die Stelle, über die ich das Geschäft einreiche, nun auch nochmal 15 Basispunkte abzieht, zahle ich schon 30.000 Euro, sprich 0,3 Prozent, auf meine Assets. Warum und wofür? Sind hier nicht auch doppelte Dienstleistungen im Spiel, die ich gar nicht benötige? Fragen über Fragen, die sich offensichtlich die bequeme Masse an Beratern gar nicht stellt. Und einen Bestand von zehn Millionen Euro kann man locker allein bzw. mit einer Teilzeitkraft verwalten.
Sie haben kürzlich unter www.provisions-check.de eine neue Online-Plattform gestartet, die Abhilfe schaffen soll. Wie funktioniert das?
Petersmann: Wir liefern alles, was für dieses Geschäft benötigt wird. Software, also ein fertiges System, Datenspeicherung auf eigenen Servern. Von ganz einfach bis hochkomplex ist alles individuell konfigurierbar, sodass fast jedes Geschäftsmodell im Bereich des Paragrafen 34f Gewerbeordnung abgebildet werden kann. Mit diesem System habe ich vom CRM-Modul bis zum Onboarding-Prozess – vollelektronisch natürlich – Reportings, Analysen etc. Sollten Provisionen in diesem Spiel anfallen, fließt alles zu 100 Prozent an den Anwender weiter. Dafür bekommen wir eine Lizenzgebühr, die viel niedriger ist als in dem beschriebenen Beispiel. Es bleibt also immer genug übrig. Wir staffeln nach dem Prinzip der Inanspruchnahme – nicht nach der Höhe der Assets. Diese Differenz plus höherer Effizienz ist die Gewinnsteigerung für den Berater. Eine höhere Unabhängigkeit und Selbständigkeit gibt es quasi frei Haus. Und das besondere daran ist, dass sich der eigene Flickenteppich in Sachen Technik und Geschäftsmodell, der sich im Laufe der Jahre ergeben hat, erledigt hat.
Wie wird sich die Corona-Pandemie auf die Vermittlerbranche auswirken?
Petersmann: Ich glaube, dass die Vermittlerbranche von ganz anderen Einflüssen be- und getroffen wird als von Corona. Ein paar davon haben wir ja hier bereits gestreift. Corona wirkt – wie auch im richtigen Leben – maximal als Verstärker bestehender Krankheiten. Und am Ende des Tages wird man eine Übersterblichkeit durch Corona in unserer Branche nicht messen können.
Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.