Der zehnte „Global Wealth Reports“ der Allianz zeigt, dass 2018 erstmals die Geldvermögen in Industrie- und Schwellenländern gleichzeitig zurückgegangen sind. Selbst 2008, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, war dies nicht der Fall. Ein Kommentar von Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz.
Weltweit befanden sich die Anleger in einer Zwickmühle: Auf der einen Seite der eskalierende Handelskonflikt zwischen den USA und China, die endlose „Brexit-Saga“ und zunehmende geopolitische Spannungen, auf der anderen Seite die Verschärfung der monetären Bedingungen und die (angekündigte) Normalisierung der Geldpolitik.
„Unsicherheit fordert ihren Tribut“
Die Reaktion der Börsen fiel entsprechend aus: Global gaben die Aktienkurse 2018 um etwa 12% nach. Dies schlug direkt auf die Vermögensentwicklung durch. Die Brutto-Geldvermögen der privaten Haushalte gingen um 0,1% zurück und stagnierten bei EUR 172,5 Billionen.
„Die zunehmende Unsicherheit fordert ihren Tribut“, sagte Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz. „Die Demontage der regel-basierten globalen Ordnung ist Gift für den Vermögensaufbau. In den Zahlen zur Vermögensentwicklung zeigt sich dabei auch deutlich: Handel ist kein Nullsummenspiel. Entweder gewinnen alle – wie in der Vergangenheit – oder es verlieren alle – wie im letzten Jahr. Ein aggressiver Protektionismus kennt keine Gewinner.“
Konvergenz zwischen armen und reichen Ländern kommt zum Stillstand
2018 sind die Brutto-Geldvermögen in den Schwellenländern nicht nur das erste Mal zurückgegangen, sondern der Rückgang fiel mit -0,4% auch stärker aus als in den Industrieländern (-0,1%).
Maßgeblich dazu beigetragen hat die schwache Entwicklung in China, wo die Vermögen um 3,4% fielen. Aber auch andere wichtige Schwellenländer wie Mexiko und Südafrika mussten 2018 empfindliche Einbußen verkraften.
Dies ist eine bemerkenswerte Trendumkehr. Denn im Durchschnitt der letzten beiden Dekaden lag der Wachstumsvorsprung der Schwellenländer bei 11,2 Prozentpunkten. Es scheint so, als ob die Handelsstreitigkeiten dem Aufholprozess der ärmeren Länder ein jähes Stoppzeichen gesetzt hätten.
Die Industrieländer profitierten davon jedoch ebenso wenig. Sowohl Japan (-1,2%), Westeuropa (-0,2%) und Nordamerika (-0,3%) verzeichneten ein negatives Vermögenswachstum.
Der Preis der Niedrigzinsen
Gleichzeitig stiegen die Mittelzuflüsse um 22% auf einen neuen Rekordwert von über EUR 2,7 Billionen. Dafür zeichnete allerdings allein die Entwicklung in den USA verantwortlich: Dank der Steuerreform konnten die US-Haushalte ihre Sparanstrengungen um sagenhafte 46% steigern; damit entfallen etwa zwei Drittel aller Ersparnisse in den Industrieländern auf die USA.
Die Analyse der Mittelzuflüsse 2018 offenbart noch eine weitere Besonderheit: Die Sparer scheinen sich von der Vermögensklasse Versicherungen und Pensionen abzuwenden, auf sie entfielen gerade noch 25% der frischen Spargelder; vor und unmittelbar nach der Finanzkrise lag dieser Wert im Schnitt noch bei über 50%.
Und während die US-Haushalte dafür vermehrt Wertpapiere nachfragten, präferierten alle anderen Haushalte Bankeinlagen (und verkaufen Wertpapiere): In Westeuropa beispielsweise wanderten zwei Drittel der frischen Spargelder zu den Banken; weltweit waren Bankeinlagen das achte Jahr in Folge die populärste Anlageform.
Seite 2: Stabilisierung erwartet