Allianz vergleicht weltweit Rentensysteme: Deutschland nur auf Platz 26

Die Hitliste der Rentensysteme. Exportweltmeister Deutschland landet bei der Altersversorgung seiner Bürger abgeschlagen auf Rang 26.

Deutschland wurde 2019 zum vierten Mal in Folge Exportweltmeister. Doch während sich die Wirtschaft im internationalen Vergleich bärenstark präsentiert, ist das deutsche Rentensystem nur Mittelmaß. Platz 26 von 70 im ersten Global Pension Report der Allianz zeigt, dass die Politik nach der Coronakrise auch in Sachen Rentereform endlich die Hausaufgaben erledigen muss.

Die Allianz hat ihren ersten „Global Pension Report“ veröffentlicht, der mit Hilfe des eigenen „Allianz Pension Index“ (API) insgesamt Rentensysteme rund um den Globus analysiert. Der Index folgt einer einfachen Logik: Er beginnt mit der Analyse der demographischen und fiskalischen Grundvoraussetzungen und fährt dann fort, die beiden Hauptdimensionen eines jeden Rentensystems zu untersuchen: Nachhaltigkeit und Angemessenheit.

Der Index ruht daher auf drei Sub-Indizes und berücksichtigt insgesamt 30 Parameter, die Werte zwischen eins und sieben annehmen können, wobei eins den besten Wert bezeichnet. Mit der gewichteten Summe aller Parameter weist der API jedem der analysierten 70 Länder einen Wert zwischen eins und sieben zu und erlaubt so eine umfassende Einschätzung des jeweiligen Systems.

“Rentenreformen sind in den letzten Jahren etwas in den Hintergrund gedrängt worden, erst von der Klimafrage, heute durch die Corona-Pandemie“, sagte Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Allianz. „Aber wird die Demographie ignoriert, droht eine Rentenkrise. Ohne Gerechtigkeit und Ausgleich zwischen den Generationen fehlen essentielle Grundbedingungen für eine stabile Gesellschaft, die allen eine faire Chance gibt.“

Die Dramatik des bevorstehenden demographischen Wandels lässt sich am besten anhand des Altersquotienten (Anteil der Menschen, die 65 Jahre und älter sind, an der Erwerbsbevölkerung) zeigen: bis zum Jahr 2050 wird er um 77 Prozent auf 25 Prozent steigen – und damit schneller als in den 70 Jahren davor.

In vielen Entwicklungsländern wird sich der Altersquotient in den nächsten drei Jahrzehnten verdoppeln, in Europa und Amerika benötigte diese Entwicklung noch mehr als doppelt so lange. Das bekannteste Beispiel ist China, wo  der Altersquotient von 17 auf 44 Prozent ansteigen dürfte. In den Industrieländern dagegen ist vor allem die absolute Höhe problematisch, in Westeuropa zum Beispiel wird er auf 51 Prozent klettern.

Diese Entwicklung wird im ersten Sub-Index des API aufgenommen, die die Ausgangsbedingungen misst: finanziellen Spielraum und demographischen Wandel. Wenig überraschend schneiden dort  viele Entwicklungsländer in Afrika und Asien relativ gut ab, da dort die Bevölkerung noch jung und öffentliche Defizite und Schulden eher niedrig sind. Auf der anderen Seite erzielen europäische Länder wie Portugal oder Italien die schlechtesten Werte: eine alte Bevölkerung trifft auf hohe Schulden.

„Für die meisten Industrieländer trifft der alte schottische Witz zu: Wenn ich ein stabiles Rentensystem bauen würde, würde ich sicherlich nicht von hier starten“, sagte Michaela Grimm, Autorin des Reports. „Und das beschreibt noch die Situation vor der Corona-Pandemie und dem dadurch ausgelösten Tsunami neuer Schulden. Eine Folge der gegenwärtigen Krise wird es ohne Frage sein, dass wir unsere Anstrengungen zur Reform der Rentensysteme verdoppeln müssen. Was es eventuell noch an finanziellen Spielräumen gab, ist unwiderruflich fortgespült worden.“

Der zweite Sub-Index des API ist die Nachhaltigkeit und misst, wie Systeme auf den demographischen Wandel reagieren. Gibt es eingebaute Stabilisatoren oder fällt das System auseinander, wenn eine sinkende Zahl an Einzahlern einer immer größeren Zahl an Rentenempfängern gegenüber steht?

Eine wichtige Stellgröße in diesem Zusammenhang ist das Rentenalter. 1950 konnte ein 65 Jahre alter Mann in Nordamerika oder Europa erwarten, bis zu seinem Tod noch etwa 12,5 Jahre im Ruhestand zu verbringen; heute liegt diese Zahl bereits bei 17,6 Jahren und bis zum Jahr 2050 wird sie auf 20,8 Jahre ansteigen.

In der Konsequenz verschiebt sich damit das Verhältnis der Zeitspannen von Erwerbsleben und Ruhestand signifikant. Länder, die das Rentenalter oder Rentenleistungen an die Lebenswertwartung koppeln, wie beispielsweise die Niederlande, haben daher ein nachhaltigeres Rentensystem als solche Länder, in denen die weitere Erhöhung des Rentenalters ein politisches Tabu darstellt.

Der dritte Sub-Index des API analysiert die Angemessenheit des Rentensystems, also die Frage, ob das System einen angemessenen Lebensstandard im Alter sicherstellt. Wichtige Stellschrauben sind der Abdeckungsgrad – also wie groß ist der Anteil der Erwerbsbevölkerung und der Menschen im Rentenalter, die vom System erfasst werden? – die Rentenhöhe – also wieviel Rente (gemessen am Durchschnittseinkommen) bezieht ein durchschnittlicher Rentner? – und schließlich die Existenz einer zweiten, kapital-gedeckten Säule und weiterer Quellen für Alterseinkommen.

Insgesamt ist der durchschnittliche Wert für Angemessenheit (3,7) leicht höher als der für Nachhaltigkeit (4,0). Laut Allianz ein Hinweis darauf, dass viele Rentensysteme ein größeres Gewicht auf die Wohlfahrt der heutigen Rentnergeneration legen als auf die der zukünftigen Beitragszahler. Die Länder, die hier am besten abschneiden, sind entweder Länder, die immer noch großzügige staatliche Rentensysteme haben, zum Beispiel Österreich oder Italien, oder Länder mit einer starken zweiten und dritten Säule, wie die Niederlande und Neuseeland.

Niedrigzinsen setzen kapitalgedeckte Systeme unter Druck

Kapitalgedeckte Systeme sind aufgrund der dauerhaft niedrigen Zinsen allerdings unter erheblichen Druck geraten. Die Corona-Krise hat die Situation noch einmal verschärft. „Das Niedrigzinsumfeld hat sowohl Pensionsfonds als auch Lebensversicherer dazu gezwungen, sich Alternativen Anlagen zuzuwenden“, sagte Cameron Jovanovic, der das Team für globale Rentenlösungen bei der Allianz SE leitet.

„Alternative Anlagen erlauben es dabei den Anbietern, eine Illiquiditätsprämie zu vereinnahmen, die gut zur Langfristigkeit ihrer Verpflichtungen passt. Eine andere Strategie besteht darin, nicht Renditen hinterherzujagen, sondern Risiko aus dem Portfolio zu nehmen; sogenannte Langlebigkeits-Swaps, Risikotransfers oder kreative Rückversicherungslösungen sind Mittel, Risikopositionen zu optimieren.“

Werden die Werte aller drei Sub-Indizes zusammengenommen, ergibt sich der Gesamtwert des API: Schweden, Belgien und Dänemark sind dabei die drei Länder mit den relativ besten Rentensystemen weltweit (siehe Tabelle).

Deutschland, auf der anderen Seite, steht auf Rang 26: In punkto Angemessenheit (3,0) und Nachhaltigkeit (3,5) liegt Deutschland im internationalen Vergleich noch im oberen Mittelfeld. Der eigentliche Schwachpunkt des deutschen System sind die Grundvoraussetzungen (4,8).

Fazit des Reports für Deutschland: Auch wenn frühere Reformen das System stabiler machten, kann sich Deutschland angesichts des bevorstehenden demographischen Wandels nicht auf seinen Erfolgen ausruhen, vor allem angesichts der jüngsten Einführung von neuen und teuren Leistungen. Die Debatte um die Rente wird daher nach Corona wieder auf die politische Tagesordnung zurückkehren. Das Fenster für wichtige Maßnahmen schließt sich jedoch schnell. Rentenreformmüdigkeit ist das letzte, was sich Deutschland leisten kann. (dr)

Foto/ Grafik: Allianz

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