Der Negativzins greift immer weiter um sich: Selbst Länder, deren Kreditwürdigkeit als eher bescheiden gelten, können zumindest im kurzfristigen Bereich mit der Schuldenaufnahme Geld verdienen. Während die USA noch in jeder Laufzeit Zinsen zahlen, erhält die Schweiz selbst für 30-jährige Anleihen Geld. „Das ist eine ungesunde Entwicklung, an die sich Anleger wohl gewöhnen müssen“, sagt Ivan Mlinaric, Geschäftsführer der auf Risikomanagement spezialisierten Quant.Capital Management GmbH, in seinem Gastbeitrag.
„Mittlerweile bemisst sich die Bonität eines Staates daran, wie viel Geld er dafür erhält, dass er das Geld der Anleger nimmt und bei sich parkt“, sagt Mlinaric. So müssen Anleger in der Schweiz 0,75 Prozent Zinsen dafür zahlen, dass sie Geld für sechs Monate in Schweizer Papiere stecken dürfen.
Dänemark mit 0,66, die Niederlande mit 0,59 und Deutschland mit 0,58 Prozent nehmen auch gehörige Parkgebühren. Selbst Italien lässt sich die Anlage in italienische Papiere bezahlen: 0,16 Prozent kostet es Anleger. Und wer Geld nach Bulgarien gibt, muss für ein Jahr 0,32 Prozent Zinsen dafür bezahlen.
Gerade Bulgarien wird von vielen Investoren eher mit schwacher Bonität und entsprechenden Risikoaufschlägen bei den Zinsen in Verbindung gebracht. Doch diese Zeiten sind vorbei: Das Land hat seit der Finanzkrise seine Hausaufgaben gemacht, die Verschuldung sinkt, sowohl absolut wie auch im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung, und die Wirtschaft wächst. Die Wahrnehmung vieler Marktteilnehmer gegenüber dem Schuldner Bulgarien ist also nicht mehr aktuell. Die derzeitigen Renditen sprechen eine deutliche Sprache.
Alters kann nicht in die Gegenwart übertragen werden
Das ist ein Zeichen dafür, dass alte Gewissheiten nicht einfach so in die Gegenwart übertragen werden können. „Dass derjenige Geld erhält, der einem anderen Geld leiht, ist auch so eine alte Gewissheit – von der sich die Märkte aber verabschieden sollten“, sagt Mlinaric.
„Wir werden auf absehbare Zeit keine Umkehrung dieser Tendenz sehen.“ So zahlt der deutsche Staat erst ab einer Laufzeit von mehr als 15 Jahren wieder Zinsen, leihen Anleger Deutschland für eine kürzere Zeit Geld, müssen sie bezahlen. Daraus entsteht eine Rangliste der Staaten und der Laufzeiten, für die sie Geld zahlen müssen.
Tun Notenbanken alles dafür, die Zinsen niedrig zu halten?
Vor allem aber zeigt dieses Bild, dass die Notenbanken derzeit alles tun, um die Zinsen auf einem extrem niedrigen Stand zu halten. „Die Staaten sollen sich entschulden, dafür nehmen die Notenbanken auch eine lange Phase der Negativzinsen in Kauf“, sagt Mlinaric. „Und sie verlängern diese Phase immer weiter, je weniger Staaten den Turnaround schaffen.“
Während manche sehr weit gekommen sind, wie etwa Bulgarien, hinken Länder wie Italien und Frankreich deutlich hinterher. „Hier verbessert sich die Lage nicht, sondern verschärft sich sogar“, so Mlinaric. „Anleger müssen sich deshalb auf eine weitere Durststrecke bei den Zinsen einstellen. Das kann gerade für Institutionen mit Ausschüttungsbedarf schon sehr bald kritisch werden.“
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