Die Inflationsrate ist in die Höhe geschossen, gleichzeitig steigen die Hypothekenzinsen. Welche Folgen hat das für die Kapitalanlage in Wohnimmobilien?
Engel: Bei unseren Anlegern war ein kleiner „Zinsschock“ wahrzunehmen – ohne Frage. Schließlich sind die Bauzinsen auch ohne Einfluss der Europäischen Zentralbank innerhalb von sechs Monaten um einen Prozentpunkt gestiegen. Wer sich allerdings tiefer mit der Materie auseinandersetzt, wird feststellen, dass die Zinsthematik für Kapitalanleger durch die Steuer relativiert werden kann, sodass eine Finanzierung nach wie vor erstrebenswert ist. Hierbei reden wir vom sogenannten Leverage-Effekt. Dieser beschreibt eine Hebelwirkung des Fremdkapitals auf die Eigenkapitalrentabilität. Das durch das aufgenommene Fremdkapital substituierte Eigenkapital kann infolgedessen an anderer Stelle investiert – oder eben eingespart werden.
Schrobback: Hier kann ich Herrn Engel zustimmen. Auch wir haben bei privaten Käufern für einen Moment eine gewisse Zurückhaltung und Schockstarre, eine Abwarte-Haltung, ähnlich wie zu Beginn der Corona-Pandemie, wahrgenommen. Weiter steigende Hypothekenzinsen treffen allerdings vor allem Käufer von eigengenutzten Immobilien und weniger Käufer von vermieteten Wohnimmobilien. Anders als sogenannte Eigennutzer haben Kapitalanleger die Möglichkeit, den Schuldzins von ihrer Steuerlast abzusetzen. Private Anleger, die eine Wohnung zur Altersvorsorge und als passive Einkommensquelle erwerben, kaufen zudem eher kleinere Wohnungen, die sich leicht vermieten lassen. Der höhere Zins ändert zwar auch für Kapitalanleger die Annuität, aber durch die Verrechnung von Steuervorteil und Mieteinnahme bei Weitem nicht so einschneidend wie beispielsweise bei einer Familie, die ihr Einfamilienhaus jetzt prolongieren muss oder selbstgenutztes Wohneigentum kaufen oder bauen möchte. Hier schlägt die derzeitige Zinserhöhung schnell mit 400 bis 500 Euro Mehrbelastung im Monat zu Buche. Der derzeitige Trend, dass sich schlichtweg nicht mehr jeder Kauf- oder Bauwillige eine Finanzierung leisten kann, wird nun zusätzlich verstärkt. Trotz genereller Verunsicherung bei den Käufern, bemerken wir, insbesondere bei Normalverdienern und Kunden aus der Mittelschicht, bedingt durch fehlende Alternativen am Geldmarkt und die stark steigende Inflation, eine neu entfachte Flucht in reale Sachwerte. Speziell für Kapitalanleger wird es in der Zukunft von entscheidender Bedeutung sein, die richtige Region zu finden. Anhaltende Preiszuwächse sehe ich vor allem für den Berliner Raum sowie Leipzig, Magdeburg und deren unmittelbares Umland. Der Preisboom am deutschen Immobilienmarkt hielt auch in Q1 2022 an. Preise für Immobilien sind seit Jahresbeginn um knapp neun Prozent gestiegen, Wohnimmobilien sogar um knapp elf Prozent. Die Immobilienpreise werden in den Zentren und im Umland der Metropolen zwar tendenziell weiter steigen – allerdings mit einem deutlich geringeren Anstieg als in den Vorjahren. Nach der Corona-Pandemie wird die Arbeit im Homeoffice in vielen Jobs möglich bleiben, das rückt auch Städte und Landkreise außerhalb der großen Zentren in den Fokus wie beispielsweise Dessau, Merseburg oder Cuxhafen.
Auel: Bei Private Equity, also der Anlageklasse der Unternehmensbeteiligungen, bewegen wir uns im Bereich der produktiven Sachwerte. In Bezug auf das Thema Inflation sind wir robust aufgestellt, weil viele Unternehmen die gestiegenen Kosten in Form von höheren Preisen weitergeben. Die entscheidende Frage ist, welche Firmen genau diese Preismacht haben und die Erhöhungen wirklich an Kunden weitergeben können, ohne sie zu verlieren. Da müssen Sie sich die einzelnen Geschäftsmodelle ansehen. Wir sind mit dem Fokus auf mittelständische Hidden Champions gut aufgestellt, weil diese meistens eine spezielle Technologie oder einen Service anbieten, auf die jemand anderes angewiesen ist und für die es kaum oder keine Substitutanbieter gibt. Diese Unternehmen sind in der Regel in der Lage, die erhöhten Kosten weiterzugeben. Ich gehe davon aus, dass uns eine höhere Inflation erhalten bleibt, sich aber auf etwas niedrigerem Niveau im Vergleich zu den aktuellen Höchstwerten einpendelt.
Wie wirken sich die Zinserhöhungen in Ihrer Branche aus?
Auel: Was die Zinsen angeht, trifft die Erhöhung vor allem die Unternehmensfinanzierung. Die Auswirkungen hängen daher vom jeweiligen Private-Equity-Segment ab. Es gibt ein breites Spielfeld von Start-ups bis zu großen Buy-outs von Konzernen. Wir haben den Schwerpunkt im Mid Market und achten darauf, dass die Fonds, denen wir das Geld anvertrauen, die Rendite aus operativen Verbesserungen ziehen und weniger aus dem Financial Leveraging, bei dem auch mehr Fremdkapital eingesetzt wird. Uns können die höheren Finanzierungskosten daher eher auf der Verkäuferseite treffen. Für mittelständischen Firmen haben wir drei wesentliche Exit-Möglichkeiten: Wir bringen sie an die Börse, wir verkaufen sie an strategische Investoren oder an größere Private-Equity-Häuser, die oft deutlich mehr Leverage nutzen. Die großen Private-Equity-Fonds sind also abhängiger von den Finanzierungskosten. Das heißt, es kann sein, dass dieser Exit-Kanal etwas schwieriger wird oder Haltedauern sich ein wenig verlängern.
Gierig: Als Anbieter haben wir ein gewisses Dilemma. Auf der einen Seite treibt die Inflation die Nachfrage nach Sachwertanlagen. Auf der anderen Seite sind die Renditeerwartungen der Anleger eher noch gestiegen, weil sie zumindest die gestiegene Inflation kompensieren wollen. Da tun wir uns als Anbieter allerdings schwer, vor allem wegen der sehr schnell steigenden Fremdkapitalkosten, das macht uns wirklich zu schaffen. Ich erwarte durchaus, dass sich das Zinsniveau irgendwann auch auf die Immobilienpreise auswirken wird. Durch das schnelle Ansteigen von Inflation und Fremdkapitalzins ist das im Markt aber noch nicht flächendeckend so angekommen. Große Stabilität sehe ich bei Pflegeimmobilien, da diese aufgrund des demographischen Wandels und der hohen Nachfrage nach Pflegeplätzen und damit stabilen Mieterträgen weiterhin stark nachgefragt sein werden.
Wie reagieren die Kunden?
Gierig: Nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs ist ein gewisser Run auch auf Sachwerte losgegangen. Wir sind jetzt schon früher als erwartet ausplatziert mit unserem Healthcare-Fonds. Die Kalkulation der geplanten Nachfolgefonds ist allerdings aufgrund der dynamischen Parameter wie die Zins- und Preisentwicklung eine Herausforderung.
Auel: In Kundengesprächen ist deutlich spürbar, dass das Thema Inflation die Leute im täglichen Alltag beschäftigt und sie sich auch Gedanken darüber machen, was es für die Geldanlage heißt. Das ist viel konkreter als beispielsweise das Thema ESG, bei dem es oft schnell unkonkret wird.
Engel: Ich glaube, dass Immobilien generell, Bestandswohnimmobilien im Besonderen, in Deutschland weiterhin ein mehr als attraktives Direktinvestment darstellen. Der Umgang mit einer erhöhten Zinslage ist vielen Anlageberatern nicht geläufig. Nicht wenige wenden fälschlicherweise Ihren Blick von Immobilien ab, sofern sich die Zinslage verschlechtert – dabei hat der Markt genauso gut funktioniert, als die Hypothekenzinsen bei fünf oder auch sechs Prozent lagen. Berücksichtigt man die bereits erwähnten steuerlichen Vorteile als Privatinvestor, sehe ich auch in diesem Jahr keinen Grund, warum der Wohnimmobilieninvestmentmarkt einbrechen sollte.
Schrobback: Ich bin seit über 19 Jahren in der Wohnwirtschaft verankert. Meine ersten Schritte in der Branche machte ich zu einer Zeit, in der wir Endkundenfinanzierungen für unsere Käufer von Kapitalanlageimmobilien von weit über fünf bis sechs Prozent von den Banken bekamen. Das ging auch und war das Normalste der Welt. Viele Kunden von heute sind in den letzten zehn bis zwölf Jahren aber in dem Selbstverständnis eines Niedrigzinsumfelds groß geworden und haben nie mitbekommen, wie es einmal war und können sich deshalb auch schwer vorstellen, wie es jetzt gehen soll. Das betrifft ebenso Vertriebspartner und Vermittler. Das größte Problem sehe ich daher eben auch in der Ansprache der Kunden, der entsprechenden Neukundenakquise und in der Beratung von Bestandskunden. Der Vertrieb muss anfangen, anders zu beraten, höhere Zuzahlungen und höhere Unterdeckungen verkaufen und gleichzeitig eine deutlich bonitätsstärkere Klientel akquirieren. Die Kapitalanlageimmobilie als Altersvorsorge, Steuerabschreibungsmodell und als passive Einkommensquelle zur Altersvorsorge wird weiterhin funktionieren. Die Veränderungen am Zinsmarkt, die stark steigende Inflation aber auch die geopolitischen Verwerfungen durch den Ukraine-Krieg machen die Gründe, weshalb Kapitalanlageimmobilien als Vermögensanlage und Vorsorgeinstrument eine unschlagbare Alternative darstellen, nicht obsolet. Sie bestehen weiterhin und sind, trotz Krieg, Inflation und Zinsanstieg – oder grade auch deswegen – immer noch gültig. Das müssen Käufer und Vermittler jetzt verinnerlichen und realisieren. Ich ändere auch an meiner privaten Vermögensstrategie nichts und kaufe weiterhin vermietete Wohnimmobilien ein
Engel: Es gibt sicherlich Standorte, die ein Stück weit überhitzt sind. Hier reden wir von den großen A-Märkten, die sicherlich auch eine Seitwärtsbewegung erleben werden. Aber ein generelles Absinken der Preise erwarte ich nicht. In den Märkten, in denen wir primär aktiv sind, also an B- und C-Standorten, gibt es nach wie vor zu realisierende Wertsteigerungspotenziale. Die Bundesregierung wird das Ziel von 400.000 Wohnungen im Jahr nicht erreichen – das steht fest. Hinzu kommt die nicht zu unterschätzende Zahl der Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland flüchten und bei uns gegebenenfalls auch ein neues Zuhause finden. Fachkräftemangel und Lieferengpässe erschweren zudem aktuell die Realisierung von Neubauprojekten. Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum ist präsenter denn je.
Auel: Wir haben ja nur eine Nominalzinswende. Der reale Verdienst ist durch die aktuell sehr hohe Inflation hingegen deutlich im Minus. Das ist dramatisch und ruft noch mehr die Notwendigkeit hervor, Geld langfristig gestreut in verschiedene Real Assets anlegen. Der Berater kann das Zünglein an der Waage sein und muss auch mal in Streitgespräche gehen und den Kunden aus einer gewissen Lethargie oder einer vermeintlichen Sicherheit herausholen. Was die Private-Equity-Deals angeht, sehen wir aktuell noch keine große Veränderung der Dynamik, weder auf der Abrufseite bei uns, noch was die Rückflussthematik angeht. Wir hatten letztes Jahr mehr Rückflüsse, als wir eigentlich geplant hatten, und aktuell sehen wir auch nicht, dass es eine Art Transaktionsstopp gäbe. Viele Deals werden aber erst zeitversetzt nach einigen Monaten abgewickelt. Das heißt, die Deals, die wir jetzt sehen, wurden schon vor ein paar Monaten unterschrieben. Mit einer endgültigen Bewertung müssen wir also noch ein wenig abwarten. Generell ist bei Private Equity aber nach wie vor viel ungenutztes Eigenkapital vorhanden. Das heißt, die Fonds haben Puffer und auch genug Geld, um Investitionen vorzunehmen. Und das Bedürfnis der Transformation in den Firmen ist aktuell so groß wie nie. Daher rechnen wir nicht mit einem Dealstopp in der nächsten Zeit.
Gierig: Wir hoffen, dass die Vertriebe mit uns gemeinsam ein stückweit auch Aufklärungsarbeit leisten bei den Investoren, dass die Reise nicht mehr weiter so dynamisch nach oben geht, sondern man eher ein bisschen Federn lassen muss. Dafür hat man ein attraktives Asset. Die Frage ist: Wie weit gehen die Kunden da mit? Das können wir derzeit nur schwer einschätzen. Grundsätzlich werden Sachwerte immer ihren Platz als solider Baustein des Vermögensaufbaus und der Vorsorge bei Privatkunden haben Da haben wir noch viel Aufholpotenzial und strategisch wird die Nachfrage nach Immobilien hoch bleiben. Aber wo aus einer gewissen Emotion der Privatkunden für das Thema Immobilien eine rationale Schmerzgrenze erreicht ist, an der sie nicht mehr so mitgehen, weiß ich ehrlich gesagt noch nicht genau.
Auel: Es ist die Frage, ob es im aktuellen Umfeld – Stichwort Krieg, Volatilität an den Märkten und Inflation – bessere Alternativen gibt. Es mag hier und da auch Unsicherheiten bei Sachwertanlagen geben. Ich sehe aber keine Alternativprodukte, die jetzt besser geeignet wären und daher Kapital von Unternehmensbeteiligungen oder anderen produktiven Sachwerten wegleiten.
Gibt es bei Ihren Kunden eine Schmerzgrenze, wie Herr Gierig gerade sagte?
Schrobback: Durch die Zinswende der EZB wird es für mein Dafürhalten allenfalls eine Preisberuhigung geben. Die Preise werden sich gerade in den Metropolen und im Umland auf einem hohen Niveau einpendeln. Damit die Immobilienpreise sinken, müssten Hypothekenzinsen, wenn Sie von einer Schmerzgrenze sprechen, noch sehr viel stärker ansteigen, auf fünf oder sechs Prozent. Das würde in allererster Linie Immobilien treffen, bei denen die Investoren zu wenig auf Qualität oder auf die Lage und Region geachtet haben. Städte und Gemeinden mit guter Verkehrsanbindung und Infrastruktur werden sehr positiv, schlecht angebundene Städte und Regionen mit mangelndem Infrastrukturangebot werden sich eher negativ entwickeln. Hier steigt das Risiko besonders, wenn es durch weiter steigende Zinsen zu einer Neubewertung der Immobilien kommt. Ein weiterer „Zinsschock“ könnte Abschläge auslösen. Wichtig ist also nach wie vor primär die Lage. Als sichere und auch heute noch rentable Investitionen gelten Immobilien in den Großstädten und deren Umland. Anleger sollten daher besonders auf die Entwicklung der Standorte und auf die Umgebung achten, auf Bevölkerungswachstum und demographische Faktoren. Universitäts- und Hochschulstandorte werden auch in der Zukunft eine gute Wahl bleiben. Eine „Schmerzgrenze“ ist deshalb noch nicht erreicht. In unserer von Geld überfluteten Ökonomie beschreibt allerdings die Faustformel „Zinsen, Zinsen, Zinsen“ den zentralen Faktor viel eher als „Lage, Lage, Lage“, denn heute wird fast jede Lage teuer bezahlt.
Welche Rendite können die Anleger bei Ihnen aktuell erwarten?
Schrobback: Bei unseren Denkmalprojekten liegen wir im Durschnitt bei zwei bis 2,5 Prozent. Hier hebelt die Sonder-AfA durch den Sanierungsanteil von bis zu 70 Prozent des Kaufpreises allerdings die Rendite durch Steuervorteile auf durchschnittlich sieben Prozent. Das macht Denkmalinvestitionen weiterhin enorm attraktiv und beliebt. Bei unseren Bestandsobjekten in den B- und C-Standorten realisieren unsere Käufer zwischen 3,4 und 4,2 Prozent. Hinzu kommt für beide Assetklassen ein Inflationsplus von derzeit sieben bis acht Prozent. Unterstellt man im Anschluss das durchschnittliche nominale Preiswachstum 2,5 Prozent pro Jahr, ergibt sich kumuliert ein unschlagbares Renditeergebnis.
Engel: Wir sind ebenfalls in der Assetklasse Wohnen im Bestandsbereich aktiv. Die Rendite liegt bei unseren Objekten im Schnitt bei etwa drei Prozent. Wir reden dabei von der Anfangsrendite. Unser Ankaufsprofil fokussiert sich auf Immobilien, die „undermanaged“ sind. Das heißt, bei diesen Assets herrscht in der Regel ein noch höheres Wertsteigerungspotenzial, sodass sich die Anfangsrendite nicht selten auf vier Prozent oder mehr hochschraubt.
Und diese Wertschöpfung liefern Sie Ihren Kundinnen und Kunden dann auch mit?
Engel: Genau. Die meisten unserer Anleger sind keine ausgewiesenen Immobilienprofis oder professionelle Investoren. Deshalb bieten wir unseren Kunden ein Full-Service-Konzept: Vom Erwerb des Objekts, über die Finanzierung bis zu deren Verwaltung. Der Mehrwert für private Investoren: Sie profitieren von den Vorteilen eines „One-Stop-Shops“
Welche Fehler sollten die Anleger und auch Vermittler im Augenblick vermeiden?
Auel: Das ist natürlich bei jedem unterschiedlich, jeder hat eine andere Situation. Aber generell lässt sich sagen: Ein Fehler wäre, sich verunsichern zu lassen und sich überhaupt nicht mit dem Thema zu beschäftigen. Das bedeutet, Untätigkeit zu vermeiden. Das Gegenteil – also ständig alles anders machen zu wollen und Kapital hin und her zu schieben – gilt es aber ebenfalls zu vermeiden. Es geht darum, dass die Vertriebspartner mit uns überhaupt erst das Mindset der Kunden verändern, und zwar zu einem Investor und nicht zu einem Spekulanten. Es braucht eben Geduld, wenn man richtige Werte schafft, vor allen Dingen, wenn man in nachhaltige oder systemisch robustere Assets investiert. Darüber muss man die Leute klar informieren. Es gibt leider nicht die eine Lösung, mit der man superschnell reich werden kann – es sei denn mit extrem hohen Risiken. Man muss sich daher mit seinem Berater systemisch gut und professionell aufstellen. Dazu braucht man verschiedene Anlageklassen, die jeweils auch ihre Pros und Contras haben. Den ausgewählten Produkten muss man dann die nötige Zeit geben, statt ständig umzuschichten.
Gierig: In der Tat wäre es jetzt ein Fehler, von einer Anlageklasse in die andere zu hüpfen und wieder alles auf eine neue Karte zu setzen. Es geht um einen Portfolioansatz, der hat sich in allen Wirtschaftsphasen bewährt. Man kann schon mit relativ kleinen Beträgen einen diversifizierten „Kuchen“ der Vermögensanlage bauen, bestehend aus verschiedenen Sachwertanlagen. Ich erinnere nur an den AIF. Privatkunden können dort schon mit 5.000 Euro in Immobilien investieren und wie ein professioneller Investor agieren. Bei größeren Vermögen kann man die Sachwertquote auch um Themen wie Edelmetalle, Uhren und Oldtimer ergänzen. Eine gewisse Liquidität für Unvorhergesehenes ist natürlich auch sinnvoll, aber eben nicht zu viel. Man sollte sich bei Finanzanlagen nicht zu sehr von hohen Renditen leiten lassen, sondern es geht doch darum, eine langfristig stabile Performance zu haben und die Emotionalität rauszunehmen. Ich glaube weiterhin: Wir stehen vor einem Jahrhundert der Sachwerte. Wir haben immer noch viel zu geringe Sachwertequoten bei den Privatanlegern in ihren Vermögen und ihren Ersparnissen. Es ist viel zu sehr liquiditätsgetrieben. Doch Immobilien bilden einen festen Baustein der Vermögensanlage und auch Vorsorge. Sie sind nicht nur Stabilitätsanker im Sinne des Werterhalts, sondern generieren immer auch einen Mietertrag und damit eine Ausschüttung für die Anleger. Insbesondere mit dem AIF schaffen Anleger echtes Eigentum und sind von Währungs- oder Geldwertdiskussionen befreit. Also bei der Aufklärungsarbeit und Vermittlung dieser Themen haben wir immer noch viel Aufholbedarf.
Was meinen Sie damit, man soll sich nicht von der Rendite leiten lassen? Ist das nicht das wesentliche Ziel einer Kapitalanlage?
Gierig: Auch ein 3,5-Prozenter oder ein 4-Prozenter ist super, jetzt. Ich sage den Kunden: Loggt ihn euch ein für die nächsten zehn Jahre. Besser wird es nicht. Und wenn es besser werden sollte, ärgert euch nicht. Ihr habt einen Sachwert und könnt vielleicht sogar beim Exit dann einen besseren Verkaufspreis erzielen, aber ihr habt auf jeden Fall einen stabilen Baustein über die Jahre hinweg, weil Immobilien gebraucht werden und der Cashflow fließt.
Schrobback: Der größte Fehler, den Anleger und Vermittler aktuell machen können, ist sich durch die aktuelle Situation verunsichern und, noch schlimmer, lähmen zu lassen. Obwohl die Pandemie noch nicht endgültig ausgestanden ist und mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ein beunruhigender moralischer, emotionaler exogener Schock eingetreten ist, sind keine erheblichen Auswirkungen auf dem Immobilienmarkt zu erkennen. Angesichts der gesamtökonomischen und gesellschaftlichen Lage beweist der Wohnimmobilienmarkt absolute Robustheit und Resilienz. Deshalb bin ich ein überzeugter Verfechter des realen Eigentums. Die Assetklasse „Bestand“ wird dem Neubau zukünftig, zumindest zeitweise, stark überlegen sein, weshalb ich Vermittlern und Käufern empfehle, aktuell eher auf Bestandswohnimmobilien in nachhaltigen und prosperierenden Metropolregionen zu setzen. Die kleinste real geteilte Einheit ist eine Wohnung. Diese bekommen die Anleger noch immer, mit – vergleichsweise – wenig Eigenkapital, von den Banken voll finanziert beliehen. Es gibt kein anderes Produkt, kein Aktienportfolio, kein Sparbuch und auch keine Fondsanlage, die die Banken zu diesem hohen Beleihungsauslauf fremdfinanzieren. Dadurch kann der Käufer mit wenig Eigenkapitaleinsatz viel Vermögenswert schaffen.
Engel: Der Markt wird nicht auf den Kunden warten. Als Anleger muss ich die Zeichen der Zeit erkennen und zuschlagen, wenn die Möglichkeit besteht. Eine vorab abgehaltene Risikoanalyse selbstverständlich vorausgesetzt.
Gibt es einen typischen Anleger für Ihr Produkt?
Engel: Nein, das kann man so nicht pauschalieren. Jeder Normalverdiener ab einem monatlichen Einkommen von rund 2.500 Euro ist in der Lage – Verheiratete ab circa 3.500 Euro – sich bei uns im Haus Eigentum anzueignen, das Vorhandensein des Eigenkapitals von circa zehn bis 20 Prozent für den Erwerb der Immobilie bei der jetzigen Zinslage vorausgesetzt.
Schrobback: Unsere Kunden kommen aus fast allen Bevölkerungsschichten. Nahezu alle Berufsgruppen sind vertreten. Angestellte, Selbstständige, Unternehmer, Beamte und Freiberufler. Familien, Lebensgemeinschaften, Ledige, mit und ohne Kinder. Flankierende Rahmenparameter sind natürlich das Einkommen und, aufgrund der Laufzeiten für etwaige Finanzierungen, das jeweilige Alter der Käufer. Als Richtgrößen kann man sagen, unsere Kunden sind durchschnittlich zwischen Anfang 30 bis Mitte/Ende 50. Ledige nicht unter 50.000 Euro zu versteuerndes Einkommen im Jahr, Verheiratete nicht unter 75.000 Euro.
Also bleiben dann eher die älteren Herrschaften als potenzielle Kunden für Publikums-AIFs?
Auel: Wir haben die komplette Bandbreite an Kunden. Die jüngsten sind wahrscheinlich gerade erst geboren, und die Eltern haben für ihr Kind einen Sparplan abgeschlossen. Wir haben aber auch ältere Senioren. Es hängt vom persönlichen Anlagehorizont, der Vermögenssituation und dem Gusto des Kunden ab. Im Durchschnitt legt ein Kunde bei uns an die 20.000 Euro an, Ratensparer vielleicht 120 oder 130 Euro monatlich. Die Kundschaft ist im Durchschnitt zwischen Mitte 40 und Mitte 50 und im großen Teil männlich. Es interessieren sich aber seit einiger Zeit überdurchschnittlich viele jüngere Leute für Private Equity. Wir profitieren durchaus ein wenig vom Aktienboom der letzten Jahre. Viele junge Leute haben verstanden, dass sie etwas tun müssen, dass sie sich aktiv mit der Geldanlage beschäftigen müssen. Sie sind Investments in Unternehmen an sich positiv gegenübergestellt und finden dann oftmals das Thema abseits der Börse noch ein bisschen spannender als das Aktienthema. Dazu zählen auch High Professionals zwischen 30 und 40, die etwas höhere Beträge im Monat sparen können. Die haben schon Aktienfonds oder ETFs und ergänzen diese mit einem Private-Equity-Sparplan von uns. Das Hauptaugenmerk liegt dann in der Regel weiterhin bei Aktien und Private Equity wird im Anteil von einem Viertel oder Drittel beigemischt. Diese Herangehensweise beobachten wir in dieser Altersgruppe.
Wie gehen Sie mit dem Thema Crowdinvesting um? Dort sind die Mindesteinlagesummen noch erheblich niedriger und es werden deutlich höhere Renditen in Aussicht gestellt, meistens zwischen 5,5, und sieben Prozent oder sogar noch darüber. Was antworten Sie Kunden, die lieber dort zeichnen wollen?
Gierig: Sie sprechen da einen wunden Punkt an. Da haben wir leider ein kommunikatives Problem in der Branche. Denn beim Crowd- investing investieren die Kunden ja oftmals nicht in Immobilien, sondern in eine nachrangige Schuldverschreibung. Sie geben im Prinzip ein Darlehen an einen Projektentwickler. Das hat nichts mit Eigentum an einer Immobilie zu tun. Wir sprechen ja sehr stark den stationären Vertrieb an. Da sind die Berater gefordert, klar zu machen, wie eine Rendite von sechs bis sieben Prozent zustande kommen kann und dass Projektentwicklungen ein ganz anderes Risikoprofil haben, gerade im aktuellen Umfeld, wo Zinsen wieder steigen und Baustoffe sowie Handwerker rar sind. Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir da ein einen Rückgang an Projekten sehen werden und dass das ein oder andere Projekt nicht funktioniert – das haben wir ja schon gesehen. Ich glaube aber generell, dass die Zukunft eine andere sein wird. Die Zukunft wird die Tokenisierung von Sachwerten, also auch der Digitalisierung von Immobilienanlagen, sein.
Haben Sie Planungen in diese Richtung?
Gierig: Wir sind dabei, einen Piloten für einen tokenisierten Sachwertfonds zu entwickeln, bei dem wir dann in eine ganz andere Dimension im Sinne der „Demokratisierung des Sachwerts“ schaffen. Wir haben sicherlich weiterhin den stationären Vertrieb mit dem klassischen AIF, das würden wir auch nie aufgeben wollen. Aber perspektivisch muss man sich eben weiterentwickeln, und da sehen wir auch gute Beispiele, Sachwerte wirklich zu digitalisieren, so dass man Tokens als Anteil an einem Sachwert kaufen kann. Man kann dann Sachwerte-Anteile handeln und kann auch viel kleinteiliger investieren in so einen Token. Man kann Token auch mit Zusatzleistungen wie einem Pflegeplatz anreichern. Aus meiner Sicht wird es die Zukunft sein und die Nachteile einer klassischen AIF-Beteiligungstruktur auflösen. Auch der Vertrieb wird dann noch digitaler. Das heißt, dass man den Token mit wenigen Klicks über Plattformen kaufen und verkaufen kann. Das spricht in einem ersten Schritt vielleicht eher die Selbstentscheider an, kann sich dann aber auch schnell über Social Media auf jüngere Zielgruppen und breitere Anlegersegmente ausweiten.
Die AS Unternehmensgruppe hat Crowdinvesting-Projekte mit
Planet Home und mit der Raiffeisenbank umgesetzt. Wie sind Ihre Erfahrungen damit?
Schrobback: Wir haben dieses Anlageprodukt in unser Angebotsportfolio aufgenommen, weil wir immer wieder Anfragen von unseren Kunden hatten, die entweder schon bei uns gekauft haben oder, vielleicht aufgrund des Alters oder ihrer Eigenkapital-Situation, nicht noch die dritte oder vierte Wohnung kaufen wollten oder konnten. Hier haben wir eine Alternative zum direkten Kauf einer Immobilie geschaffen. Wir haben als Unternehmen zwei große Vorteile damit verbunden. Zum einen generieren wir einen zusätzlichen Zugang für unsere Kunden und schaffen eine zusätzliche Produktalternative sowie nachhaltige Kundenbindung. Zum anderen gibt uns die Emission einer solchen Unternehmensbeteiligung als Vermögensanlage für unsere Kunden die Möglichkeit, unser eingesetztes Eigenkapital schneller aus bereits angekauften, projektierten oder schon im Vertrieb befindlichen Objekten „herauszufinanzieren“. Dadurch sind wir flexibel, extrem schnell am Markt und können auf Ankaufs-Opportunitäten kurzfristig reagieren. Unser Wachstum ist dadurch nicht nur schneller, sondern auch skalierbarer möglich. Diese beiden Punkte waren für uns ausschlaggebend und haben sich als richtig und sinnvoll erwiesen.
Wollen Sie mit Crowdinvestments weitermachen?
Schrobback: Im Bestandsbereich vielleicht nicht unbedingt, hier entsprechen die Möglichkeiten der erreichbaren Funding-Schwellen nicht den erforderlichen Ticket-Größen für Bestandswohnanlagen ab 100 Wohneinheiten und ab zehn Millionen Euro aufwärts. Hier werden wir zukünftig andere Wege gehen und verstärkt Alternativen am Kapitalmarkt suchen. Aber besonders im Bereich der Denkmalprojektentwicklung wollen wir diesen Weg weiter gehen. Hier passen die Gesamtinvestitionsvolumen auch perfekt. Ein durchschnittliches Denkmalprojekt mit einem Mehrfamilienhaus von vielleicht zehn bis 15 Wohneinheiten hat ein Volumen zwischen vier und acht Millionen Euro. Da passen Funding-Lösungen über das Crowdinvesting von 500.000 bis eine Million sehr gut.
Engel: Wir haben vor zwei Jahren mit Crowdinvesting begonnen und waren auch im letzten Jahr noch aktiv. Es ist meines Erachtens eine erfrischende Alternative zum Eigenkapital. Worüber wir uns ebenfalls Gedanken machen, ist die Tokenisierung von Objekten. Ich sehe das zukünftige Potenzial hierbei ganz genauso wie Herr Gierig. Wir sind uns allerdings noch nicht einig, wie man am besten vorgeht. Wir prüfen derzeit Agenturen und sind selbst gespannt, was sich daraus entwickelt.
Auel: Bei dem Thema schlagen bei mir zwei Herzen. Einerseits gehört es zur DNA der RWB, ein Asset, das sonst nur für Leute mit sehr viel Geld zu haben ist, in deutlich kleineren Stückelungen und barrierefreier für eine breite Masse zu demokratisieren. Das machen wir bereits mit dem 50-Euro-Ratensparplan. Damit kommen wir aber beim AIF auch an Effizienzgrenzen. Die Tokenisierung würde eine weitere Möglichkeit bieten, das noch kleiner zu stückeln und leichter handelbar zu machen. Bei letzterem stellt sich die Frage, ob das für den Anleger wirklich das Beste ist. Der Token ist sekündlich handelbar und hat als digitales kleines Ding vom Look und Feel einen gewissen spielerischen Charakter, der auch Dinge suggeriert, die eigentlich nicht zum langfristigen gedachten Asset passen.
Welches Ihrer beiden Herzen gewinnt die Überhand?
Auel: Wir schauen uns durchaus an, was für Anleger sinnvoll umsetzbar wäre. Wir planen aber zumindest für die nahe Zukunft keine Produkte im Bereich Token oder Crowdfinancing.
Ein weiteres aktuelles Thema ist Nachhaltigkeit, auch bekannt unter dem englischen Kürzel ESG. Welchen Stellenwert hat das Thema tatsächlich im Vertrieb und bei den Kunden?
Schrobback: Nachhaltigkeit wird eine der treibenden Kräfte in der Immobilienwirtschaft sein und auch bleiben. Der Klimawandel ist das bestimmende Thema unserer Zeit, und wir befinden uns an einem entscheidenden Punkt. Wenn wir jetzt nicht energisch handeln, wird es schwierig und kostspielig sein, sich anzupassen. Besonders in der Projektentwicklung ist das ein Thema geworden, welches nicht mehr wegzudenken ist. Mittlerweile legen vermehrt finanzierende Banken und Kapitalpartner großen Wert auf Environmental, Social and Governance. Welche Materialien werden verbaut, welche Energiequellen, welchen CO2-Footprint hinterlässt man und welche Klimaneutralität erreichen die Objekte, wenn wir sie kernsanieren? Im Bestand wird es für den Ankauf zukünftig immens wichtig. Als Unternehmen wollen wir mit gutem Beispiel vorangehen und streben nach denselben hohen Standards. Wir integrieren Nachhaltigkeit, Diversität und Inklusion in unsere betrieblichen Abläufe. Auch im Vertrieb wird ESG-Konformität immer stärker bespielt. Wir haben unsere Bemühungen um Nachhaltigkeit im gesamten Vertriebsablauf verstärkt. Wir glauben, dass die Berücksichtigung von ESG-Faktoren zu einem konstruktiveren Engagement und zu besser informierten Anlageentscheidungen führt und unseren Käufern hilft, ihre finanziellen Ziele zu erreichen.
Hat sich das jetzt noch verstärkt in den letzten Wochen durch die Energiediskussionen und die Energiepreise? Gerade die energetische Sanierung von Altbauten ist ja ein Riesenthema.
Schrobback: Natürlich. ESG nimmt Projektentwickler zunehmend in die Pflicht. Nachhaltigkeit und Umweltschutz liegen seit einigen Jahren im Trend und haben sich inzwischen auch auf dem Investitionsmarkt fest etabliert. Wir müssen als Projektentwickler nun, neben einer angemessenen Rendite, vermehrt darauf achten, so nachhaltig wie möglich zu investieren und nicht mehr ausschließlich auf mögliche Gewinne zu schauen. Laut Angaben der EU sollen CO2-Emissionen bis 2050 um mindestens 80 Prozent und der Energieverbrauch um bis zu 50 Prozent gesenkt werden. Mit den ESG-Regularien möchte die Europäische Kommission nun auch die Nachhaltigkeit von Immobilieninvestments transparenter gestalten. Somit legen wir als Bauträger und Projektentwickler den Grundstein für nachhaltige Projekte, denn ohne nachhaltige Planung kann auch kein Investor später ESG-konform anlegen. Wir achten daher verstärkt auf Klima- und Umweltschutz, nachhaltigem Einsatz von Wasserressourcen, Verminderung von Umweltverschmutzung durch weniger Abfall, weniger Verbrauch von Energien und fossilen Brennstoffen und Einsatz von recyclebaren Baumaterialien.
Engel: Unsere Regierung weiß noch nicht genau, wie sie mit dem Thema der Bestandsobjekte umgehen soll. Wir setzen uns allerdings mittlerweile tagtäglich mit dem Thema auseinander, da wir sonst die Situation sehen, dass der steuernde Charakter verloren geht. Wir ziehen beim Ankauf von Objekten einen technischen Gutachter hinzu, der uns besonders im Hinblick auf das „E“ von ESG, also Environment, aufzeigt, was kurzfristig in diesem Bereich umsetzbar ist und was eben unter der Berücksichtigung der Klimaschutzziele bis 2050 notwendig sein wird. Im Markt heißt es, eine Immobilie sei nicht weiter als 15 Jahre planbar – folgt man dieser Perspektive, ist die Net-Zero-Immobilie noch lange nicht planbar. Wenn wir zurückblicken, vor 20 Jahren das Internet oder vor 30 Jahren das Handy, das waren Dinge, die für uns teils unvorstellbar waren. In 15 Jahren wird es wahrscheinlich neue Techniken und Ansätze geben, um dieses Ziel auch erreichen zu können. Dennoch ist auch jetzt bereits unser Anspruch, uns auf den Pfad der Klimaneutralität zu begeben. In der Hausverwaltung werden wir künftig mit einer ESG-Umlage arbeiten, analog zur üblichen Instandhaltungsrücklage, damit wir dann auch zukunftsgerecht ausgerichtet sind.
Das machen Sie vorsorglich, gesetzlich sind Sie dazu aber nicht verpflichtet?
Engel: Nein. Wir machen das vorsorglich, auch weil wir fest davon überzeugt sind, dass dies der richtige Weg ist. Wir wollen lieber einer der Ersten sein als einer, der sich darüber zu spät Gedanken macht.
Plant die AS Gruppe in ihren Objekten ebenfalls eine ESG-Umlage?
Schrobback: Nun ja, umlagefähig sind ja insbesondere die Kosten des Hausgeldes, die sich auf die Eigentumswohnung beziehen und unter den mietrechtlichen Begriff der sogenannten „laufenden Betriebskosten“ fallen. Welche Kostenbestandteile das sind, ergibt sich derzeit noch direkt aus dem BGB in Verbindung mit der Betriebskostenverordnung. Hier sehe ich eine zusätzliche ESG-Umlage, die sich gemäß Betriebskostenkatalog auf den Mieter umlegen lässt, eher nicht. Man müsste derzeit noch, freiwillig und vorsorglich, mit dem Eigentümer eine zusätzliche Rücklage, parallel zur normalen Instandhaltungsrücklage, vereinbaren, mit dem Ziel und der Verpflichtung, diese zusätzliche Rücklage nur und ausschließlich für kommende Auflagen zur ESG-Konformität zu nutzen. Daraus resultieren erhöhte Kosten, die die Käufer in Ihrer Liquiditätsplanung berücksichtigen müssen. Derzeit haben wir dahingehend noch keine Überlegungen angestellt. Gleichwohl ist dies sicherlich eine vertretbare Grundsatzüberlegung, um den möglichen zukünftigen Auflagen bereits im Vorfeld entgegenzuwirken und ein entsprechendes Polster anzusparen, speziell für Bestandswohnimmobilien.
Anders als bei den Direktinvestments ist der Vertrieb bei AIFs ab August verpflichtet, Nachhaltigkeitsaspekte in die Beratung einzubeziehen und mit den Präferenzen der Kunden abzugleichen. Dabei geht es unter anderem um die Einstufung als nachhaltig nach Artikel 8 oder Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung. Wie gehen Sie damit um?
Gierig: Das Thema Nachhaltigkeit nehmen wir sehr ernst aus zwei Aspekten heraus. Einmal glaube ich fest daran, dass es die sinnvolle Zukunft ist, und zweitens glaube ich, dass wir in der Immobilienbranche wirklich etwas bewirken können, um die Welt ein Stückchen besser zu machen. Wir können konkret dazu beitragen, dass unsere Immobilien energetisch optimiert werden und damit weniger CO2-Ausstoß produzieren oder in den Bau dringend notwendiger Pflegeheime zu investieren – beides tun wir bereits. Wir haben vor drei Jahren eine ESG-Strategie implementiert, die sich auch in den Produkten wiederfindet. Wir haben als erster Fonds- und Assetmanager die Anlagebedingungen eines Artikel-9-Fonds im Health-Care-Bereich genehmigt bekommen und reichen in Kürze einen Artikel-8-Fonds im Bereich Gewerbeimmobilien ein. Dabei geht es nicht nur um die ökologische Optimierung, sondern auch um die Förderung von sozialen Aspekten im Unternehmen und der Umgang mit unseren Stakeholdern, also den Bereich „Governance“. Auf der Fondsebene haben wir in Bezug auf ESG eine starke Betonung auf das Thema „Sozial“ durch die Investitionsmöglichkeiten in Pflegeimmobilien. Hier bezieht sich Governance auch sehr stark auf unsere Betreiberverträge, also: Wie gehen wir mit den Betreibern um, wie verhandeln wir mit ihnen, wie wird Zufriedenheit gemessen? Das sind vielleicht etwas weichere Faktoren, die uns aber letztendlich auch in die Karten spielen, denn wir wollen ja ein sehr gutes Verhältnis mit den Betreibern. Je besser wir mit ihnen umgehen, desto besser werden sie die Immobilien managen.
Auel: Das Thema Nachhaltigkeit ist ein breites Feld. Für mich handelt derjenige nachhaltig, der sich verantwortungsvoll gegenüber der Umwelt, den Mitarbeitern und den Stakeholdern verhält, die eine Firma oder deren Immobilie im Umfeld betreffen. Als Private-Equity-Investor sind wir da sehr gut aufgestellt. Auch Private-Equity-Fonds sind Limited Partnerships, also geschlossene Fonds. Deshalb müssen wir uns sehr ausführlich mit der Due Diligence eines Assets, einer Unternehmensbeteiligung beschäftigen, weil wir sie eben nicht auf Knopfdruck weiterverkaufen können. Sie gehen daher Themen wie potenzielle Umweltrisiken in einer Produktionsfirma als langfristiger Investor sicherlich extrem sorgfältig und in dem besten Sinne nachhaltiger an. Auch ist Private Equity in Bezug auf Governance sehr stark darin, Anreizstrukturen zu schaffen, die etwa zu einer Mitverantwortung des Managements führen. Das gehört zur DNA von Private Equity. Schwieriger wird es bei der Einsortierung in bürokratisch definierte Kriterien. Bei einem global investierenden Dachfondskonzept haben wir verschiedenen Ebenen und insbesondere die Datenlage bei der tiefsten Ebene ist derzeit noch limitiert. Der Druck seitens der Großinvestoren wächst allerdings, daher tut sich viel auf Ebene der Zielfonds. Noch ist es aber zu früh, einen reinen Nachhaltigkeitsfonds unter den entsprechenden Regeln aufzulegen. Wenn man den Kunden die Funktionsweise von Private Equity erklärt, verstehen sie allerdings, dass es um nachhaltige Entwicklung von Unternehmen geht, wie ich es gerade skizziert habe, auch wenn sich das vielleicht nicht in Artikel 8 oder 9 einsortieren lässt.
Gierig: Es wird von Verifort Capital keinen Fonds mehr geben, der nicht ein Artikel-8- oder -9-Fonds, also ein sogenannter „Impact Fonds“, ist. Die Sachwertebranche kann auch einen großen Beitrag dazu leisten, dass private Gelder in die sogenannte Transformation der Gesellschaft zur Erreichung unserer Nachhaltigkeitsziele investiert werden. Ich denke da nur an die Investitionsmöglichkeiten in Erneuerbare Energien, in energieoptimierte Wohnprojekte oder Pflegeimmobilien. Das Thema ESG und nachhaltige Geldanlagen ist also schon Realität und die Anbieter tun schon einiges. Wir müssen nur die Vertriebe und Privatkunden noch stärker einbinden und Aufklärungsarbeit leisten. Das ist eine kommunikative Aufgabe, die wir durch Schulungen und Veranstaltungen verstärkt umsetzen werden, spätestens, wenn die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz bei Kunden durch die MIFID II ab August 2022 gesetzlich vorgeschrieben wird. Die Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen in der Geldanlage wird in Zukunft ein Verkaufsargument sein. Aktuell spielt das Thema zumindest im freien Vertrieb noch keine so starke Rolle, die Rendite einer Anlage steht hier mehr im Vordergrund. Dass jemand für ein ESG-Thema, weil es teurer ist oder erst investiert werden muss, vielleicht auf ein wenig Rendite verzichtet, sehen wir noch nicht. Ich glaube aber, dass es ein strategisches Thema ist. Es wird immer wichtiger, und es wird auch immer klarer, wie man dies messen und auch reporten kann. Man muss jetzt die Weichen stellen, um in vielleicht drei oder fünf Jahren gut positioniert zu sein. Und spätestens im Exit wird der Investor sich freuen, dass er eine grüne Immobilie verkaufen kann, die wahrscheinlich nachgefragter sein wird von professionellen Investoren, die ja wiederum ihre ESG-Vorgaben haben, in welche Immobilien sie investieren müssen. Ich glaube, dass sich das dann am Ende wirklich in der Rendite auswirkt, wenn man grüne oder ökologisch optimierte Immobilien verkaufen kann. Das ist – wie gesagt – ein strategisches Thema und wird sich auch nicht mehr aufhalten lassen.