Themenwechsel. Kommen wir zum Rentenpaket II. Die taz hat dazu geschrieben: „Hoffnungsträger oder verpasste Chance?“ Wie bewerten Sie den Vorstoß?
Härtl: Wir bewerten den Einstieg in die teilweise Kapitaldeckung bei der gesetzlichen Rentenversicherung positiv. Allerdings muss künftig deutlich mehr Kapital investiert werden, damit diese neue Säule höhere Ausschüttungen generieren kann, die den Rentnern und Rentnerinnen zugutekommt.
Buchholz: Eine verpasste Chance würde ich es nicht nennen. Ich finde es gut, dass man endlich erkannt hat, ein umlagefinanziertes Altersvorsorgesystem funktioniert schlicht und ergreifend nicht. Wenn diese Erkenntnis früher gekommen wäre, wäre es für uns alle vorteilhafter gewesen, aber besser spät als nie. Ich finde es aber falsch, von Zockerkapital zu sprechen, wenn man über das Generationenkapital diskutiert. Denn es ist der richtige Weg, den Deutschen aufzuzeigen, dass an Aktien, an Sachwerten kein Weg vorbeiführt und nur so auch wirklich eine attraktivere Altersvorsorge entstehen kann. Da hat der Staat natürlich eine gewisse Vorbildfunktion. Olaf Scholz mit seiner Aussage: „Die sicherste Anlageform ist das Sparbuch“, hilft da nicht wirklich weiter, um das Positive des Rentenpakets II zu vermitteln. Positiv ist sicherlich auch, dass das Renteneintrittsalter und auch die Rentenhöhe festgeschrieben werden. Negativ ist für mich, dass es einseitig ausfinanziert ist, dass alles auf den Schultern der jungen Generation lastet. Und bis 2039 ist es noch lang, wer weiß, wie dann die Rentensysteme aussehen, wie hoch der Satz noch ist, den ich von meinem letzten Einkommen wirklich als Rente erhalte. Es gibt duchaus noch viele Unsicherheiten, speziell was die Frage der Finanzierbarkeit betrifft. Das heißt, auch künftig wird es eine Riesenchance für die private Altersvorsorge geben, an der man nicht vorbeikommen wird.
Stenger: Ich finde, als Vermittler muss ich nicht mehr diskutieren, ob die Fondspolice das richtige Vehikel ist, denn der Staat macht es in der gesetzlichen Rente jetzt auch. Dieser Baustein ist nichts anderes als eine Fondspolice. Vertrieblich ist das eigentlich ein Elfmeter. Man hätte den Sprung größer machen können im Sinne der Summen, die reinfließen, um einen größeren Effekt zu erzielen. Aber dass überhaupt ein Einstieg gefunden wurde, ist ein enorm wichtiges Signal da es sich durch alle Durchführungsformen zieht. Das sollte man als Common Sense mittragen mittragen.
Nonner: Wichtig ist, dass nicht die Aktie per se als Risiko-Investment betrachtet wird, sondern das Nichtnutzen von Chancen bei Investments in Aktien. Ich habe zum ersten Mal in der öffentlichen Diskussion wahrgenommen, dass auch das Nichterreichen eines Zieles als Risiko betrachtet wird. Das ist neu. Das untersützt hoffentlich den Trend hin zu Aktieninvestments, auch wenn es im Land der Sparer noch ein langer Weg ist. Das Gute ist, dass die junge Generation, die sehr technikaffin ist, spielerisch anfängt, mit Aktieninvestments umzugehen.
Krahnenfeld: Die Rendite nimmt zu und das wird in den Fokus gestellt, was völlig richtig ist. Ich finde, es kann immer mehr sein, aber wir haben eine Dreier-Koalition, und es ist immer schwierig, dort Kompromisse zu finden. Dafür, finde ich, ist das der erste richtige Schritt. Beiträge werden stabilisiert bis 2039. Ich finde auch, dass es ein Umdenken gibt in der Politik, ebenso in der Bevölkerung.
Stenger: Aus Weichmachergründen heißt es jetzt ja auch Generationenkapital, früher Aktienrente, was das chancenorientierte Denken, eigentlich viel mehr auf den Punkt gebracht hat. Aber im Endeffekt ist es der gleiche Muff, nur war es politisch nicht für alle tragbar, als es noch Aktienrente hieß. Das war zu offensiv.
Krahnenfeld: Und dennoch braucht es viel Überzeugungsarbeit, um das neue System in den Köpfen der Menschen zu verankern. Das hat auch etwas mit finanzieller Bildung zu tun, die in Deutschland völlig unterentwickelt ist. Wenn gerade einmal 15 Prozent der Deutschen in Aktien und Aktienfonds investiert sind, dann liegen wir ja europaweit ziemlich weit unten. Das fängt bereits in der Schule an. Es bringt gar nichts, wenn ich alle möglichen Gedichte rezitieren kann, aber nicht weiß, was Rendite oder der Zinseszins-Effekt ist. Da darf man sich nicht wundern, wenn das meiste Geldvermögen nach wie vor in Sichteinlagen fließt. Als Branche müssen wir alle Hebel in Bewegung setzen, um die Finanzbildung zu stärken.
Lehmann: Das Thema finanzielle Bildung in den Schulen werden wir nicht mehr erleben. Da habe ich inzwischen aufgegeben. Wirtschaft und Geld, finden leider kaum statt in unserem Schulsystem. Bis sich Kultusminister auf eine Lehrplanänderung geeinigt haben, gibt es mich sicher nicht mehr.
Nonner: Als meine Tochter in der Mittelstufe war, hatte ich dem Klassenlehrer angeboten, dass ich gerne mal eine Stunde vorbei komme und ein paar grundlegende Dinge zum Thema Geldanlage erklären kann. Seine Antwort: „Nein, das brauchen wir nicht.“ Das war so frustrierend. Und man sieht es bereits bei so einfachen Themen wie Vermögenswirksamen Leistungen. Es ist erschreckend, wie viele Berufstätige diese „geschenkten“ 40 Euro und gegebenenfalls die Steuervergünstigungen nicht nutzen.
Buchholz: Finanzbildung ist tatsächlich ein wichtiger Punkt. Wenn wir gleich noch über die digitale Rentenübersicht sprechen, ist das auch ein Punkt der dazu beitragen kann, sich früher mit dem Thema Altersvorsorge auseinanderzusetzen. Es würde aber auch etwas bringen, andere Anreizsysteme zu schaffen, beispielsweise dass man den Eltern von Neugeborenen ein gewisses Kapital monatlich zur Verfügung stellt, das dann zweckgebunden gespart werden muss und man sieht, über einen längeren Zeithorizont ist das kein Risiko. Das gleicht sich aus, und man hat einfach schon eine positive Erfahrung mit Aktien und mit Sachwerten gemacht, bis man dann selber über Geld verfügen und entscheiden kann. Das wäre, finde ich, auch noch ein Punkt, den man mehr angehen könnte, also die niedrigeren Einkommen mehr über Zuschüsse zu fördern, eigentlich ähnlich, wie man es im Riester-System auch hatte, und die höheren Einkommen über Steuerersparnisse.
Stenger: Das ist ein Punkt, bei dem wir auch noch viel Schmerzen erleben werden, denn die Ansparphase, ist immer irgendwie gleich. Zwischen 30 und 40 fängt man irgendwann an. Hinten raus wird es aber immer länger. Die zwei Blöcke, die nähern sich in Zeitausdehnung quasi an. Jetzt brauche ich nicht Mathe studiert zu haben, um zu wissen, dann wird es schwierig. Also muss ich eben wieder früher anfangen, mehr reintun oder hinten später rangehen. Das sind die drei Schrauben, die ich habe. Und als Vermittler muss ich ja nur die drei Schrauben ins Verständnis bringen und sagen: „Wie willst du damit jetzt umgehen, lieber Kunde? Handelst du mit 50/500 so weiter oder mit 40/400 oder mit 5/50? Die Zeit, die du hast, bleibt immer die gleiche, es bleibt nur die Frage, wann fängst du an. Und dann rechne ich so viel in der Aktienrendite oder mit einer etwas geminderten Multi-Asset-Rendite, sodass sich erkennen lässt, was realistische Weiose zu schaffen ist. Genau an dem Scheidepunkt sind wir jetzt. Wir werden erleben, dass Menschen länger arbeiten, weil sie sich die Rente noch nicht leisten können. Die Hinzuverdienstgrenzen werden abgeschafft. Also kann man munter weiterarbeiten. Man muss nicht mit 67 Jahren aufhören.
Krahnenfeld: Dabei kann es so einfach sein, vorzusorgen. Der BVI hat einmal für die 250 Euro Kindergeld dargestellt. Wenn diese Summe monatlich von Beginn an bis 67 angelegt würde, dann müssten wir über Altersarmut gar nicht mehr diskutieren.
Die Deutschen haben jahrelang gehört, sie müssen kapialmarktoritiert anlegen, möglichst am Aktienmarkt. Das Generationenkapital tut genau das. Wie soll denn der Vertrieb reagieren, wenn die Kunden sagen: „Ich bin doch jetzt schon in Aktien investiert, warum soll ich privat noch mehr tun?“
Stenger: Gute Frage. Wir waren zusammen auf Roadshow und haben den Vermittlern genau diese Gemengelage am Flip Chart erklärt. Das Generationenkapital ist weder eine eigene Rente noch eine höhere Rente, noch eine zusätzliche Rente. Es erreicht lediglich, dass der Beitragssatz stabil bleibt und die Rentenhöhe auf einem Niveau von 48 Prozent gehalten wird. Mehr nicht.
Krahnenfeld: Das ist ja der springende Punkt: Die Aktienrente ist eben nicht das schwedischen Modell, sondern das Generationenkapital dient ausschließlich zur Stabilisierung der Beiträge und ich bin als Beitragszahler in keinster Weise in Aktien investiert.
Buchholz: Genau, es geht ja darum, das Rentenniveau von 48 Prozent zu halten und das auch nur bis in die Vierziger. Davon profitieren die jüngeren Menschen ohnehin nicht mehr. Das müsste eigentlich jedem klar sein, dass es keine Alternative ist oder mich nicht retten wird, sondern ich trotzdem privat vorsorgen muss.