Nach dem Scheitern der Aktienrente hat das Bundeskabinett im Mai dieses Jahres das „Rentenpaket II“ beschlossen, das noch vom Bundestag bestätigt werden muss. Kernpunkte dieses Gesetzentwurfs sind die Absicherung des Rentenniveaus und der Aufbau eines Generationenkapitals. Das gegenwärtige gesetzliche Rentenniveau liegt bei etwa 48 Prozent, was im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich ist. Vorne im Ranking: Dänemark mit 80 Prozent, gefolgt von Luxemburg (76,6 Prozent), Portugal (74,9 Prozent), Italien (74,6 Prozent) und Österreich (74,1 Prozent). Für Frankreich liegt der Wert übrigens bei 60,2 Prozent – und das bei einem deutlich früheren Renteneintritt von 62 bis 64 Jahren.
Die deutsche Regierung will also nun zumindest die Haltelinie langfristig bis zum 1. Juli 2039 in der Rentenanpassungsformel gesetzlich verankern. Im Jahr 2035 prüft die Bundesregierung den Stand und erarbeitet bei Bedarf neue Vorschläge, um das Rentenniveau auch über 2040 hinaus bei 48 Prozent zu halten.
Klingt erst mal gut, zumindest für die in Rente gehende Boomer-Generation. Weniger gut ist diese Nachricht aber für jüngere Arbeitnehmer, die sich auf explodierende Beitragssätze einstellen müssen. Der aktuelle Satz liegt bei 18,6 Prozent. Experten erwarten Erhöhungen der Sätze bis 22 Prozent oder mehr. Hinzu kommt, dass die tatsächliche Standardrente später ohnehin nur bei 39 Prozent des letzten Lohnes liegt. Wobei es ein starkes West-Ost Gefälle gibt, teilweise findet man hier Unterschiede von 10 Prozent. Wer also sein Leben lang gearbeitet hat, wird nur aufgrund der gesetzlichen Rente seinen Lebensstandard keinesfalls halten können.
Die immer größer werdende Rentenlücke für den Bürger soll nun endlich durch die Öffnung des Kapitalmarktes in der Altersvorsorge ausgeglichen werden. Der erste Schritt war die Idee einer Aktienrente, die als Element der gesetzlichen Rente Teilbeträge am Kapitalmarkt anlegt und über längere Zeit Gewinne für die Einzahler erwirtschaftet. Die Schweden beispielsweise haben das gut gelöst, indem sie innerhalb der gesetzlichen Rente weitere 2,5 Prozent der Beiträge in individuelle Konten leiten. Die Schweden können das Geld dann entweder selbst verwalten, oder über Experten verwalten lassen. Dieses System betreibt der skandinavische Staat seit über 20 Jahren sehr erfolgreich.
Starke Belastungen für die Bürger
Doch leider gab es für diesen Vorschlag der FDP keine Mehrheit in der Koalition und stattdessen einigte man sich nun auf das Generationenkapital, das über einen staatlich verwalteten Fonds langfristig über Wertpapiere ein Vermögen aufbauen soll. Die Gewinne sollen ab 2035 als Dämpfungsmaßnahme die Zuschüsse des Bundes zur Rentenkasse mindern. Im Jahr 2023 zahlte der Bund 113 Milliarden Euro an die Deutsche Rentenversicherung. Das belastet alle Bürger und besonders jene, die davon entweder nicht profitieren, oder bereits ihre Rentenbeiträge geleistet haben.
Bleibt es allein bei den gegenwärtigen Plänen des Rentenpakets II, werden wir eine spürbare Abwanderung aus der gesetzlichen Rente erleben. Das kann sogar einige Bürger zum Auswandern bewegen. Der Staat könnte versuchen, die Zahl der Renteneinzahler zu erhöhen und beispielsweise Selbstständige und Beamte mitzuverpflichten. Das würde große Verwerfungen in unserer Gesellschaft auslösen. Gleichzeitig wird der Wirtschaftsstandort weiter geschädigt, denn qualifizierte Kräfte aus dem Ausland werden sich das Rentensystem genau anschauen und sehen, dass sie eigentlich nur als Finanzierer der deutschen Rentnerblase dienen werden. Daher muss unbedingt ein Weg gefunden werde, die private Vorsorge stabil und sicher aufzustellen.
Jahrelanges Verschieben eines drängenden Problems
Diesem Problem stellt sich nun wiederum das von der FDP geführte Bundesfinanzministerium. Sie schlägt die Einführung eines staatlich gefördert Altersvorsorgedepots vor, hatte das bereits im Koalitionsvertrag festgelegt. Dazu sagte Dr. Florian Toncar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: „Angesichts des demografischen Wandels müssen wir kapitalgedeckte Instrumente in der Rente dringend ausbauen. Daher ist es wichtig, auch bei der privaten Altersvorsorge zu Verbesserungen zu kommen.“ Nach Jahren des Verschiebens eines drängenden Problems, kommt bei der Politik endlich Fahrt in die private Altersvorsorge. Nur der Ausbau und die gezielte steuerliche Förderung des eigenen Vermögensaufbaus kann die Lücken der gesetzlichen Rente schließen helfen.
Nach den schlechten Erfahrungen bei der Riester-Rente, bei der umfangreiche Garantien und Versicherungslösungen die Rendite aufgefressen haben, will man nun einen anderen Weg gehen. Ähnlich wie beim amerikanischen 401k-Modell, sollen individuelle Sparkonten die Mischung von Aktien, Anleihen und günstigen ETFs erlauben. Auch soll der Wechsel von einer Anlageform in eine andere ohne Probleme möglich sein. Das Depot soll außerdem auch von Lebensversicherern im Rahmen von Fondspolicen ohne Garantie und mit Verrentungsoption angeboten werden können – die Sparbeiträge und die erhaltenen Zulagen können analog zu Riester-Verträgen in der Ansparphase von der Steuer abgesetzt werden, so verkündete es Toncar.
Einige Fragen noch offen
Einige Fragen zum Altersvorsorgedepot sind zwar noch offen, so etwa die Frage nach der Höhe der staatlichen Zuschüsse oder der Höchstgrenzen für eine steuerfreie Einzahlung. Sicher ist nur, dass es eine nachgelagerte Besteuerung geben wird. Das ist auch in den USA der Fall. Der Vorteil: man konnte über viele Jahre mit unversteuertem Geld, das dazu das zu versteuernde Bruttoeinkommen vermindert, am Kapitalmarkt Vermögen aufbauen. Der Gesetzentwurf zum Altersvorsorgedepot wurde im Bundestag aber noch nicht diskutiert – er soll laut Finanzminister Christian Lindner im September detailliert vorgestellt werden. Das wäre ein echter Paradigmenwechsel in der deutschen Altersvorsorge – und ein Schritt zur Stärkung der Aktienkultur bei uns.
Robert Peres ist Rechtsanwalt mit Sitz in Berlin und Wiesbaden sowie Vorsitzender der Initiative Minderheitsaktionäre, die sich für die Stärkung der Aktionärsrechte in Deutschland einsetzt.