Ampel oder Good Vibes?

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Michael Beck vom Bankhaus Ellwanger & Geiger kommentiert den Ausgang der Bundestagswahl und leitet daraus die Folgen für die Kapitalmärkte ab.

Die Wählerinnen und Wähler haben gesprochen oder besser gesagt, ihre Kreuzchen an den Wahlzetteln angebracht. Die meisten in geheimer Wahl, manch öffentliche Person, wie der stark zerzauste CDU-Chef Laschet auch für Pressefotos mehr oder weniger öffentlich. Ein Abschluss, der wie viele andere Beispiele für einen völlig missglückten Wahlkampf steht. Der SPD-Chef Scholz nutzte die Fehler seiner beiden Kontrahenten Baerbock und Laschet und fuhr einen vor wenigen Wochen nicht für möglich gehaltenen Wahlsieg ein. Und wie lautet nun die wichtigste Botschaft des Wahlabends? Erleichterung für die Aktien- und Finanzmärkte! Denn mit jedem Prozentpunkt, den Olaf Scholz mit seinen Persönlichkeitswerten seine Partei im Wählerranking nach oben zog, wurden die Sorgenfalten auf den Investorenstirnen immer steiler und tiefer.

Doch das Börsianer-Schreckgespenst einer überaus linksgerichteten Rot-Grün-Rot-Regierung hat keine Mehrheit erreicht. Die erste Reaktion des Aktienmarktes mit veritablen Kursgewinnen am Montagmorgen verdeutlichte die Erleichterung. Da die Bildung einer erneuten großen Koalition sehr unwahrscheinlich ist und weder von der CDU noch der SPD angestrebt werden wird, kommen nun Koalitionsmodelle ins Blickfeld, die in einzelnen Bundesländern bereits erprobt sind. In der der Wirtschaft und den Finanzmärkten dürfte die Präferenz klar auf einer „Jamaika“-Koalition á la Schleswig-Holstein, gebildet aus CDU, Grünen und FDP liegen. Der SPD-Chef Olaf Scholz leitet aus seinem knappen Wahlsieg den Anspruch auf die Führung in einer Regierungsbildung ab, die wohl eher in einer sogenannten Ampel-Koalition, gebildet aus SPD, Grünen und der FDP münden könnte.

Doch zeigte die SPD selbst in Bremen, wie man als krachender Wahlverlierer den Wahlsieger ins Abseits stellen kann. Mit einer Rot-Rot-Grünen Koalition konnte die SPD den Bürgermeisterstuhl trotz klarer Wahlniederlage erobern und den CDU-Wahlsieger überrunden. Da bei dieser Bundestagswahl ca. 75% aller Wähler weder Olaf Scholz noch Armin Laschet das alleinige Vertrauen für die Regierungstätigkeit ausgesprochen haben, bedarf es nun erstmals einer Dreier-Koalition, die unabhängig von der Parteien-Platzierung bei dieser Wahl besprochen werden wird. Im Gegensatz zu vielen Ländern, in denen Populisten die Parteien-Landschaft aufmischen, ist es in Deutschland möglich, aus vier seriösen, demokratischen Parteien eine stabile Regierung zu schmieden.

Dies wird den Finanzmärkten Sicherheit geben. Die anstehenden Gespräche werden nicht einfach werden, haben aber guten Aussichten auf Erfolg. Die deutschen und europäischen Aktienmärkte atmen auf und werden zunächst die weitere Entwicklung ruhig beobachten. 

Erst wenn es sich abzeichnen sollte, dass die Gespräche Gefahr laufen, in Sackgassen zu geraten und die abdankende Bundeskanzlerin ihre 17. Neujahrsansprache halten muss, könnte es zu größeren Unsicherheiten kommen. Bis dahin ist allerdings ein großer rot-rot-grüner Bremsklotz für die Jahresendrally auf die Seite gestellt.  

Autor Michael Beck ist Leiter Asset Management beim Bankhaus Ellwanger & Geiger.            

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