Der Goldpreis ist seit Herbst 2023 über eine Reihe von Spikes hinweg um etwa 30 %[1] gestiegen. Für einige der Spitzenwerte gab es keine eindeutige Erklärung, sondern eher das Zusammentreffen verschiedener Faktoren. Der Anstieg des Goldpreises könnte so zugleich eine neue Phase des Wirtschaftszyklus ankündigen.
Unsicherheit in der nächsten Phase des Konjunkturzyklus
Derzeit beschäftigt die Märkte die Frage, wann die Zentralbanken die Zinsen senken werden. Man preist eine gewisse Verzögerung der geldpolitischen Lockerung ein und erwartet im Übrigen eine Rückkehr zur „alten Normalität“. Wir sind anderer Ansicht. Die Verhältnisse könnten sich ändern:
Die Zinssätze werden bei knapper werdender Liquidität deutlich über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre bleiben. Die Zentralbanken werden zukünftig bei steigender Inflation wahrscheinlich noch zurückhaltender sein. Das globale Wachstum wiederum hat sich als unerwartet widerstandsfähig gegenüber steigenden Zinsen gezeigt. Das Ausbleiben weit verbreiteter wirtschaftlicher Verwerfungen deutet aber darauf hin, dass es einer „Recovering-Phase“ an Impulsen fehlen könnte. China muss seine Überkapazitäten bewältigen, weshalb sein Beitrag zum globalen Wachstum also abnehmen wird.
Generell wird zudem das globale Ressourcenangebot zu einem immer größeren Problem werden. Auch die durch die Pandemie hervorgerufenen Veränderungen auf den Arbeitsmärkten und im Konsumverhalten werden zu Unsicherheiten bei Wirtschaftsprognosen sowie zu einer Umschichtung von Krediten aus dem privaten Sektor in die Staatsbilanzen führen. Und ein weiterer Aspekt: Die Konjunkturzyklen könnten künftig kürzer ausfallen, vermutlich 3-5 statt wie bisher 7-10 Jahre. Der Grund hierfür wären aufwendigere Handels- und Lieferketten, volatilere Lagerbestände, eine häufig wechselnde Nachfrage und schnellere Informations- und Kapitalflüsse.
Gold in Zeiten steigender geopolitischer Risiken
Die sich verschärfende Rivalität zwischen den USA und China, eine unkoordinierte Reaktion auf globale Probleme, der abnehmende Einfluss des westlichen Modells, mehr Protektionismus und regionale Blockbildung und schließlich der Kampf um die Sicherung der Versorgung mit Basisressourcen sind bekannte geopolitische Faktoren. Darüber hinaus erodiert in immer mehr Ländern die innenpolitische Stabilität durch eine unhaltbare Verteilung des Wohlstands, die zu einer zunehmenden politischen Fragmentierung und einer Schwächung des Sozialpakts in den westlichen Demokratien führt. Auch das ungewisse mittelfristige Gleichgewicht zwischen inflationärem Druck und deflationären Einflüssen – etwa durch die von der künstlichen Intelligenz angetriebene Produktivität und das unterdurchschnittliche Wirtschaftswachstum – erfordert Absicherungen.
Angesichts einer gemäß Bloomberg weltweiten Verschuldung von über 300 Bio. USD und dem 3,3-fachen des weltweiten BIP ist der jüngste Ansturm auf Gold und Kryptowährungen auch eine Flucht vor dem Risiko der Geldentwertung und nicht allzu überraschend. Wir rechnen allerdings nicht mit einem bevorstehenden Kollaps. Darüber hinaus unterstützen das schwindende Vertrauen in Fiat-Währungen und die wachsende Abneigung gegen den Dollar den Goldpreis. Insbesondere Länder, die als Gegner der USA gelten, horten Gold. Die kürzlich angekündigten Versuche der USA, 2022 eingefrorene russische Vermögenswerte in Höhe von 285 Mrd. USD zu beschlagnahmen, haben wahrscheinlich zum aktuellen Wertzuwachs bei Gold und Bitcoin beigetragen.
5 bis 10 Prozent Gold ins Portfolio – 5 Argumente
- Gold ist ein liquider Markt mit geringerem Ausfallrisiko. Neben dem Kauf von Goldbarren oder Münzen können Anleger auch börsengehandelte Goldprodukte oder Goldzertifikate erwerben oder sich über Derivate und Aktien von Goldminenunternehmen engagieren.
- Gold bietet eine attraktive Möglichkeit zur Diversifizierung, wenn die Korrelation zwischen Aktien- und Anleiherenditen wahrscheinlich allmählich neutral werden wird. Investoren werden sich daher mit einer größeren Bandbreite an Instrumenten beschäftigen müssen, einschließlich Relative-Value-Arbitrage, Hedge-Fonds-Alpha, taktischem Handel und eben Gold. Die alternativen sicheren Häfen, wie der US-Dollar und teils auch der Schweizer Franken, zählen zu den zunehmend unbeliebten Fiat-Währungen. Andere Absicherungen haben ihre Tücken: Der Fokus auf Optionen und Volatilität sind kurzfristige Strategien, Sachwerte illiquide, Kryptowährungen zu unausgereift.
- Gold gewährt Schutz vor einem breiten Spektrum an Risiken, unabhängig von deren Art, dem geografischen Standort oder dem Zeitpunkt: ein angenehmer Ersatz für komplexe, maßgeschneiderte Absicherungsstrategien.
- Gold ist aber eben nicht lediglich eine Absicherung, sondern auch eine Investition. Die inflationsbereinigten Goldpreise sind noch weit von ihren früheren Höchstständen entfernt. Alles in allem hat Gold unseres Erachtens weiteres Aufwärtspotenzial. Unsere Fair-Value-Modelle bei Amundi deuten ungefähre Werte von 2.300 USD/Unze in den nächsten Monaten und mittelfristig 2.500 USD/Unze an.
- Gold kann in einer Zeit, in der ihren Anleiheanteil erhöhen, das daraus resultierende höhere Engagement in Fiat-Währungen begrenzen. Gold ist auch für Nicht-Dollar-Portfolios besonders attraktiv, da es verhindert, dass die Goldrenditen durch einen steigenden Dollar aufgewogen werden.
Angesichts all dieser Vorteile verdient Gold unserer Meinung nach eine Allokation von 5 – 10 Prozent innerhalb eines global diversifizierten Portfolios.
Die Autoren: Vincent Mortier, Group Chief Investment Officer bei Amundi, und Jean-Baptiste Berthon,Senior Cross Asset Strategist, Amundi Investment Institute.
Quelleninformationen und weitere Angaben finden Sie im aktuellen Themes at a glance sowie im Amundi Research Center.
[1] Stand 12.04.2024 Veröffentlichungsdatum des Researchs