Amundi: Investoren zwischen Standort-, Geld- und Geopolitik

Christian Pellis
Foto: Alexander von Spreti
Christian Pellis, CEO von Amundi Deutschland: "Zahlreiche geopolitische Risiken, die US-Wahl und die Ungewissheit über Zinssenkungen in Europa und den USA machen eine Asset-Allokation notwendig, die sich auch kurzfristig auf veränderte Rahmenbedingungen einstellen kann."

Während die Bürokratie die größte Herausforderung für den Standort Deutschland ist, ist das größte geopolitische Risiko 2024 laut Investoren ein Wahlsieg Donald Trumps. Das sind zwei Ergebnisse der Amundi Outlook Investmentkonferenz 2024.

Steigende Energiepreise, geopolitische Spannungen und die demografische Entwicklung bedrohen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Aus dem Umbruch können sich jedoch auch neue Schlüsselbranchen entwickeln. Wie sich der dazu nötige Strukturwandel gestaltet und welchen Beitrag die Wirtschaftspolitik leisten muss, wurde auf der Amundi Outlook Investment Konferenz unter der Fragestellung: „Deutsche Wirtschaft – Wie gelingt der Wandel?“ diskutiert.

„Welche drei Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft sollten wir am dringendsten angehen?“[1] lautete daher eine Frage an die rund 1.600 Kundinnen und Kunden von Amundi aus den Bereichen institutionelle Investoren, professionelle Vermögensverwalter und Finanzberatung, die an der virtuellen Konferenz teilnahmen.

Aus der Investorenperspektive ergibt sich ein klares Stimmungsbild: Für 78% steht die Notwendigkeit, Bürokratie abzubauen und die Digitalisierung voranzutreiben, ganz oben auf der Liste. Weitere 63% sehen wettbewerbsfähige Energiepreise als einen zentralen Wachstumsfaktor für die deutsche Wirtschaft, gefolgt von verbesserten Rahmenbedingungen für Investitionen (51%). Vergleichsweise weniger kritisch erscheinen dagegen Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel (44%) und eine Verbesserung der Infrastruktur im Land (38%). Nur 12% der Befragten sind der Meinung, dass Deutschland sich gegenüber den USA und China selbstbewusster positionieren sollte.

Prof. Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, plädierte in seinem Vortrag für eine neue Angebotspolitik, um Investitionen zu steigern und Wachstumspotenziale auszuschöpfen. Hinsichtlich der Staatsfinanzen zähle dazu eine Umschichtung der Ausgaben mit neuen Prioritäten auf den Bereichen Verteidigung, Infrastruktur und Bildung sowie der Abbau von Subventionen – denn die Erfahrung zeige, dass staatliche Zuschüsse keine Wettbewerbsvorteile erzwingen können. Fuest sprach sich zudem für die Beibehaltung der Schuldenbremse aus, allerdings mit der Möglichkeit, wichtige Investitionen umzusetzen. Digitalisierung, Dekarbonisierung und Modernisierung der Infrastruktur dürften nicht dem Spardruck zum Opfer fallen. Die deutsche Politik habe Möglichkeiten, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und die Stärken der deutschen Wirtschaft mittel- bis langfristig zu unterstützen – sie müsse diese nur einsetzen.

Als weiteres großes Thema wurden die geopolitischen Rahmenbedingungen mit Anna Rosenberg, Head of Geopolitics beim Amundi Investment Institute, diskutiert. Im Fokus stand das Spannungsfeld, in dem sich Deutschland aktuell befindet und der Einfluss der aktuellen Veränderungen auf die Anlageentscheidungen von Investoren. Für eine deutliche Mehrheit der Konferenzteilnehmer ist die US-Präsidentschaftswahl im November – beziehungsweise die Möglichkeit eines Wahlsiegs von Donald Trump – das größte politische Risiko in diesem Jahr[2]: 63% bejahen dies. Ebenfalls mehr als die Hälfte der Anleger (54%) fürchtet eine Eskalation des Konflikts zwischen China und Taiwan – möglicherweise auch unter dem Eindruck der Wahlen in Taiwan, die gerade der China-kritische Lai Ching-te gewann. Als etwa gleichrangige Risiken nehmen die Befragten eine Eskalation des Russland-Ukraine-Kriegs (45%) wahr, eine Verschlechterung der USA-China-Beziehungen (45%) und eine Eskalation im Nahen Osten (43%). Bemerkenswert: Nur 25% der Anleger zählen einen möglichen Rechtsruck in Europa zu den größten Risiken 2024.

Zu den aktuell spannendsten Fragen aus Anlegersicht gehört der Zeitpunkt, an dem die Europäische Zentralbank die Leitzinsen wieder senken wird. Die Konferenzteilnehmer erwarten dies mit einer deutlichen Mehrheit von 71% im zweiten Halbjahr 2024. Erste Zinsschritte im ersten Halbjahr oder erst nach 2024 halten dagegen nur 19% bzw. 10% für wahrscheinlich. Diese Sicht widerspricht dem Marktkonsens, der bislang von einer ersten Zinssenkung der EZB im April ausgeht. Thomas Kruse, CIO von Amundi Deutschland, hält dagegen einen ersten Zinsschritt von 25 Basispunkten im Juni für das wahrscheinlichere Szenario. Dafür spreche die strukturell schwache Konjunktur und Exportabhängigkeit der EU-Länder, die mit niedrigeren Zinsen unterstützt werden dürften.

Christian Pellis, CEO von Amundi Deutschland, resümiert: „In politisch und wirtschaftlich stürmischen Zeiten wird das Umfeld auch für Anlegerinnen und Anleger schwieriger. Zahlreiche geopolitische Risiken, die US-Wahl und die Ungewissheit über Zinssenkungen in Europa und den USA machen eine Asset-Allokation notwendig, die sich auch kurzfristig auf veränderte Rahmenbedingungen einstellen kann. Während unsere Experten aktuell eine Übergewichtung der Rentenmärkte favorisieren, könnten Aktien in der zweiten Jahreshälfte wieder attraktiver werden. Ziel ist stets ein stabiles Portfolio, das jederzeit Opportunitäten nutzen kann – denn auch wenn wir aktuell ein herausforderndes Umfeld haben, gibt es auch immer gute Investmentchancen.“


[1] Bei dieser Frage waren bis zu drei Angaben möglich.

[2] Bei dieser Frage waren bis zu drei Angaben möglich.

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