Nach wochenlangen Spekulationen ist der Euro jetzt tatsächlich zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten auf Parität zum US-Dollar gefallen. Bei Ebury sind wir der Ansicht, dass die verstärkten Rezessionsängste weitgehend für den jüngsten Ausverkauf verantwortlich sind. Die Märkte flüchten in den sicheren US-Dollar, weil sie befürchten, dass der starke Anstieg der weltweiten Inflation das globale Wachstum in der zweiten Jahreshälfte 2022 belasten wird. Die Wachstumssorgen waren im Euroraum besonders akut, nachdem anhaltende Probleme mit russischen Energielieferungen einen weiteren starken Anstieg der europäischen Erdgaspreise ausgelöst hatten. Sie haben sich seit Mitte Juni mehr als verdoppelt. Die Europäische Zentralbank ihrerseits ist bei der Anhebung der Zinssätze weit hinter vielen ihrer wichtigsten Amtskollegen, insbesondere der Federal Reserve, zurückgeblieben. Das hat unserer Meinung nach der Gemeinschaftswährung alles andere als geholfen.
Bewegungen unter Parität nicht auszuschließen
Angesichts des zunehmenden Risikos einer weltweiten Konjunkturabschwächung haben wir unsere Prognosen für den US-Dollar kürzlich nach oben korrigiert, obwohl wir nach wie vor der Meinung sind, dass der künftige Kurs von Euro zu US-Dollar einem Aufwärts-Trend folgen wird. Grundsätzlich halten wir die Sorgen um eine weltweite Rezession für übertrieben. Wir sind der Ansicht, dass die starken Arbeitsmärkte, die hohen Ersparnisüberschüsse, die sich während der Pandemie angesammelt haben, und gezielte Steuerprogramme die Verbraucherausgaben stützen und technische Rezessionen in den meisten Fällen abwenden dürften. Solange die Gaspreise auf beiden Seiten des Atlantiks so unterschiedlich bleiben, werden Anleger den Dollar wahrscheinlich weiterhin bevorzugen, sodass weitere Bewegungen unter Parität nicht ausgeschlossen werden können. Ein Worst-Case-Szenario, bei dem Russland die Gaslieferungen nach Europa vollständig einstellt, würde unserer Ansicht nach ein erhebliches Abwärtsrisiko für das Euro-Dollar-Verhältnis darstellen.
EZB aggressiver, Fed defensiver als erwartet?
Es wird interessant sein zu sehen, wie die Europäische Zentralbank auf die jüngste Abwertung des Euro reagiert. Ein schwächerer Euro wirkt sich auf die Inflation aus, so dass sich die politischen Entscheidungsträger dafür entscheiden könnten, die Zinssätze aggressiver als erwartet anzuheben, um die Währung zu stützen – vorausgesetzt, sie können die Märkte davon überzeugen, dass ihr neues Anti-Fragmentierungsinstrument tatsächlich funktioniert. Umgekehrt glauben wir, dass die jüngsten Anzeichen einer Stabilisierung der US-Kerninflation die Fed dazu bewegen könnten, die Zinsen in der zweiten Jahreshälfte weniger aggressiv anzuheben als von den Märkten erwartet – ein weiterer potenzieller Pluspunkt für das Euro-US-Dollar-Verhältnis.
Matthew Ryan, Head of Market Strategy bei Ebury, bietet eine Analyse der Situation für die Währungsmärkte. Als Fintech für internationalen Zahlungsverkehr und Währungsmanagement haben Eburys Experten Entwicklungen wie die des Euro-Kurses kontinuierlich im Blick.