EXKLUSIV

Nachhaltigkeit in der Altersvorsorge: „Weg von Ideologie – hin zur Ökonomie“

Andreas Kick ist Prokurist und Partner bei Institut für Vorsorge und Finanzplanung
Foto: IVFP
Andreas Kick: "Die Umsetzung in der Vertriebspraxis bringt noch immer Herausforderungen mit sich."

Nachhaltige Geldanlagen wurden lange zu ideologisch diskutiert – dabei geriet ihr ökonomischer Nutzen oft in den Hintergrund. Doch sie bieten Chancen für Altersvorsorge und Beratung in einem dynamischen Markt. Von Andreas Kick.

Die Diskussion über nachhaltige Geldanlagen wurde leider in der Vergangenheit oft zu ideologisch, emotional und moralisch geführt. Das hatte unter anderem zur Folge, dass der ökonomische Nutzen nachhaltiger Investments vielfach in den Hintergrund geriet. Dabei bieten diese Anlagen nicht nur eine Chance die eigene Altersvorsorge zu stärken, sondern auch neue Möglichkeiten für Beraterinnen und
Berater, sich als Experten in einem dynamischen Markt zu positionieren.


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Nachdem in der Vergangenheit häufig der Eindruck entstand, dass Nachhaltigkeit und ökonomische Interessen sich widersprechen, zeigt sich heute, dass beide Bereiche keineswegs im Widerspruch zueinanderstehen. Im Gegenteil, Nachhaltigkeit hat sich zunehmend als wirtschaftlicher Treiber erwiesen, der nicht nur neue Möglichkeiten für Transformation, sondern auch für attraktive Renditen bietet. Es ist daher an der Zeit, Nachhaltigkeit und Ökonomie als Kräfte zu verstehen, die sich gegenseitig verstärken.

Diskussion über vertriebliche Mehrwerte überschattet

Die Verunsicherung im Markt hinsichtlich des korrekten Umgangs mit der Regulatorik hat auch jegliche Diskussion über vertriebliche Mehrwerte überschattet. Dabei wissen wir aus der Forschung, dass nachhaltig investierende Kunden auch treuer sind. Treu bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Investitionen auch dann aufrechterhalten werden, wenn es mal nicht so läuft. Die Stornoquote ist entsprechend niedriger, als bei vergleichbaren konventionellen Anlagen. Darüber hinaus gibt es Anzeichen, dass solche Kunden im Durchschnitt höhere Beiträge aufbringen. Beides kann mit einer emotionalen Bindung zum Finanzprodukt erklärt werden, welche durch die thematische Schwerpunktsetzung Nachhaltigkeit erreicht wird.

Um das zu erreichen, bedarf es einer Kommunikation, die Kunden auch auf der emotionalen Ebene abholt. Das schafft man nicht mit irgendwelchen Mindestanteilen, sondern mit konkreten Beispielen, wie das investierte Geld einerseits Renditen erwirtschaftet und andererseits zur nachhaltigen Ausrichtung des Finanzprodukts beiträgt. Gerade bei Sachinvestitionen wie in Windparks oder Speichertechnologien, als Beimischung zu einer gut diversifizierten (ggf. ausschlussbasierten) Geldanlage, ist das besonders gut zu vermitteln. Auch bei Investitionen die sich der sozialen Nachhaltigkeit verschrieben haben, gibt es Beispiele bei denen ein Teil der Verwaltungsvergütung direkt in soziale Projekte fließt. Diese werden auf den jeweiligen Homepages der Anbieter auch ausführlich porträtiert. Das Ziel dabei besteht stets darin, das Thema Nachhaltigkeit (be)greifbar zu machen.

Fokus auf langfristig tragfähige Gewinne

Gerade im Bereich der langfristigen Geldanlage, insbesondere in der Altersvorsorge, wird deutlich, wie wichtig es ist, auf Unternehmen zu setzen, deren Geschäftsmodelle nicht nur kurzfristige Gewinne versprechen, sondern auch langfristig tragfähig sind. Denn nur durch eine zukunftsfähige Ausrichtung können nachhaltige Anlagen ihre vollen ökonomischen Vorteile entfalten. Firmen, die durch exzessive Treibhausgasemissionen, fragwürdige Arbeitsbedingungen oder unethische Geschäftspraktiken auffallen, gefährden ihre Zukunftsfähigkeit und somit die Rendite ihrer Investoren. Der bekannte Star-Investor Warren Buffett empfiehlt in diesem Zusammenhang, Aktien nur dann zu erwerben, wenn man bereit ist, sie mindestens zehn Jahre zu halten – andernfalls solle man sie nicht einmal für zehn Minuten besitzen.

Dieses Prinzip verdeutlicht, wie wichtig eine klare Zukunftsperspektive für die Auswahl von Investitionen ist. Dass nachhaltige Geldanlagen nicht zwangsläufig mit geringeren Renditen verbunden sind – ein weit verbreiteter Irrglaube, der sich nach wie vor hartnäckig hält – zeigt ein Vergleich der letzten 20 Jahre: Die nachhaltige Variante des MSCI World, der MSCI World SRI, hat in diesem Zeitraum höhere Renditen erzielt als das Original. Dies verdeutlicht, dass langfristige Investments in tragfähige Geschäftsmodelle nicht nur Risiken minimieren, sondern auch die Renditechancen erhöhen können.
Trotz der klaren ökonomischen Vorteile nachhaltiger Geldanlagen zeigt sich, dass die Umsetzung in der Vertriebspraxis noch immer Herausforderungen mit sich bringt.

Regultorik verwirrt

Ein zentraler Aspekt ist die regulatorische Komplexität, die oft zu Verwirrung und Widerständen führt. Der Versuch, mit umfangreichen Anforderungen den Markt in Richtung einer emissionsarmen Entwicklung zu lenken, ist an der unübersichtlichen und komplexen Umsetzung gescheitert. In Brüssel hat man das mittlerweile ebenfalls erkannt und auch die BaFin denkt laut darüber nach, wie das einfacher und wirksamer umgesetzt werden kann. Der professionellen Finanzberatung kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu, daher ist es das Gebot der Stunde diese bei einer regulatorischen Neuauflage mit einzubeziehen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass Nachhaltigkeit mit einer gewissen Komplexität einhergeht. Daher kommt auch ESG-Rating-anbietern eine besondere Rolle zu, wenn es darum geht nachhaltige Anbieter und Produkte zu bewerten. Gerade in diesem Bereich kommt es in besonderer Weise darauf an, sich auf diejenigen Ratings zu stützen, denen man vertraut und deren Methodik den eigenen Vorstellungen von Nachhaltigkeit entspricht. Aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen Messgrößen die im Bereich der Nachhaltigkeit untersucht werden können und aufgrund unterschiedlicher Schwerpunktsetzungen durch die Ratinghäuser blicken diese aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf das Thema Nachhaltigkeit.

Das führt dazu, dass sich Nachhaltigkeitsbewertungen unterschiedlicher Anbieter scheinbar widersprechen. Die am 2. Januar 2025 in Kraft getretene und ab dem 2. Juli 2026 anzuwendende Regulierung von ESG Rating Anbietern wird daran nichts ändern. Diese stellt hauptsächlich Anforderungen im Hinblick auf die Vermeidung von Interessenskonflikten und fordert eine größere Transparenz im Bereich der Methodik. Sie macht jedoch keine Vorgaben zu den angewandten Methoden selbst.

Katerstimmung

In den Nachhaltigkeitsratings des IVFP bemerken wir ebenfalls eine gewisse Katerstimmung, was das Thema Nachhaltigkeit angeht. In unserem Fondspolicen-Nachhaltigkeitsrating gab es in 2024 relativ wenig Bewegung. Einerseits sicherlich, weil die Anbieter ihre Produkte in den vorhergehenden Jahren bereits so ausgestaltet haben, dass an Nachhaltigkeit interessierte Kunden sehr gute Auswahlmöglichkeiten vorfinden. Andererseits stellen wir aber auch fest, dass Anbieter die diesbezüglich Nachholbedarf haben, wenig Ambitionen aufweisen die Lücke zu verkleinern. In unserem Nachhaltigkeitskompetenzrating zeigt sich ebenfalls ein gemischtes Bild.

Erfreulicher Weise konnten sich einige Anbieter im Vergleich zur Untersuchung von zwei Jahren deutlich verbessern, sodass es uns erstmal möglich war die Höchstnote „Exzellent“ zu vergeben. Diese erhalten Gesellschaften, die aus unserer Sicht einen außergewöhnlich hohen Beitrag zu den verschiedenen Facetten der Nachhaltigkeit und insbesondere im Bereich der nachhaltigen Geldanlage leisten. Auf der anderen Seite stehen allerdings Teilnehmer, die wir abwerten mussten, weil das Rating ein nachlassendes Ambitionsniveau offenlegte.

Nachfrage nach Ratings steigt

Ein Lichtblick ist die steigende Nachfrage von Finanzvertrieben nach unseren Ratings – ein Zeichen dafür, dass fundierte Nachhaltigkeitsbewertungen im Vertrieb zunehmend geschätzt werden. An seiner Nachhaltigkeitsstrategie zu arbeiten bedeutet, sich aktiv mit der Zukunft des eigenen Unternehmens auseinanderzusetzen und dessen Rolle in den kommenden Jahren bewusst zu gestalten.
Als Analysehaus setzen wir uns dafür ein, eine wirtschaftlich stabile und zukunftsfähige Versicherungs- und Finanzbranche zu fördern – eine Branche, die den Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte standhält und zugleich zu einer nachhaltigen Natur und Gesellschaft beiträgt. Dies ist kein ideologischer Wunsch, sondern die Grundlage für eine funktionierende und starke Wirtschaft.

Autor Andreas Kick ist Prokurist und Nachhaltigkeitsexperte beim Institut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP)

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