Anlageberater häufig Opfer der „Truthahn-Illusion“

Björn Siegismund, Chief Investment Officer des Vermögensverwalters Laransa PWM, über die Zäsur an den Anleihemärkten und die Folgen für die Anlagestrategie.

Björn Siegismund, Laransa PWM

Stellen Sie sich kurz vor, Sie seien ein junger Truthahn. Eines Tages kommt ein Mann in Ihr Gehege. Voller Panik wollen Sie fliehen. Aber der Mann tut Ihnen nichts und bringt nur Futter. Am folgenden Tag passiert das gleiche und am darauf folgenden Tag ebenso. Mit der Zeit fassen Sie Vertrauen zu dem Mann, der täglich das Futter bringt. Die Angst, die Sie noch in den ersten Tagen verfolgt hat, ist verflogen. So geht es fast ein Jahr lang – bis zum Tag vor Thanksgiving.

An diesem Tag kam der Mann nicht wie gewohnt mit Futter, sondern mit dem Messer. Ausgerechnet an dem Tag, an dem die Wahrscheinlichkeit für den Truthahn am größten war, erneut gefüttert und umsorgt zu werden, wird er geschlachtet. Denn mit jedem Tag, an dem er gefüttert wurde, stieg seine Gewissheit darauf, dass der folgende Tag genauso verläuft, wie der letzte. Thanksgiving war dem Truthahn unbekannt und er musste auf bittere Art herausfinden, dass ihm eine wichtige Information fehlte.

Anlageberater vernachlässigen Zinsrisiko

Mit Blick auf die Zinsmärkte scheinen dieser Truthahn-Illusion auch viele Anlageberater zum Opfer zu fallen. Seit über 20 Jahren sinken die Zinsen kontinuierlich. Gab es Anfang der 1990er Jahre für deutsche Staatsanleihen neun Prozent Zinsen, so kann man heutzutage froh sein, wenn überhaupt noch ein Kupon gezahlt wird. Anleger konnten so jahrelang neben hohen Zinserträgen zusätzlich von Kursgewinnen der Anleihen profitieren.

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Doch was in der Vergangenheit funktioniert hat, kann in der Welt von morgen ganz anders aussehen. Selbst ohne Zinsprognose ist offenkundig, dass die Renditen der Vergangenheit vor dem Hintergrund des aktuellen Zinsniveaus kaum noch erzielbar sein werden.

Seite zwei: Anleihen: Risiko von Kursverlusten wird verdrängt

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