Anlagechancen 2023: Was am Horizont droht

Auch bei den Festverzinslichen könnte sich die Lage wieder verbessern – nach einer Situation im laufenden Turnus, die Stephan als das schlechteste Halbjahr für Anleihen „seit 1786“ beschreibt. „Die große Anpassung am Rentenmarkt haben wir aber hinter uns, zunehmend werden Zinskupons wieder interessant“, gibt sich Stephan zuversichtlich. Zur Vorsicht rät er angesichts einer nicht auszuschließenden Rezession indes bei Hochzinsanleihen. Sollte sie eintreten, würden die Ausfälle steigen und die Risikoprämien insgesamt nach oben ziehen.

Svein Aage Aanes, der bei DNB Asset Management den Bereich Fixed Income verantwortet, ist davon überzeugt, dass festverzinsliche Wertpapiere auf Sicht der kommenden sechs bis zwölf Monate ein Comeback erleben werden: „Die Märkte dürften in diesem Zeitraum endlich mehr Gewissheit über den Höhepunkt des Zinserhöhungszyklus der Zentralbanken erlangen“, blickt Aanes voraus. Da Zinsänderungen mit einer beträchtlichen Verzögerung auf die Wirtschaft wirkten, sei es nicht allzu weit hergeholt zu denken, dass die Zentralbanken eine Verschnaufpause einlegen möchten, um die Entwicklungen in ihren jeweiligen Volkswirtschaften zu bewerten.

„Die große Anpassung am Rentenmarkt haben wir aber hinter uns, zunehmend werden Zinskupons wieder interessant.“

Christoph Kutt, Leiter Fixed Income Research bei der DZ Bank, traut Anleihen von Staaten und Unternehmen mit Investment Grade wieder zunehmend Renditen oberhalb von vier Prozent zu. Die Marktbeobachter von Morgan Stanley gehen noch weiter: „Da die globalen makroökonomischen Trends die Inflation im nächsten Jahr dämpfen und die Zentralbanken ihre Zinserhöhungen aussetzen, könnten Anleihen – die größten Verlierer des Jahres 2022 – im Jahr 2023 die größten Gewinner sein.
Am Gold scheiden sich die Geister. Auf der einen Seite wird das gelbe Edelmetall als zinslose Anlage unattraktiver, wenn Anleihen wieder mehr Zinsen bringen. Andererseits bietet es Werterhalt in Zeiten der Inflation. Zudem ist Gold wenig korreliert zum Aktienmarkt. Letzteres gilt auch für den Bitcoin. Doch hier scheint Vorsicht angezeigt. „Mit dem Gedanken eines Krypto-Investments sollten indes auch 2023 nur risikofreudige Anleger spielen“, mahnt justTrade-Gründer Michael B. Bußhaus. Vor allem mit Blick auf die jüngsten Hiobsbotschaften wie der Insolvenz der Kryptobörse FTX rechnet er im Krypto-Bereich mit einer weltweit deutlich stärken Regulierung.

Niemand hat eine Glaskugel, das hat das gerade zu Ende gehende Jahr einmal mehr eindrucksvoll bewiesen. Ob sich die Märkte tatsächlich so entwickeln wie von den Experten erwartet, ist stets mit Fragezeichen zu versehen. Doch zumindest beim Blick zurück in die Finanzgeschichte scheint zumindest eines gewiss: Die Einstiegschancen für langfristig denkende Anleger sind besser geworden. Michael Feser, Portfoliomanager bei JP Morgan Asset Management, bringt dies so auf den Punkt: „Die Ertragsaussichten auf Sicht von zehn bis 15 Jahren sind so gut wie seit dem Jahr 2010 nicht mehr.“

Autor Christian Euler ist Buchautor und Wirtschaftsjournalist.

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