Seit dem Abschwung zu Beginn der Pandemie verzeichnete der EdR Fund Big Data einen langen und steilen Zuwachs bei der Wertentwicklung. Welche Faktoren haben zu dieser Entwicklung beigetragen?
Marcireau: Das Hauptziel des Fonds besteht darin, die enorme Wertschöpfung aus der Verbreitung der Big-Data-Thematik sektorübergreifend zu nutzen. Dies wird durch eine breite Streuung des Themas erreicht, wobei der Schwerpunkt auf Unternehmen mit strategischen Technologien, soliden Bilanzen, hohem freien Cashflow und fehlbewerteten Wachstumsmerkmalen liegt. Der Fonds erzielte hohe Renditen und hielt den Auswirkungen einer pandemiebedingten Krise, einer steigenden Inflation, massiver Störungen der Lieferketten, eines Anstiegs der regulatorischen Risiken in China, einer Änderung des Regelwerks bei den Zentralbanken und schließlich eines Kriegsausbruchs in Europa stand. Eine unvergleichliche Risikodisziplin ist ein weiterer Erfolgsfaktor. Während der Pandemie haben wir einen kühlen Kopf bewahrt und um den Hype um die digitale Wirtschaft und das vielfach verbreitete Homeoffice einen großen Bogen gemacht und keine überhitzten Aktien gekauft. Wir investieren zwar in öffentliche Märkte, behalten aber trotzdem eine Private-Equity-Mentalität bei – mit entsprechender Kaufdisziplin und denselben Bewertungsprinzipien. Bemerkenswerterweise wurden zwei unserer größten Beteiligungen im Bereich Cybersicherheit, Mimecas und Sailpoint unlängst von Private-Equity-Fonds übernommen. Eine weitere tragende Säule unseres Prozesses ist die Sicherstellung, dass die ausgewählten Unternehmen über ein starkes ESG-Risikomanagement verfügen und dass sie eine deutliche Ausrichtung auf breitere Interessengruppen vorweisen können.
Sie investieren in die drei Teilbereiche Infrastruktur, Analytik und Datennutzer. Könnten Sie uns bitte Beispiele dafür nennen, welche Art von Unternehmen in den einzelnen Sektoren für Sie von Interesse ist?
Marcireau: Cybersicherheit ist nach wie vor ein wichtiges Thema im Portfolio, und zwar sowohl bei der Datenanalyse als auch auf Ebene der Infrastruktur. Kurz vor dem Ukraine-Konflikt haben wir Thales, einen wichtigen Akteur im Bereich der Cyberabwehr, in unser Portfolio aufgenommen. Thales ist weitgehend unabhängig von Konjunkturschwankungen. Für die nächsten Jahre wird ein erhebliches organisches Wachstum erwartet. Checkpoint ist ein weiterer großer Player, der in den Bereichen Sicherheit und Firewall-Services Pionierarbeit leistet. Das Unternehmen hat inzwischen über 100.000 Kunden weltweit und verfügt über eine der höchsten Erkennungsraten von Malware, Ransomware und anderen Online-Bedrohungen. Im Bereich der Dateninfrastruktur verfügt Orange ebenfalls über eine bedeutende Cybersicherheitssparte, die jedoch vom Markt nicht gut bewertet wird. Seine Bewertung zählt zu den niedrigsten im Markt und ist im historischen Vergleich bescheiden. Im Bereich Datennutzer besitzen wir Anteile an RadNet, einem der größten Betreiber von Radiologiezentren in den USA. In der medizinischen Bildgebung hilft die KI-Technologie Radiologen, verdächtige Fälle zu identifizieren, die vorrangig behandelt werden müssen. So können einige Krebsarten ein bis zwei Jahre früher erkannt werden als mit der derzeitigen Praxis.
Etwas mehr als 50 Prozent der Mittel des Fonds werden in Infrastrukturprojekte, Analytikprojekte und Datennutzerprojekte investiert. Was verbirgt sich dahinter?
Marcireau: Ihr Anteil liegt derzeit eigentlich bei etwa 20 Prozent. Ziel dabei ist es, sich an einigen schnell wachsenden, innovativen Unternehmen zu beteiligen, die in ihrem jeweiligen Bereich morgen wahrscheinlich führend sein werden. Zudem werden viele dieser Unternehmen wahrscheinlich das Ziel von Übernahme- und Fusionsplänen sein: Seit der Auflegung des Fonds in 2015 traf das bereits auf 13 Unternehmen zu.
Derzeit beherrscht der Krieg in der Ukraine die Schlagzeilen. Wie wirkt sich der Konflikt auf den Fonds aus?
Marcireau: Seit Ende 2021 hat der Edmond de Rothschild Fund Big Data aufgrund steigender geopolitischer Risiken seine Investitionen in den Bereich Cybersicherheit und in strategische Infrastrukturunternehmen (die jetzt ca. 35 bis 40 Prozent der Fondsanteile ausmachen) verstärkt. Wir sind heute davon überzeugt, dass die Ausgaben für Cyberabwehr, Cybersicherheit und kritische Infrastrukturen in den kommenden Jahren strukturell steigen werden. Ihre Wachstumsaussichten sind inzwischen wesentlich besser als noch vor dem Konflikt. Im Bereich Datennutzer rechnen wir mit der gleichen Widerstandsfähigkeit, selbst wenn der Konflikt die globalen Konjunkturaussichten dämpft. Schlumberger beispielsweise zählt zu den Unternehmen, denen die Bedenken in Sachen Energieversorgungssicherheit bei Erdöl zugutekommen. Dieses Unternehmen wird nach Jahren der Unterinvestitionen von höheren Ausgaben profitieren. Durch den Konflikt wurden einige der Stärken des Fonds ins Rampenlicht gerückt, nämlich seine Fähigkeit, geopolitische Faktoren, Volatilitätsrisiken und Ungewissheit in seine Struktur einzubeziehen.
Einige Experten beobachten einen Wechsel von Growth zu Value-Titeln. Wie wird sich das auf den Big-Data-Sektor auswirken?
Marcireau: Das Festhalten an einer starken Diversifizierung quer durch alle Sektoren, Anlagestile und Akteure war entscheidend, um die verschiedenen Wechsel zu überstehen, die wir seit der Auflegung des Fonds erlebt haben. Letztendlich besteht unser Ziel darin, relativ stabile und konsistente Renditen in einem breit gefächerten Umfeld zu erwirtschaften. Beim Anlagestil sind wir weiterhin nicht festgelegt. Durch sein Engagement im Finanzsektor über Charles Schwab (Online-Brokerage) in den USA, der BBVA in Europa und der Bank ICICI in Indien konnte der Fonds von steigenden Zinsen in der zweiten Jahreshälfte 2021 profitieren. Unsere Bewertungsdisziplin schlägt sich in einem niedrigeren KGV als der Markt (ca. 15 % Abschlag) und einer höheren Free-Cashflow-Rendite (6,7 % im Vergleich zu 5 % im Markt) nieder. Daher erwarten wir, dass die Value-Rotation nur minimale Auswirkungen haben wird.
ESG ist dieses Jahr einer der Megatrends. Auf welche Weise beziehen Sie dieses Thema in den Anlageprozess und die Anlagestrategie des Edmond de Rothschild Fund Big Data ein?
Marcireau: Der Fonds erfüllt die Anforderungen von Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordnung SFDR. Danach sollen vorzugsweise Unternehmen ausgewählt werden, die in den Bereichen Umweltschutz, Soziales und Unternehmensführung vorbildliche Maßnahmen eingeführt haben. Corporate-Governance-Kriterien standen schon immer im Mittelpunkt unseres Auswahlverfahrens. Eine Reihe von Unternehmen im Technologiebereich befinden sich im Besitz von Unternehmern oder Gründern, weshalb der Interessensabgleich zwischen Management, Mehrheits- und Minderheitsaktionären von entscheidender Bedeutung ist. Die ESG-Disziplin des Fonds führt zu einem Portfolio mit einem höheren ESG-Score als der Index und einem geringeren CO2-Fußabdruck. Das EFRE-Big-Data-Investmentteam stützt sich bei seiner Arbeit auf die Ergebnisse des Teams für verantwortungsbewusstes Investment von Edmond de Rothschild – vier engagierte und erfahrene Fachleute – und hat Zugang zu spezialisierten Forschungsergebnissen von ESG-Anbietern wie Sustainalytics, ISS und Carbon 4.
Wie attraktiv ist es derzeit, in den Big-Data-Sektor zu investieren?
Marcireau: Datensammlung und Data Mining gibt es zwar schon seit einiger Zeit, aber Clouds und neue Technologien haben es vielen Firmen ermöglicht, aus den riesigen, über Internet-basierte Produkte und Dienstleistungen generierten Datenmengen Mehrwert zu schöpfen. Dank dieser Entwicklungen ist datengestütztes Lernen inzwischen viel leistungsfähiger als die Kundenkenntnisse, die Unternehmen in der Vergangenheit gewonnen haben. Die Anlagechancen im Big Data Universum weiten sich aus, da viele Unternehmen die digitale Transformation einiger traditioneller Branchen und neuer Segmente vorantreiben. Es mag noch zu früh sein, das Ende der Korrektur verlustreicher Wachstumswerte auszurufen, aber einige Qualitätswerte mit starken Cash-Generierungsfähigkeiten haben inzwischen ein attraktives Bewertungsniveau erreicht. Unser Ansatz kann den Anlegern helfen, die Chancen in diesem Zyklus auf umsichtige Weise zu nutzen, ohne die strukturellen Veränderungen durch die Big-Data-Thematik zu verpassen.
Die Fragen stellte Frank O. Milewski, Cash.