Wie wichtig die globale Streuung der Vermögenswerte ist, lässt sich nirgendwo besser ablesen als am wichtigsten deutschen Aktienindex, dem DAX40. Am 19. September hat der Blue-Chip-Index erstmals die Marke von 19.000 Punkten übersprungen. Dies trotz enttäuschender Nachrichten aus der Wirtschaft: Der ifo-Index ist im September das vierte Mal in Folge gefallen, was Abwärtsrisiken für das Wachstum der deutschen Wirtschaft bedeutet. Auch die Einkaufsmanagerindizes im Euroraum lassen vor allem wegen der Schwächen der Industrie wenig Gutes erahnen.
Dass der DAX40 sich dennoch so gut entwickelt hat, liegt daran, dass er mehr ausgewogenere und international ausgerichtete Geschäftsmodelle umfasst und viele Unternehmen nicht mehr aus zyklischen, konjunktursensitiven Branchen kommen, die die Exportnation Deutschland geprägt haben. Alleine auf SAP, Allianz, Deutsche Telekom und Munich Re entfallen über die Hälfte des Anteils am DAX40- Kursgewinn im laufenden Jahr. Die Lehre daraus: Der Dax geht mit der Zeit. Eine veränderte Struktur der Weltwirtschaft erfordert eine Umstellung der Geschäftsmodelle. Deshalb hat die Index-Zusammensetzung einen beachtlichen Wandel durchgemacht und früher dominante Branchen wie Auto und Chemie haben an Bedeutung verloren.
Dieser Rat lässt sich auch Anlegern aus Deutschland geben. Im aktuell unsicheren Umfeld kommt der Diversifikation der Anlagen ein besonderer Stellenwert zu, um gegenüber Schwankungen robuster aufgestellt zu sein. Dabei gibt es trotz Europa-Blues verschiedene interessante Anlagemöglichkeiten. Die US-Wirtschaft dürfte weiter solide wachsen, wenn auch mit abgeschwächter Dynamik. Zugleich bleibt die Inflation erhöht. Darum erwarten wir zwar sinkende Zinsen, aber weniger drastisch als das aktuell am Kapitalmarkt eingepreist wird. Unsere Einschätzungen im Detail:
- Risikoanlagen wie Aktien bleiben vom anhaltenden Gewinnwachstum gut unterstützt, auch wenn zwischenzeitliche Kursrückschläge möglich sind. Sollte die US-Konjunktur – was unsere Experten nicht erwarten – stärker schwächeln, dürften größere Zinssenkungen das Rückschlagpotenzial dämpfen. Angesichts des unsicheren Umfelds – etwa wegen des offenen Ausgangs der US-Präsidentschaftswahl – sind einseitige Wetten nicht angesagt. Ausgewogenheit ist Trumpf und die Titelauswahl spielt eine entscheidende Rolle: Hier stehen langfristige Wachstumstrends wie steigende Infrastrukturausgaben, die grüne Transformation der Wirtschaft, das Thema Digitalisierung sowie der demographischer Wandel im Vordergrund. Dabei sind auch substanzstarke Unternehmen interessant, die vergleichsweise günstiger bewertet sind als die teuren Technologietitel mit Bezug zu Künstlicher Intelligenz. Insgesamt finden sich derzeit im US-Aktienmarkt überdurchschnittlich viele attraktive Geschäftsprofile.
- Auch in Europa finden sich Unternehmen mit soliden Bilanzen und einem robusten Geschäftsmodell, die noch nicht zu teuer sind. Diese sind aber eher in den Reihen der großkapitalisierten Werte als bei Nebenwerten (Small und Midcaps) zu finden, da sie von der internationalen Positionierung und damit verbunden größeren Wachstumschancen profitieren. Durch strukturelle Herausforderungen ist das Wirtschaftswachstum in Europa bereits seit Jahren deutlich unter dem etwa der USA und kann auch mit der Dynamik ausgewählter Schwellenländern nicht mithalten.
- Durch die eingeleiteten Zinssenkungen der US-Notenbank Fed sind auch Schwellenländer-Anlagen als Beimischung wieder interessanter geworden; hier sind etwa der wachstumsstarke indische Markt zu nennen, aber auch Länder und Unternehmen, die von Verlagerungen von Lieferketten profitieren können. Kurzfristig unterstützen auch die Stimulusmaßnahmen in China. Doch ist die Schwankungsbreite aufgrund der geringeren Marktliquidität höher, es braucht also erhöhte Risikofähigkeit.
- Auf der Rentenseite kann sich – mehr als bei Aktien – der Blick auf Europa lohnen. So bleiben auf Euro lautende Unternehmensanleihen mit guter und sehr guter Bonität (Investment Grade) attraktiv und werfen aktuell rund 3,4 Prozent Rendite bis zur Rückzahlung ab. Dies bietet einen guten Puffer für den Fall, dass die Zinsen wider Erwarten nicht weiter fallen oder steigen sollten. Zudem bleiben die fundamentalen Trends in dieser Assetklasse günstig. Selbst eine von uns derzeit nicht erwartete weitere konjunkturelle Eintrübung sollte nicht zu starken Aufschlägen bei den Risikoprämien (Spreads) und Kursdruck führen. Dies auch deshalb, weil es sich vor allem um größere, international diversifizierte Konzerne handelt.
- Auch Rohstoffe gehören in ein gut diversifiziertes Portfolio. Während unsere Experten kaum noch Abwärtsrisiken im Energiebereich (Öl) ausmachen, bestehen insbesondere bei Industriemetallen günstige Angebots-/Nachfrage-Verhältnisse. Die jüngsten Konjunkturmaßnahmen in China schaffen zyklisches Aufwärtspotenzial, während die grüne Transformation der Wirtschaft längerfristig Rückenwind für Metalle wie Kupfer bringt.
Moritz Bauer ist Leiter Investmentstrategie bei Union Investment.