Covid-19 hat die Investmentwelt ziemlich durcheinandergewirbelt. Pascal Blanqué, Group Chief Investment Officer bei Amundi, erläutert Risiken und aktuelle Einstiegsmöglichkeiten für die verschiedenen Anlageklassen.
Gewinnmitnahmen prägten die Anlagemärkte, die in den vergangenen Wochen historische Höchststände erreichten und sogar psychologische Schwellen durchbrachen. Nur bei den so genannten sicheren Anlagen – US-Dollar, US-Staatsanleihen und Gold – bleibt die Atmosphäre der Angst beständig hoch. Es deutet darauf hin, dass Anleger nach wirksamen Absicherungsstrategien suchen. Unser zentrales Szenario ist eine vorübergehende Verschlechterung der Weltwirtschaftslage im ersten Quartal mit einem möglichen Übergreifen auf das zweite Quartal. Letztlich könnte das schwächer als erwartet ausfallende Welthandelswachstum die Industrieproduktion und das Handwerk beeinträchtigen und sich auch auf die Binnennachfrage auswirken. Im weiteren Verlauf des Jahres dürfte es zu einer Erholung kommen.
Globales Wachstum bei 3 %
Insgesamt haben wir unsere Prognose für das globale Wachstum von 3,2% auf 3,0% gesenkt. Das Hauptrisiko sehen wir jetzt eindeutig darin, dass die jüngste Selbstgefälligkeit des Marktes in instinktgetriebene Reaktionen umschlägt. Die gute Entwicklung bei den risikoreichen Anlagen wurde von Investoren vorangetrieben, die glauben, dass
(1) die Covid-19-Episode nur vorübergehend sein wird (unser zentrales Szenario)
(2) eine Verschlechterung der Situation weitere Maßnahmen der Zentralbanken zur Folge haben wird
(3) sie angesichts des Fokus auf Sichere-Hafen-Anlagen keine Alternative haben.
Daher ist mit Gewinnmitnahmen, kurzfristiger Marktvolatilität und Überreaktionen zu rechnen.
Ein taktischer Schritt in Richtung Neutralität des Risikoexposures und eine Erhöhung des Hedging dürfte eine gute Strategie sein, um diese Phase zu meistern. Darüber hinaus sollte Covid-19 als eine Möglichkeit gesehen werden, Einstiegszeitpunkte in einigen Märkten zu nutzen, wie beispielsweise die zyklische Value-Komponente in europäischen Aktien, die nun noch attraktiver sind, Schwellenländer-Aktien – Help-Yourself-Länder oder Länder mit starker Inlandsnachfrage – und Schwellenländer-Währungen.
All diese Geschichten werden unserer Meinung nach wohl wieder in den Fokus rücken, wenn die Virus-Schlagzeilen zurückgehen. Darüber hinaus könnten sinkende Renditen in den bedeutendsten Anleihesegmenten wahrscheinlich die Suche nach Renditen bei Unternehmensanleihen oder höher verzinslichen Staatsanleihen in den Schwellenländern und den Industrieländern, wie Italien, neu entfachen. Nicht zu unterschätzen ist, dass Zentralbanken und Regierungen bei Verschlechterung der Lage massive Impulse setzen könnten. Die jüngste Notfallzinssenkung der Fed um 50 Basispunkte ist ein Schritt in diese Richtung.
Da die größten Risiken und Chancen im Anleihebereich liegen dürften, ist die Hauptfrage für Investoren: Inwieweit wird das Coronavirus generelle Störungen verursachen? Wir erwarten eine Widerstandsfähigkeit des Marktes, insbesondere der EU Investment Grade Anleihen, aber auch Unterschiede zwischen Unternehmen mit guter und schlechter Qualität, die unter Stress geraten könnten. Das unterstreicht die Notwendigkeit, Unternehmensanleihen noch intensiver zu prüfen, den Schwerpunkt auf eine Bottom-up-Analyse zu legen und der Liquidität mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Langfristig dürfte das Coronavirus einige bereits bestehende Trends verstärken:
Die De-Globalisierung und der Rückgang des Welthandels sollten Anlagethemen unterstützen, die sich lokal und unabhängig von externen Einflüssen weiterentwickeln können, wie die von der Inlandsnachfrage getriebenen Schwellenländer oder eine Konzentration auf mehr inländische Real Assets.
Als Reaktion auf Rückschläge bieten US-Anleihen hoher Bonität unserer Ansicht nach ein Polster für risikoreiche Anlagen. Aber sie führen auch die Erholung risikoreicher Anlagen an. Daraus folgern wir, dass das Durationsmanagement asymmetrisch sein muss: Wir halten es für viel riskanter, eine kurze Duration zu wählen als eine lange. Außerdem gibt es eine klare Absicherungsfunktion für US-Treasuries. In diesem Szenario dominiert der Zinsfaktor die Wachstums- und Ertragskomponenten der Aktienrenditen. Die Anleger sollten auf die ersten Anzeichen einer Veränderung der Gleichgewichtszinsen oder einer Verschiebung, die auf eine stärkere Betonung der realen Ertragskomponente gegenüber der monetären Komponente hinweist, aufmerksam achten. Allerdings ist es noch nicht so weit.
Das Fehlen realer illiquider Vermögenswerte ist eine immer wiederkehrende Schwäche. Sie stellt bereits eine große, aber steigende Komponente des relativen Values dar. Die De-Globalisierung treibt die Nachfrage nach Immobilien an, da sie eine bedeutende internationale geografische Diversifizierung ermöglicht. Auch die Suche nach aktienähnlichen Renditen mit Anleiheeigenschaften treibt die Nachfrage an. Dieses Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage sowie der Wirbel um eine Pandemie können diese Art von Sicherer-Hafen-Status nur noch verstärken, wobei die Selbstgefälligkeit dann schnell wieder zunimmt.
Foto: Amundi