Während Europa noch damit beschäftigt ist, die Impfkampagne richtig in Schwung zu bringen, hat China die Corona-Pandemie scheinbar schon hinter sich gelassen. Gerade erst veröffentlichte die Statistikbehörde in Peking die neuesten Wirtschaftsdaten. Danach legte die Wirtschaft im Reich der Mitte allein im ersten Quartal des Jahres um 18,3 Prozent zu.
Für viele Anleger ist China ein Nischenmarkt
An vielen Anlegern geht der steile Aufschwung Chinas allerdings vorbei. „Bisher fokussieren sich deutsche Anleger stark auf den Heimatmarkt“, hat Andreas Görler, Vermögensberater bei Wellinvest- Pruschke & Kalm beobachtet. „Zusätzlich wird noch in europäische und amerikanische Titel investiert, die in Deutschland liquide handelbar sind.“ Asiatische Märkte, Emerging Markets oder eben auch China seien bisher oft noch Nischenmärkte.
Selbst Anleger, die einen Indexfonds kaufen, setzen zum großen Teil auf die USA. Denn deren Anteil ist in den Weltindizes wie zum Beispiel dem MSCI World groß. Der Grund: Die Gewichtung im MSCI World wird vom Börsenwert bestimmt, heißt es im Ratgeber „Anlegen mit ETF“ der Stiftung Warentest. „Daher sind die USA als Börsennation Nummer eins ein Schwergewicht im Index.“
Börsenwert contra Wirtschaftskraft
Die Gewichtung nach Börsenwert, die bei vielen Indizes angewendet wird, führt zu einer gewissen Verzerrung. Denn der Börsenwert entspricht nicht notwendigerweise auch dem Anteil eines Landes oder einer Region an der weltweiten Wirtschaftskraft. „China ist in vielen Indizes unterrepräsentiert“, sagt Nicolas Pilz, Geschäftsführer der Societas Vermögensverwaltung.
Gewichtet man nach Marktkapitalisierung kommen die USA im weltweiten Vergleich auf etwa 55 Prozent. Legt man aber die Wirtschaftskraft zugrunde, liegt der Anteil der USA weltweit bei nur etwa 29 Prozent. Bei den Schwellenländern ist es umgekehrt: Gewichtet man sie nach Wirtschaftskraft, kommen sie auf einen Anteil von 39 Prozent. Schaut man nur auf den Börsenwert, liegt ihr Anteil bei 15 Prozent.
China bald größer als die USA?
Viele Beobachter sind sich aber sicher: Die chinesische Aktienmarktkapitalisierung wird die US-amerikanische in absehbarer Zeit überholen. „Die Frage ist meiner Meinung nach nicht ob, sondern nur wann es passieren wird“, sagt etwa Christian Köpp, Vermögensverwalter bei Oberbanscheidt & Cie. „Bei Wachstumsraten um 8 Prozent pro Jahr kommen etablierte westliche Märkte an ihre Grenzen“, ergänzt Nicolas Pilz.
Markt nur schwer zugänglich
Einen Haken für Privatanleger gibt es allerdings: Der chinesische Aktienmarkt ist nicht so offen wie der US-Markt. „Gerade die A-Aktien (A-Shares), die an den Börsen in Shanghai oder Shenzhen notiert und in lokaler Währung gehandelt werden, sind eigentlich nur Chinesen vorbehalten“, sagt Philipp Erler, Vermögensverwalter bei Böhke & Compagnie Consultants.
„Privatanleger können als Direktinvestments nur die in Hong Kong gelisteten „H-Shares“ beziehungsweise an ausländischen Börsenplätzen notierten ADR‘s kaufen“, ergänzt Rainer Göritz, Vermögensverwalter bei B&K Vermögen. Daher rät er Privatanlegern zum Kauf ausgewählter Aktienfonds beziehungsweise ETFs.
Aktienfonds: Bei Auswahl genau hinschauen
Bei Fonds oder ETF sollten Anleger aber genau hinschauen, was wirklich drin steckt, rät die Stiftung Warentest. Bei ETF etwa spielt die Zusammensetzung der infrage kommenden Indizes eine wichtige Rolle. Manche Indizes beziehen sich nur auf die A-Aktien, andere nur auf die H-Aktien. Empfehlenswert ist aus Sicht der Experten der MSCI China, der mit mehr als 700 Unternehmen einen guten Querschnitt durch Chinas Wirtschaft bietet.
Wer den China-Anteil am eigenen Welt-Depot erhöhen will, kann zum Beispiel so vorgehen: Grundlage ist ein Basisinvestment in einen ETF auf den MSCI All Country World. Der Anteil am Depot sollte bei 52 Prozent liegen. Ergänzt wird dieser mit ETF auf den MSCI Emerging Market (30 Prozent), den MSCI EMU, der die Eurozone abbildet (12 Prozent) und auf den MSCI China (6 Prozent).
Dennoch: „Anleger sollten nicht aus dem Auge verlieren, dass China eine Staatsmacht ist und in erster Linie das eigene Wohl im Blick hat und nicht das der ausländischen Investoren“, sagt Rainer Göritz. „Trotz der langfristig sehr positiven Aussichten können politische Eingriffe oder eine erneute Verschärfung des Handelskonflikts jeder Zeit kurzfristig zu einem starken Kursrutsch führen.“ (dpa-AFX)