Das Urteil ist damit juristisch sorgfältig formuliert, gibt der Praxis aber mehr Steine als Brot. Wer auf Initiatoren- oder Vertriebsseite aus seiner Sicht „überzogene Panikmache“ und Unruhe unter den Anlegern durch aus seiner Sicht unberechtigte Rundschreiben vermeiden möchte, muss nachweisen, dass Grundlage der Aussendung die missbräuchliche Verwendung der eigentlich gegenüber den Anlegern pflichtgemäß herausgegebenen Adressen ist, soweit entsprechende Anschreiben nicht sachlich eindeutig falsch oder selbst nach den liberalisierten Maßstäben zu „marktschreierisch“ sind.
Anlegerschutzindustrie: Handfeste wirtschaftliche Interessen
Aus Anlegersicht mag es zunächst nur positiv erscheinen, wenn die grundsätzliche Zulässigkeit solcher Rundschreiben bestätigt und nur der missbräuchliche „Datenklau“ beschränkt wird. Der einzelne Anleger kann in der Regel aber kaum feststellen, auf welchem Wege seine Daten bekannt geworden sind, zumindest nicht mit vertretbarem Aufwand.
Außerdem gilt auch beim Anlegerschutz, dass nicht immer der lauteste Trommler auch zugleich der erfolgreichste Vertreter von Anlegerinteressen in der Gesamtschau ist. Auch bei „erlaubter“ individueller Ansprache durch sogenannte Schutzgemeinschaften oder Anlegerkanzleien sollte daher der kritische Menschenverstand wach bleiben – auch die von einem ihrer bekannten Protagonisten selbst so genannte „Anlegerschutzindustrie“ ist eine Industrie, bei der nicht nur höhere Ziele, sondern auch handfeste wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen.
Autor Prof. Dr. Thomas Zacher ist Partner der Kanzlei Zacher & Partner Rechtsanwälte in Köln und Professor an der FHDW Bergisch Gladbach.
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