Anna Findling, UBS AM: „Sehr attraktive Investitionsmöglichkeiten“

Bild UBS
Anna Findling, UBS AM: "In Europa sind die Regulierungen und Anforderungen an unsere Investoren hinsichtlich Nachhaltigkeit enorm gestiegen.“

Anna Findling ist Leiterin Fixed Income bei UBS Asset Management. Wir sprachen mit ihr über die Perspektiven von Fixed Income angesichts gestiegener Zinsen und nach wie vor hoher Inflation, die derzeitigen Risiken und wie man sich jetzt positionieren sollte.

Die Zinsen sind enorm angestiegen, gleichzeitig bleibt aber die Inflation weiterhin hoch. Was bedeutet das für Fixed Income?

Findling: Die Leitzinserhöhungen, die wir seit letztem Jahr sehen, haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Die Anleiherenditen sind gestiegen und befinden sich nach langer Zeit auf deutlich attraktiveren Niveaus. Die höheren Renditelevel bieten nun eine bessere Absicherung gegen Verluste, sollten die Zinsen weiterhin ansteigen. Und das war ja genau das, was in den letzten Jahren gefehlt hat – ein solides Zinseinkommen sowie ein Risikopuffer. Bei allen guten Nachrichten bezüglich der neu gewonnenen Attraktivität der Anlageklasse sind die Investoren immer noch zurückhaltend – und dies aus makroökonomischen oder auch unternehmensspezifischen Gründen. Wie wir beispielsweise im März dieses Jahres sahen, erhöhten negative Meldungen zum Bankensektor die Nervosität der Anleger sprunghaft.

Aus makroökonomischer Sicht ist das nach wie vor überdurchschnittlich hohe Inflationsniveau ein wichtiger Grund für die anhaltende Unsicherheit – trotz einer sich am jüngsten Rand leicht abzeichnenden Entspannung. Diese hohen Inflationslevel lassen offen, um wie viel die Zentralbanken ihre jeweiligen Leitzinsen noch erhöhen werden. Die Eindämmung der Inflation ist weiterhin der erklärte Hauptfokus der Zentralbanken und dies gegebenenfalls unter Inkaufnahme rezessiver Entwicklungen in der Realwirtschaft.

Für Fixed Income erwarten wir daher bis Jahresende, dass die Zinsen sich in einem gewissen engeren Rahmen nach oben und unten bewegen dürften, ohne einen einheitlichen Trend in die eine oder andere Richtung einzugehen.

Wo liegen derzeit die größten Chancen, aber auch Risiken?

Findling: Die momentanen Unsicherheiten erfordern ein aktives, flexibles und risikobewusstes Management im Bereich Fixed Income. Für Investoren ergeben sich daraus aber auch sehr attraktive Investitionsmöglichkeiten, insbesondere vor dem Hintergrund der eindrücklich hohen Renditelevel. Was die Risiken angeht, so sehen viele Anleger das Risiko von hartnäckig hoch bleibenden oder weiter ansteigenden Inflationsraten, gefolgt von aggressiveren Leitzinserhöhungen – und somit eine deutlichere Abschwächung der globalen Volkswirtschaft. Nicht auszuschließen sind auch idiosynkratische, regionale oder sektorspezifische Stresssituationen, die aufgrund von Ansteckungseffekten zu globalen Verwerfungen führen können.
Darüber hinaus gibt es immer Unsicherheitsfaktoren im geopolitischen Bereich, welche auch zu Volatilitäten und neuen Stressfaktoren führen können. Erinnert sei hier an die Energiekrise. Diese Faktoren erklären sicherlich zu einem Großteil die abwartende Haltung der Investoren.

Wie positionieren Sie sich aktuell?

Findling: Aktuell bevorzugen wir eine vorsichtige Risikopositionierung aufgrund der Unwägbarkeiten an den Märkten und der überwiegenden Zurückhaltung vieler Investoren. Auch bietet die momentane inverse Zinsstruktur am meisten Rendite am vorderen Ende, so dass länger laufende Engagements relativ unattraktiv sind. In so einem Marktumfeld legen wir viel Wert auf hohe Kreditqualität, hohe Liquidität sowie flexibles und selektives Vorgehen.
Aktuell sehen wir bereits steigendes Interesse für Schwellenländeranleihen und auch zaghafte positive Annäherungen an Europäische High Yield Anleihen. Für Ersteres spricht unter anderem, dass die Wachstumsraten in den Schwellenländern höher sind als in den Industrieländern, die Nettoverschuldung ist relativ niedrig und die Ausfallsraten werden sich voraussichtlich abschwächen. Zusätzlich wirken die starken Rohstoffpreise und der schwache US-Dollar begünstigend. Daneben spielen auch technische Faktoren eine Rolle wie die attraktiv hohen Renditelevel, Angebot und Nachfrage und dass Schwellenländer tendenziell eher unterdurchschnittlich gehalten werden.
Für Euro High Yield spricht, wie für viele Segmente in Fixed Income, die attraktive Verzinsung mit über acht Prozent in Euro, eine moderate Ausfallserwartung in der nahen Zukunft und ein Markt, der insgesamt mit drei Jahren Duration ein relativ tiefes Zinsänderungsrisiko aufweist. Europa hat innerhalb des globalen High Yield Komplexes eine höhere Qualität als andere Regionen und insgesamt eine defensivere Schuldnerstruktur.

Welche Rolle spielt das Thema ESG derzeit im Segment Fixed Income?
Findling: Das Thema hat seit einigen Jahren bei uns im Fixed Income Bereich verstärkt an Profil und Fokus gewonnen. Dennoch ist es, glaube ich, fair zu sagen, dass wir ESG nicht losgelöst betrachten können. Alles ist Teil unserer täglichen Arbeit und ESG ist ein zusätzlicher Fokus in unserem Anlageprozess. ESG-Überlegungen sind integriert in unser Kreditresearch. Wir berücksichtigen quantitative und qualitative Faktoren und haben ein Regelwerk aufgestellt, welches wir laufend den äußeren Bedingungen wie neuen regulatorischen Richtlinien anpassen. Dieses gilt es zu durchlaufen, bevor ein Titel seinen Weg in unsere ESG-Portfolios findet. In unserem Anlageprozess ist ESG daher ein weiterer Kontributor zu einer gesamtheitlichen Beurteilung eines Schuldners.

Wie gut ist die Datenlage in Bezug auf ESG aktuell?

Findling: Die Datenlage ist nach wie vor eine Herausforderung. Dies ist aber der Tatsache geschuldet, dass die Ansprüche der Nutzer an Granularität und Abdeckung immer weiter gestiegen sind und weiter steigen werden. Daher schaut sich unser Analystenteam die Daten jeweils noch genauer an. Es gibt nach wie vor Sub-Assetklassen im Fixed Income Bereich, welche eher dünn von externen Datenanbietern abgedeckt sind. Bei uns im Anleihebereich haben wir ja nicht nur Unternehmen als Emittenten, welche an der Börse gehandelt werden, sondern auch noch private Unternehmen, Staaten, Quasi-Staatsbetriebe, verbriefte Anleihen und vieles mehr.
Gleichzeitig müssen wir uns als global tätiges Unternehmen mit unterschiedlichen länderspezifischen Regulierungen, Ansprüchen und Interpretationen auseinandersetzen. Es ist nicht untertrieben, wenn wir da von multidimensionalem Multitasking sprechen. Als UBS Group haben wir verschiedene Teams, deren Aufgabe es ist, dies zu ordnen, zu strukturieren, zu koordinieren und die Datenlage zu strukturieren.

Welchen Beitrag kann ESG im Rahmen von Fixed Income derzeit und zukünftig für das Anlegerdepot leisten? 

Findling: Wir sind bestrebt, in diesem Bereich Anlagelösungen bereitzustellen, die eine gesunde Balance zwischen finanziellen Ergebnissen und Beitrag zu Nachhaltigkeitsthemen aufweisen: „Do good and be good.“ Dies entspricht aus unserer Sicht dem Bedürfnis unserer Kunden. Insbesondere in Europa sind die Regulierungen und Anforderungen auch an unsere Investoren hinsichtlich Nachhaltigkeit enorm angestiegen. Aber auch die individuellen Ansprüche unserer Kunden nehmen zu. Wir wollen sie dabei unterstützen, nachhaltig zu investieren, ohne dass sie unnötige finanzielle Einbußen eingehen müssen. Da die Bedürfnisse über alle geografischen Regionen hinweg sehr unterschiedlich sind, bieten wir auch im ESG-Bereich eine breite Palette von Anlagemöglichkeiten an, um die individuellen Anlageziele unsere Kunden nach ihren Wünschen zu bedienen.

Interview: Frank O. Milewski, Cash.

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments